Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Fortunat. Einsiedler. Dir ist mein Schicksal wie Deins mir verborgen; Doch nenne mir, was Dich am meisten quält, Vielleicht kann ich Dir dennoch Hülfe schaffen. Andalosia. Ein göttlicher Gesandter wärst Du mir, Wenn Du dies Scheusal, dieses Hörnerpaar, Mir könntest von der Stirne nehmen, daß Nicht Aff' und Bock her aus dem Walde springen, Als Bruder mich und Vetter zu begrüßen, Daß ich mich Mensch, wenn auch im Elend fühlte. Einsiedler. Wohl Dir, daß dies der nächste Wunsch des Herzens, Im Elend bist Du menschlich doch geblieben, Und es ist mir vergönnt die Ungestalt Von Dir zu nehmen. Siehst Du jenen Baum Mit wen'gen grauen Blättern, kleinen Aepfeln? Den einen brech' ich, iß ihn, und sogleich Wird Deine menschliche Gestalt erscheinen. Andalosia. (ißt, die Hörner fallen ab.) Wohl mir! Wie dank' ich Dir, o heil'ger Mann! Wo bin ich denn? Einsiedler. Auf menschenleerer Insel An Irlands Küste; einst, vor alten Zeiten, Trieb hier ein Zauberer die argen Künste, Verlockte Reisende, ließ Schiffe stranden, Und pflanzte diesen Baum mit bösen Früchten; Da ward es einem heilgen Eremiten, Der längst vor mir in meiner Klause wohnte, Vergönnt, den zweiten Baum so zu begaben, Daß er des Zaubers Wirkung mag vernichten. Du bist, seit ich hier bin, der erste Mensch, Fortunat. Einſiedler. Dir iſt mein Schickſal wie Deins mir verborgen; Doch nenne mir, was Dich am meiſten quaͤlt, Vielleicht kann ich Dir dennoch Huͤlfe ſchaffen. Andaloſia. Ein goͤttlicher Geſandter waͤrſt Du mir, Wenn Du dies Scheuſal, dieſes Hoͤrnerpaar, Mir koͤnnteſt von der Stirne nehmen, daß Nicht Aff' und Bock her aus dem Walde ſpringen, Als Bruder mich und Vetter zu begruͤßen, Daß ich mich Menſch, wenn auch im Elend fuͤhlte. Einſiedler. Wohl Dir, daß dies der naͤchſte Wunſch des Herzens, Im Elend biſt Du menſchlich doch geblieben, Und es iſt mir vergoͤnnt die Ungeſtalt Von Dir zu nehmen. Siehſt Du jenen Baum Mit wen'gen grauen Blaͤttern, kleinen Aepfeln? Den einen brech' ich, iß ihn, und ſogleich Wird Deine menſchliche Geſtalt erſcheinen. Andaloſia. (ißt, die Hoͤrner fallen ab.) Wohl mir! Wie dank' ich Dir, o heil'ger Mann! Wo bin ich denn? Einſiedler. Auf menſchenleerer Inſel An Irlands Kuͤſte; einſt, vor alten Zeiten, Trieb hier ein Zauberer die argen Kuͤnſte, Verlockte Reiſende, ließ Schiffe ſtranden, Und pflanzte dieſen Baum mit boͤſen Fruͤchten; Da ward es einem heilgen Eremiten, Der laͤngſt vor mir in meiner Klauſe wohnte, Vergoͤnnt, den zweiten Baum ſo zu begaben, Daß er des Zaubers Wirkung mag vernichten. Du biſt, ſeit ich hier bin, der erſte Menſch, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <pb facs="#f0367" n="357"/> <fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Fortunat</hi>.</fw><lb/> <sp who="#Einſiedler"> <speaker><hi rendition="#g">Einſiedler</hi>.</speaker><lb/> <p>Dir iſt mein Schickſal wie Deins mir verborgen;<lb/> Doch nenne mir, was Dich am meiſten quaͤlt,<lb/> Vielleicht kann ich Dir dennoch Huͤlfe ſchaffen.</p> </sp><lb/> <sp who="#Andaloſia"> <speaker><hi rendition="#g">Andaloſia</hi>.</speaker><lb/> <p>Ein goͤttlicher Geſandter waͤrſt Du mir,<lb/> Wenn Du dies Scheuſal, dieſes Hoͤrnerpaar,<lb/> Mir koͤnnteſt von der Stirne nehmen, daß<lb/> Nicht Aff' und Bock her aus dem Walde ſpringen,<lb/> Als Bruder mich und Vetter zu begruͤßen,<lb/> Daß ich mich Menſch, wenn auch im Elend fuͤhlte.</p> </sp><lb/> <sp who="#Einſiedler"> <speaker><hi rendition="#g">Einſiedler</hi>.</speaker><lb/> <p>Wohl Dir, daß dies der naͤchſte Wunſch des Herzens,<lb/> Im Elend biſt Du menſchlich doch geblieben,<lb/> Und es iſt mir vergoͤnnt die Ungeſtalt<lb/> Von Dir zu nehmen. Siehſt Du jenen Baum<lb/> Mit wen'gen grauen Blaͤttern, kleinen Aepfeln?<lb/> Den einen brech' ich, iß ihn, und ſogleich<lb/> Wird Deine menſchliche Geſtalt erſcheinen.</p> </sp><lb/> <sp who="#Andaloſia"> <speaker><hi rendition="#g">Andaloſia</hi>.</speaker> <stage>(ißt, die Hoͤrner fallen ab.)</stage><lb/> <p>Wohl mir! Wie dank' ich Dir, o heil'ger Mann!<lb/> Wo bin ich denn?</p> </sp><lb/> <sp who="#Einſiedler"> <speaker><hi rendition="#g">Einſiedler</hi>.</speaker><lb/> <p><hi rendition="#et">Auf menſchenleerer Inſel</hi><lb/> An Irlands Kuͤſte; einſt, vor alten Zeiten,<lb/> Trieb hier ein Zauberer die argen Kuͤnſte,<lb/> Verlockte Reiſende, ließ Schiffe ſtranden,<lb/> Und pflanzte dieſen Baum mit boͤſen Fruͤchten;<lb/> Da ward es einem heilgen Eremiten,<lb/> Der laͤngſt vor mir in meiner Klauſe wohnte,<lb/> Vergoͤnnt, den zweiten Baum ſo zu begaben,<lb/> Daß er des Zaubers Wirkung mag vernichten.<lb/> Du biſt, ſeit ich hier bin, der erſte Menſch,<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [357/0367]
Fortunat.
Einſiedler.
Dir iſt mein Schickſal wie Deins mir verborgen;
Doch nenne mir, was Dich am meiſten quaͤlt,
Vielleicht kann ich Dir dennoch Huͤlfe ſchaffen.
Andaloſia.
Ein goͤttlicher Geſandter waͤrſt Du mir,
Wenn Du dies Scheuſal, dieſes Hoͤrnerpaar,
Mir koͤnnteſt von der Stirne nehmen, daß
Nicht Aff' und Bock her aus dem Walde ſpringen,
Als Bruder mich und Vetter zu begruͤßen,
Daß ich mich Menſch, wenn auch im Elend fuͤhlte.
Einſiedler.
Wohl Dir, daß dies der naͤchſte Wunſch des Herzens,
Im Elend biſt Du menſchlich doch geblieben,
Und es iſt mir vergoͤnnt die Ungeſtalt
Von Dir zu nehmen. Siehſt Du jenen Baum
Mit wen'gen grauen Blaͤttern, kleinen Aepfeln?
Den einen brech' ich, iß ihn, und ſogleich
Wird Deine menſchliche Geſtalt erſcheinen.
Andaloſia. (ißt, die Hoͤrner fallen ab.)
Wohl mir! Wie dank' ich Dir, o heil'ger Mann!
Wo bin ich denn?
Einſiedler.
Auf menſchenleerer Inſel
An Irlands Kuͤſte; einſt, vor alten Zeiten,
Trieb hier ein Zauberer die argen Kuͤnſte,
Verlockte Reiſende, ließ Schiffe ſtranden,
Und pflanzte dieſen Baum mit boͤſen Fruͤchten;
Da ward es einem heilgen Eremiten,
Der laͤngſt vor mir in meiner Klauſe wohnte,
Vergoͤnnt, den zweiten Baum ſo zu begaben,
Daß er des Zaubers Wirkung mag vernichten.
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