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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

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Fortunat.
Heinz. Uns alles vor der Nase weggenom-
men! Und ich hatte, unter uns gesagt, auf die Preise
schon Schulden gemacht.
Friedrich. Der dir aber etwas darauf ge-
borgt hat, muß ein noch größerer Narr gewesen
seyn, als du selbst.
Heinz. Warum denn? das Glück findet ja
wohl auch bei unser einem einmal eine Thür offen.
Timotheus. Aber was soll ich erst klagen
und sagen? Hatte ich nicht schon den ersten Preis,
war mein gnädiger Herzog nicht selbst von meinem
Reiten eingenommen? Beate, die Kammerfrau,
winkte mir immer mit dem Schnupftuche zu, und
auf einmal kommt das fremde Meerwunder auf sei-
nem Schimmel hergaloppirt, setzt an, und, mein
Seel, rennt mich auch mir nichts dir nichts so in
den Sand hinein, daß ich noch immer einige Klöße
kauen und schlucken muß, dabei thun mir die Rib-
ben so erbärmlich weh, daß ich mich in vier Wo-
chen auf kein Pferd getraue.
Heinz. Ist es denn ein Wunder? Hat ihm
unser Graf nicht das schöne Thier, gleich so wie
er ankömmt, geschenkt? Dem hergelaufuen Land-
streicher? Das Vieh ist so stark und hitzig, daß
kein ander Roß dagegen bestehen kann; glaubt mir
nur, der Gaul hat den Preis gewonnen, und nicht
der Geldschnabel.
Friedrich. Und wir, die wir zehn Jahre und
länger im Dienst des Herrn sind, was kriegen
wir? Man meinte wohl, die Stadt ginge zu
Grunde, wenn man uns einmal ein gutes Pferd
III. [ 3 ]
Fortunat.
Heinz. Uns alles vor der Naſe weggenom-
men! Und ich hatte, unter uns geſagt, auf die Preiſe
ſchon Schulden gemacht.
Friedrich. Der dir aber etwas darauf ge-
borgt hat, muß ein noch groͤßerer Narr geweſen
ſeyn, als du ſelbſt.
Heinz. Warum denn? das Gluͤck findet ja
wohl auch bei unſer einem einmal eine Thuͤr offen.
Timotheus. Aber was ſoll ich erſt klagen
und ſagen? Hatte ich nicht ſchon den erſten Preis,
war mein gnaͤdiger Herzog nicht ſelbſt von meinem
Reiten eingenommen? Beate, die Kammerfrau,
winkte mir immer mit dem Schnupftuche zu, und
auf einmal kommt das fremde Meerwunder auf ſei-
nem Schimmel hergaloppirt, ſetzt an, und, mein
Seel, rennt mich auch mir nichts dir nichts ſo in
den Sand hinein, daß ich noch immer einige Kloͤße
kauen und ſchlucken muß, dabei thun mir die Rib-
ben ſo erbaͤrmlich weh, daß ich mich in vier Wo-
chen auf kein Pferd getraue.
Heinz. Iſt es denn ein Wunder? Hat ihm
unſer Graf nicht das ſchoͤne Thier, gleich ſo wie
er ankoͤmmt, geſchenkt? Dem hergelaufuen Land-
ſtreicher? Das Vieh iſt ſo ſtark und hitzig, daß
kein ander Roß dagegen beſtehen kann; glaubt mir
nur, der Gaul hat den Preis gewonnen, und nicht
der Geldſchnabel.
Friedrich. Und wir, die wir zehn Jahre und
laͤnger im Dienſt des Herrn ſind, was kriegen
wir? Man meinte wohl, die Stadt ginge zu
Grunde, wenn man uns einmal ein gutes Pferd
III. [ 3 ]
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[33/0043] Fortunat. Heinz. Uns alles vor der Naſe weggenom- men! Und ich hatte, unter uns geſagt, auf die Preiſe ſchon Schulden gemacht. Friedrich. Der dir aber etwas darauf ge- borgt hat, muß ein noch groͤßerer Narr geweſen ſeyn, als du ſelbſt. Heinz. Warum denn? das Gluͤck findet ja wohl auch bei unſer einem einmal eine Thuͤr offen. Timotheus. Aber was ſoll ich erſt klagen und ſagen? Hatte ich nicht ſchon den erſten Preis, war mein gnaͤdiger Herzog nicht ſelbſt von meinem Reiten eingenommen? Beate, die Kammerfrau, winkte mir immer mit dem Schnupftuche zu, und auf einmal kommt das fremde Meerwunder auf ſei- nem Schimmel hergaloppirt, ſetzt an, und, mein Seel, rennt mich auch mir nichts dir nichts ſo in den Sand hinein, daß ich noch immer einige Kloͤße kauen und ſchlucken muß, dabei thun mir die Rib- ben ſo erbaͤrmlich weh, daß ich mich in vier Wo- chen auf kein Pferd getraue. Heinz. Iſt es denn ein Wunder? Hat ihm unſer Graf nicht das ſchoͤne Thier, gleich ſo wie er ankoͤmmt, geſchenkt? Dem hergelaufuen Land- ſtreicher? Das Vieh iſt ſo ſtark und hitzig, daß kein ander Roß dagegen beſtehen kann; glaubt mir nur, der Gaul hat den Preis gewonnen, und nicht der Geldſchnabel. Friedrich. Und wir, die wir zehn Jahre und laͤnger im Dienſt des Herrn ſind, was kriegen wir? Man meinte wohl, die Stadt ginge zu Grunde, wenn man uns einmal ein gutes Pferd III. [ 3 ]

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 33. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/43>, abgerufen am 28.04.2024.