Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.Zweite Abtheilung. der Rothnasige weg, als wenn er gen Himmel ge-fahren wäre; nun war ich kein Hanswurst mehr, sondern ein Bettler. Endlich erbarmte sich Herr Theodor, und hat mich für die Kost und ohne Lohn mit auf die Reise genommen, und nun bin ich hier. Daniel. Deine Erzählung ist zwar etwas konfuse, aber ich sehe doch, daß sich die Welt seit meiner Jugend sehr muß verändert haben, denn so was war damals nicht möglich. -- Nein, Sohn, dagegen hab' ich einen andern Lebenswandel ge- führt. Was wirst Du sagen? Ich habe in mei- nen alten Tagen noch wieder geheirathet; aber auch welche Frau! Eine Fremde, die mir ein fünf tausend Dukaten zugebracht hat; doch ist das nur das Wenigste. Sohn, ich dachte, ich könnte zusammen raffen, ersparen, erkneifen, mit Rechnun- gen umgehn, den Herrschaften was vormachen, -- aber ein unschuldiges dummes Kind war ich, und habe von neuem in die Lehre gehn müssen. -- Frau! Komm doch heraus, mein lieber, mein ein- ziger Sohn ist angekommen. Bertha tritt herein, sie und Dietrich fahren vor einander zurück. Bertha. Welches Schicksal! Dietrich. Es ist die Möglichkeit! Daniel. Nun? Was soll das? Sohn, um- arme die Stiefmutter; Frau, sey zärtlich wie ge- gen einen Sohn. Dietrich. Papa -- Vater -- Alter, -- das ist ja dieselbe, meine vorige Geliebte, -- die mich für Geld hat sehn lassen, -- davon hat sie ja das Zweite Abtheilung. der Rothnaſige weg, als wenn er gen Himmel ge-fahren waͤre; nun war ich kein Hanswurſt mehr, ſondern ein Bettler. Endlich erbarmte ſich Herr Theodor, und hat mich fuͤr die Koſt und ohne Lohn mit auf die Reiſe genommen, und nun bin ich hier. Daniel. Deine Erzaͤhlung iſt zwar etwas konfuſe, aber ich ſehe doch, daß ſich die Welt ſeit meiner Jugend ſehr muß veraͤndert haben, denn ſo was war damals nicht moͤglich. — Nein, Sohn, dagegen hab' ich einen andern Lebenswandel ge- fuͤhrt. Was wirſt Du ſagen? Ich habe in mei- nen alten Tagen noch wieder geheirathet; aber auch welche Frau! Eine Fremde, die mir ein fuͤnf tauſend Dukaten zugebracht hat; doch iſt das nur das Wenigſte. Sohn, ich dachte, ich koͤnnte zuſammen raffen, erſparen, erkneifen, mit Rechnun- gen umgehn, den Herrſchaften was vormachen, — aber ein unſchuldiges dummes Kind war ich, und habe von neuem in die Lehre gehn muͤſſen. — Frau! Komm doch heraus, mein lieber, mein ein- ziger Sohn iſt angekommen. Bertha tritt herein, ſie und Dietrich fahren vor einander zuruͤck. Bertha. Welches Schickſal! Dietrich. Es iſt die Moͤglichkeit! Daniel. Nun? Was ſoll das? Sohn, um- arme die Stiefmutter; Frau, ſey zaͤrtlich wie ge- gen einen Sohn. Dietrich. Papa — Vater — Alter, — das iſt ja dieſelbe, meine vorige Geliebte, — die mich fuͤr Geld hat ſehn laſſen, — davon hat ſie ja das <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <sp who="#Dietrich"> <p><pb facs="#f0472" n="462"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#g">Zweite Abtheilung</hi>.</fw><lb/> der Rothnaſige weg, als wenn er gen Himmel ge-<lb/> fahren waͤre; nun war ich kein Hanswurſt mehr,<lb/> ſondern ein Bettler. Endlich erbarmte ſich Herr<lb/> Theodor, und hat mich fuͤr die Koſt und ohne Lohn<lb/> mit auf die Reiſe genommen, und nun bin ich hier.</p> </sp><lb/> <sp who="#Daniel"> <speaker><hi rendition="#g">Daniel</hi>.</speaker> <p>Deine Erzaͤhlung iſt zwar etwas<lb/> konfuſe, aber ich ſehe doch, daß ſich die Welt ſeit<lb/> meiner Jugend ſehr muß veraͤndert haben, denn<lb/> ſo was war damals nicht moͤglich. — Nein, Sohn,<lb/> dagegen hab' ich einen andern Lebenswandel ge-<lb/> fuͤhrt. Was wirſt Du ſagen? Ich habe in mei-<lb/> nen alten Tagen noch wieder geheirathet; aber<lb/> auch welche Frau! Eine Fremde, die mir ein<lb/> fuͤnf tauſend Dukaten zugebracht hat; doch iſt das<lb/> nur das Wenigſte. Sohn, ich dachte, ich koͤnnte<lb/> zuſammen raffen, erſparen, erkneifen, mit Rechnun-<lb/> gen umgehn, den Herrſchaften was vormachen, —<lb/> aber ein unſchuldiges dummes Kind war ich, und<lb/> habe von neuem in die Lehre gehn muͤſſen. —<lb/> Frau! Komm doch heraus, mein lieber, mein ein-<lb/> ziger Sohn iſt angekommen.</p><lb/> <stage> <hi rendition="#c"><hi rendition="#g">Bertha</hi> tritt herein, ſie und <hi rendition="#g">Dietrich</hi> fahren vor<lb/> einander zuruͤck.</hi> </stage> </sp><lb/> <sp who="#Bertha"> <speaker><hi rendition="#g">Bertha</hi>.</speaker> <p>Welches Schickſal!</p> </sp><lb/> <sp who="#Dietrich"> <speaker><hi rendition="#g">Dietrich</hi>.</speaker> <p>Es iſt die Moͤglichkeit!</p> </sp><lb/> <sp who="#Daniel"> <speaker><hi rendition="#g">Daniel</hi>.</speaker> <p>Nun? Was ſoll das? Sohn, um-<lb/> arme die Stiefmutter; Frau, ſey zaͤrtlich wie ge-<lb/> gen einen Sohn.</p> </sp><lb/> <sp who="#Dietrich"> <speaker><hi rendition="#g">Dietrich</hi>.</speaker> <p>Papa — Vater — Alter, — das<lb/> iſt ja dieſelbe, meine vorige Geliebte, — die mich<lb/> fuͤr Geld hat ſehn laſſen, — davon hat ſie ja das<lb/></p> </sp> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [462/0472]
Zweite Abtheilung.
der Rothnaſige weg, als wenn er gen Himmel ge-
fahren waͤre; nun war ich kein Hanswurſt mehr,
ſondern ein Bettler. Endlich erbarmte ſich Herr
Theodor, und hat mich fuͤr die Koſt und ohne Lohn
mit auf die Reiſe genommen, und nun bin ich hier.
Daniel. Deine Erzaͤhlung iſt zwar etwas
konfuſe, aber ich ſehe doch, daß ſich die Welt ſeit
meiner Jugend ſehr muß veraͤndert haben, denn
ſo was war damals nicht moͤglich. — Nein, Sohn,
dagegen hab' ich einen andern Lebenswandel ge-
fuͤhrt. Was wirſt Du ſagen? Ich habe in mei-
nen alten Tagen noch wieder geheirathet; aber
auch welche Frau! Eine Fremde, die mir ein
fuͤnf tauſend Dukaten zugebracht hat; doch iſt das
nur das Wenigſte. Sohn, ich dachte, ich koͤnnte
zuſammen raffen, erſparen, erkneifen, mit Rechnun-
gen umgehn, den Herrſchaften was vormachen, —
aber ein unſchuldiges dummes Kind war ich, und
habe von neuem in die Lehre gehn muͤſſen. —
Frau! Komm doch heraus, mein lieber, mein ein-
ziger Sohn iſt angekommen.
Bertha tritt herein, ſie und Dietrich fahren vor
einander zuruͤck.
Bertha. Welches Schickſal!
Dietrich. Es iſt die Moͤglichkeit!
Daniel. Nun? Was ſoll das? Sohn, um-
arme die Stiefmutter; Frau, ſey zaͤrtlich wie ge-
gen einen Sohn.
Dietrich. Papa — Vater — Alter, — das
iſt ja dieſelbe, meine vorige Geliebte, — die mich
fuͤr Geld hat ſehn laſſen, — davon hat ſie ja das
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |