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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816.

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Fortunat.
Indeß ohnmächt'ger Mücken nicht'ger Schwarm
Im kalten Strahl ein kurzes Stündchen spielt,
Wie nachgeträumter Sommer? War der Landmann,
Deß saurer Schweiß ihm seine Nahrung schuf,
Nicht besser, reicher, glücklicher als ich?
Dem Sohn vererbt er nur die kleine Summe,
Fleiß und Gerechtigkeit: auf den Besitz
Der eng gezog'nen Gränzen läßt der Himmel
Mit allen Seegenskräften sich hernieder,
Und blüht Gesundheit aus der Enkel Glück.
Indessen ich, ein wesenlos Gespenst,
Umzieh' wie nicht'ge schwache Frühlingsfäden,
Die jeder Windhauch wirft, und meine Gaben
Wie ungreifbarer Schaum des Golds zerflattern.
Und Du, Du wagtest es, mit wildem Sinn
Der Liebsten Bild mit Strenge zu verfolgen,
Verachtung ihr zu bieten, wie Apostel
Ihr Buße, Demuth, Beß'rung predigend?
Du dünktest Dich mit reichem Geist geschmückt,
Und spieltest lusterfüllt das Abentheuer.
Und nun? -- Gesteh es Dir, Du liebst sie noch:
Gesteh' es Dir, sie hätte Dich geliebt,
Wärst Du mit sehnsuchtsvollem, liebeschwangern
Gemüth und Herz entgegen ihr getreten.
Sie fühlte Deine nicht'ge Eitelkeit --
Da setzte sie der Larve Larv' entgegen --
Zwei Todte spielten die Lebendigen; --
Nun wär' ich glücklich, hätt' ich Glück verdient.
Die Kraft der Liebe, wenn sie würdig uns
Für ihren Dienst befunden, hätte wohl
Die Hindernisse all hinweg gehoben.
Doch nun -- da stehst Du vor der nackten Mauer
Des Lebens, die sich weit und weiter dehnt,
Fortunat.
Indeß ohnmaͤcht'ger Muͤcken nicht'ger Schwarm
Im kalten Strahl ein kurzes Stuͤndchen ſpielt,
Wie nachgetraͤumter Sommer? War der Landmann,
Deß ſaurer Schweiß ihm ſeine Nahrung ſchuf,
Nicht beſſer, reicher, gluͤcklicher als ich?
Dem Sohn vererbt er nur die kleine Summe,
Fleiß und Gerechtigkeit: auf den Beſitz
Der eng gezog'nen Graͤnzen laͤßt der Himmel
Mit allen Seegenskraͤften ſich hernieder,
Und bluͤht Geſundheit aus der Enkel Gluͤck.
Indeſſen ich, ein weſenlos Geſpenſt,
Umzieh' wie nicht'ge ſchwache Fruͤhlingsfaͤden,
Die jeder Windhauch wirft, und meine Gaben
Wie ungreifbarer Schaum des Golds zerflattern.
Und Du, Du wagteſt es, mit wildem Sinn
Der Liebſten Bild mit Strenge zu verfolgen,
Verachtung ihr zu bieten, wie Apoſtel
Ihr Buße, Demuth, Beß'rung predigend?
Du duͤnkteſt Dich mit reichem Geiſt geſchmuͤckt,
Und ſpielteſt luſterfuͤllt das Abentheuer.
Und nun? — Geſteh es Dir, Du liebſt ſie noch:
Geſteh' es Dir, ſie haͤtte Dich geliebt,
Waͤrſt Du mit ſehnſuchtsvollem, liebeſchwangern
Gemuͤth und Herz entgegen ihr getreten.
Sie fuͤhlte Deine nicht'ge Eitelkeit —
Da ſetzte ſie der Larve Larv' entgegen —
Zwei Todte ſpielten die Lebendigen; —
Nun waͤr' ich gluͤcklich, haͤtt' ich Gluͤck verdient.
Die Kraft der Liebe, wenn ſie wuͤrdig uns
Fuͤr ihren Dienſt befunden, haͤtte wohl
Die Hinderniſſe all hinweg gehoben.
Doch nun — da ſtehſt Du vor der nackten Mauer
Des Lebens, die ſich weit und weiter dehnt,
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[479/0489] Fortunat. Indeß ohnmaͤcht'ger Muͤcken nicht'ger Schwarm Im kalten Strahl ein kurzes Stuͤndchen ſpielt, Wie nachgetraͤumter Sommer? War der Landmann, Deß ſaurer Schweiß ihm ſeine Nahrung ſchuf, Nicht beſſer, reicher, gluͤcklicher als ich? Dem Sohn vererbt er nur die kleine Summe, Fleiß und Gerechtigkeit: auf den Beſitz Der eng gezog'nen Graͤnzen laͤßt der Himmel Mit allen Seegenskraͤften ſich hernieder, Und bluͤht Geſundheit aus der Enkel Gluͤck. Indeſſen ich, ein weſenlos Geſpenſt, Umzieh' wie nicht'ge ſchwache Fruͤhlingsfaͤden, Die jeder Windhauch wirft, und meine Gaben Wie ungreifbarer Schaum des Golds zerflattern. Und Du, Du wagteſt es, mit wildem Sinn Der Liebſten Bild mit Strenge zu verfolgen, Verachtung ihr zu bieten, wie Apoſtel Ihr Buße, Demuth, Beß'rung predigend? Du duͤnkteſt Dich mit reichem Geiſt geſchmuͤckt, Und ſpielteſt luſterfuͤllt das Abentheuer. Und nun? — Geſteh es Dir, Du liebſt ſie noch: Geſteh' es Dir, ſie haͤtte Dich geliebt, Waͤrſt Du mit ſehnſuchtsvollem, liebeſchwangern Gemuͤth und Herz entgegen ihr getreten. Sie fuͤhlte Deine nicht'ge Eitelkeit — Da ſetzte ſie der Larve Larv' entgegen — Zwei Todte ſpielten die Lebendigen; — Nun waͤr' ich gluͤcklich, haͤtt' ich Gluͤck verdient. Die Kraft der Liebe, wenn ſie wuͤrdig uns Fuͤr ihren Dienſt befunden, haͤtte wohl Die Hinderniſſe all hinweg gehoben. Doch nun — da ſtehſt Du vor der nackten Mauer Des Lebens, die ſich weit und weiter dehnt,

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 479. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/489>, abgerufen am 22.11.2024.