stigen Ungelenkheit mir immer die engli- schen Clowns einfallen, wenn sie Leute von Stande darstellen wollen. Sie sind recht der Ge- gensatz jener großartigen Schule, die Schröder in seiner besten Zeit stiftete, und aus der so viele große Talente hervorgingen.
Ich wünsche ich hätte Eckhof sehn können, sagte Emilie.
Nach allem, was ich von ihm weiß, sagte Lo- thar, muß er vortrefflich gewesen seyn, ob ich mir gleich nach den Beschreibungen die Art seiner Darstellung nicht vergegenwärtigen kann. Auch Reinecke muß zu den besten Künstlern gehört ha- ben, so wie Beil in Manheim, und es thut mir sehr leid, daß mir diese Anschauungen mangeln. Doch freut es mich, Schröder noch in einigen seiner vorzüglichsten Rollen gesehen zu haben. Sein Organ war heiser, sein Ton etwas durch die Nase, seine Figur etwas zu lang und hager, und hatte im Alter wenigstens, keine schöne Pro- portion. Aber so wie er auftrat, ohne daß er sich durch raffinirte Künste umgestaltete, er- kannte man ihn nicht wieder: man fühlte sich im Kunstwerk und vergaß doch im Augenblick den Schauspieler; alles, was er leistete, war groß, auch so gar nichts von Nebensache, Zu- fälligkeit und Willkühr, oder gar Angewöhnung, sondern alles diente zu dieser Rolle und paßte zu keiner andern; jeder Schritt, Accent und jede Bewegung machte mit der deutlichsten Be-
Zweite Abtheilung.
ſtigen Ungelenkheit mir immer die engli- ſchen Clowns einfallen, wenn ſie Leute von Stande darſtellen wollen. Sie ſind recht der Ge- genſatz jener großartigen Schule, die Schroͤder in ſeiner beſten Zeit ſtiftete, und aus der ſo viele große Talente hervorgingen.
Ich wuͤnſche ich haͤtte Eckhof ſehn koͤnnen, ſagte Emilie.
Nach allem, was ich von ihm weiß, ſagte Lo- thar, muß er vortrefflich geweſen ſeyn, ob ich mir gleich nach den Beſchreibungen die Art ſeiner Darſtellung nicht vergegenwaͤrtigen kann. Auch Reinecke muß zu den beſten Kuͤnſtlern gehoͤrt ha- ben, ſo wie Beil in Manheim, und es thut mir ſehr leid, daß mir dieſe Anſchauungen mangeln. Doch freut es mich, Schroͤder noch in einigen ſeiner vorzuͤglichſten Rollen geſehen zu haben. Sein Organ war heiſer, ſein Ton etwas durch die Naſe, ſeine Figur etwas zu lang und hager, und hatte im Alter wenigſtens, keine ſchoͤne Pro- portion. Aber ſo wie er auftrat, ohne daß er ſich durch raffinirte Kuͤnſte umgeſtaltete, er- kannte man ihn nicht wieder: man fuͤhlte ſich im Kunſtwerk und vergaß doch im Augenblick den Schauſpieler; alles, was er leiſtete, war groß, auch ſo gar nichts von Nebenſache, Zu- faͤlligkeit und Willkuͤhr, oder gar Angewoͤhnung, ſondern alles diente zu dieſer Rolle und paßte zu keiner andern; jeder Schritt, Accent und jede Bewegung machte mit der deutlichſten Be-
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Zweite Abtheilung.
ſtigen Ungelenkheit mir immer die engli-
ſchen Clowns einfallen, wenn ſie Leute von
Stande darſtellen wollen. Sie ſind recht der Ge-
genſatz jener großartigen Schule, die Schroͤder
in ſeiner beſten Zeit ſtiftete, und aus der ſo
viele große Talente hervorgingen.
Ich wuͤnſche ich haͤtte Eckhof ſehn koͤnnen,
ſagte Emilie.
Nach allem, was ich von ihm weiß, ſagte Lo-
thar, muß er vortrefflich geweſen ſeyn, ob ich mir
gleich nach den Beſchreibungen die Art ſeiner
Darſtellung nicht vergegenwaͤrtigen kann. Auch
Reinecke muß zu den beſten Kuͤnſtlern gehoͤrt ha-
ben, ſo wie Beil in Manheim, und es thut mir
ſehr leid, daß mir dieſe Anſchauungen mangeln.
Doch freut es mich, Schroͤder noch in einigen
ſeiner vorzuͤglichſten Rollen geſehen zu haben.
Sein Organ war heiſer, ſein Ton etwas durch
die Naſe, ſeine Figur etwas zu lang und hager,
und hatte im Alter wenigſtens, keine ſchoͤne Pro-
portion. Aber ſo wie er auftrat, ohne daß er
ſich durch raffinirte Kuͤnſte umgeſtaltete, er-
kannte man ihn nicht wieder: man fuͤhlte ſich
im Kunſtwerk und vergaß doch im Augenblick
den Schauſpieler; alles, was er leiſtete, war
groß, auch ſo gar nichts von Nebenſache, Zu-
faͤlligkeit und Willkuͤhr, oder gar Angewoͤhnung,
ſondern alles diente zu dieſer Rolle und paßte
zu keiner andern; jeder Schritt, Accent und
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 502. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/512>, abgerufen am 27.11.2024.
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