dern übertreffend. Nur muß ich noch hinzufü- gen, daß, wie Schröder sich nie vernachläßigte, sich Fleck dies nur zu oft zu Schulden kommen ließ, denn es traf sich wohl, daß ein Fremder seine schönsten Darstellungen schlecht von ihm sah, oft verlor er auch plötzlich die Laune, und mit ihr die Einsicht in seine Rolle, wenn er auch guten Willen behielt, oft spielte er wie zufällig nur eine Scene unnachahmlich groß, und das ganze Stück schlecht. Seine Stimmung ver- mochte alles über ihn. Oft wurde auch zu viel von ihm gefordert, so daß er wohl ermüden mußte.
Sie nannten die Besonnenheit, warf Clara ein: Sie nehmen Sie doch unmöglich im allge- meinen Sinn, sondern bedingt, um jene beiden Künstler besser gegenüber zu stellen.
Freilich, sagte Lothar, denn ich möchte mei- nen Liebling nicht als einen Rasenden, sondern als einen Begeisterten schildern, der in der Be- geisterung wohl wuste, was er that, aber frei- lich ohne diese wenig leisten konnte. Wie sehr alles aus seiner poetischen großen Natur her- vorging, zeigte sich auch in jenem Unterschiede, den Göthe im Meister so richtig angiebt, das Vornehme war ihm so fern, daß er linkisch wurde, wenn es in einer seiner Rollen zu sehr
Zweite Abtheilung.
dern uͤbertreffend. Nur muß ich noch hinzufuͤ- gen, daß, wie Schroͤder ſich nie vernachlaͤßigte, ſich Fleck dies nur zu oft zu Schulden kommen ließ, denn es traf ſich wohl, daß ein Fremder ſeine ſchoͤnſten Darſtellungen ſchlecht von ihm ſah, oft verlor er auch ploͤtzlich die Laune, und mit ihr die Einſicht in ſeine Rolle, wenn er auch guten Willen behielt, oft ſpielte er wie zufaͤllig nur eine Scene unnachahmlich groß, und das ganze Stuͤck ſchlecht. Seine Stimmung ver- mochte alles uͤber ihn. Oft wurde auch zu viel von ihm gefordert, ſo daß er wohl ermuͤden mußte.
Sie nannten die Beſonnenheit, warf Clara ein: Sie nehmen Sie doch unmoͤglich im allge- meinen Sinn, ſondern bedingt, um jene beiden Kuͤnſtler beſſer gegenuͤber zu ſtellen.
Freilich, ſagte Lothar, denn ich moͤchte mei- nen Liebling nicht als einen Raſenden, ſondern als einen Begeiſterten ſchildern, der in der Be- geiſterung wohl wuſte, was er that, aber frei- lich ohne dieſe wenig leiſten konnte. Wie ſehr alles aus ſeiner poetiſchen großen Natur her- vorging, zeigte ſich auch in jenem Unterſchiede, den Goͤthe im Meiſter ſo richtig angiebt, das Vornehme war ihm ſo fern, daß er linkiſch wurde, wenn es in einer ſeiner Rollen zu ſehr
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[511/0521]
Zweite Abtheilung.
dern uͤbertreffend. Nur muß ich noch hinzufuͤ-
gen, daß, wie Schroͤder ſich nie vernachlaͤßigte,
ſich Fleck dies nur zu oft zu Schulden kommen
ließ, denn es traf ſich wohl, daß ein Fremder
ſeine ſchoͤnſten Darſtellungen ſchlecht von ihm
ſah, oft verlor er auch ploͤtzlich die Laune, und
mit ihr die Einſicht in ſeine Rolle, wenn er auch
guten Willen behielt, oft ſpielte er wie zufaͤllig
nur eine Scene unnachahmlich groß, und das
ganze Stuͤck ſchlecht. Seine Stimmung ver-
mochte alles uͤber ihn. Oft wurde auch zu viel
von ihm gefordert, ſo daß er wohl ermuͤden
mußte.
Sie nannten die Beſonnenheit, warf Clara
ein: Sie nehmen Sie doch unmoͤglich im allge-
meinen Sinn, ſondern bedingt, um jene beiden
Kuͤnſtler beſſer gegenuͤber zu ſtellen.
Freilich, ſagte Lothar, denn ich moͤchte mei-
nen Liebling nicht als einen Raſenden, ſondern
als einen Begeiſterten ſchildern, der in der Be-
geiſterung wohl wuſte, was er that, aber frei-
lich ohne dieſe wenig leiſten konnte. Wie ſehr
alles aus ſeiner poetiſchen großen Natur her-
vorging, zeigte ſich auch in jenem Unterſchiede,
den Goͤthe im Meiſter ſo richtig angiebt, das
Vornehme war ihm ſo fern, daß er linkiſch
wurde, wenn es in einer ſeiner Rollen zu ſehr
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Tieck, Ludwig: Phantasus. Bd. 3. Berlin, 1816, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_phantasus03_1816/521>, abgerufen am 27.11.2024.
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