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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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O ja, sagte Franz: manche Stadt, man¬
ches Dorf, mancher Berg liegt zwischen uns
und Italien. Es wird noch lange währen,
ehe ich dort bin.

Und Ihr müßt dahin? fragte Gertrud.

Ich will, und muß, antwortete er; ich
denke dort viel zu lernen für meine Mah¬
lerkunst. Manches alte Gebäude, manchen
vortreflichen Mann habe ich zu besuchen,
manches zu thun und zu erfahren, ehe ich
mich für einen Meister halten darf.

Aber Ihr kommt doch wieder?

Ich denke, sagte Franz, aber es kann
lange währen, und dann ist hier vielleicht
alles anders, ich bin hier dann längst ver¬
gessen, meine Freunde und Verwandten sind
vielleicht gestorben; die Burschen und Mäd¬
chen die eben so frölich singen, sind denn
alt und haben Kinder. Daß das Menschen¬
leben so kurz ist, und das in der Kürze

O ja, ſagte Franz: manche Stadt, man¬
ches Dorf, mancher Berg liegt zwiſchen uns
und Italien. Es wird noch lange währen,
ehe ich dort bin.

Und Ihr müßt dahin? fragte Gertrud.

Ich will, und muß, antwortete er; ich
denke dort viel zu lernen für meine Mah¬
lerkunſt. Manches alte Gebäude, manchen
vortreflichen Mann habe ich zu beſuchen,
manches zu thun und zu erfahren, ehe ich
mich für einen Meiſter halten darf.

Aber Ihr kommt doch wieder?

Ich denke, ſagte Franz, aber es kann
lange währen, und dann iſt hier vielleicht
alles anders, ich bin hier dann längſt ver¬
geſſen, meine Freunde und Verwandten ſind
vielleicht geſtorben; die Burſchen und Mäd¬
chen die eben ſo frölich ſingen, ſind denn
alt und haben Kinder. Daß das Menſchen¬
leben ſo kurz iſt, und das in der Kürze

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[116/0127] O ja, ſagte Franz: manche Stadt, man¬ ches Dorf, mancher Berg liegt zwiſchen uns und Italien. Es wird noch lange währen, ehe ich dort bin. Und Ihr müßt dahin? fragte Gertrud. Ich will, und muß, antwortete er; ich denke dort viel zu lernen für meine Mah¬ lerkunſt. Manches alte Gebäude, manchen vortreflichen Mann habe ich zu beſuchen, manches zu thun und zu erfahren, ehe ich mich für einen Meiſter halten darf. Aber Ihr kommt doch wieder? Ich denke, ſagte Franz, aber es kann lange währen, und dann iſt hier vielleicht alles anders, ich bin hier dann längſt ver¬ geſſen, meine Freunde und Verwandten ſind vielleicht geſtorben; die Burſchen und Mäd¬ chen die eben ſo frölich ſingen, ſind denn alt und haben Kinder. Daß das Menſchen¬ leben ſo kurz iſt, und das in der Kürze

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/127>, abgerufen am 25.11.2024.