Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

Lauf gelassen, überzeugt, daß es so werden
müsse wie es ihnen gut dünkt.

Meine Wanderung bringt oft wunderba¬
re Stimmungen in mir hervor. Jetzt bin
ich in einem Dorfe, und sehe den Nebel auf
den fernen Bergen liegen: matte Schimmer
bewegen sich im Dunste, und Wald und
Berg tritt oft plötzlich aus dem Schleier
hervor. Ich sehe Wagen und Wandrer ih¬
re Straße forteilen, und ferne Thürme und
Städte sind das Ziel, wonach sie in man¬
nichfaltiger Richtung streben. Ich befinde
mich mit unter diesem Haufen, und die
übrigen wissen nichts von mir, sie gehn mir
vorüber und ich kenne sie nicht, jeder un¬
sichtbare Geist wird von einem verschiedenen
Interesse beherrscht, und jeder beneidet und be¬
mitleidet aufs Gerathewohl den andern. Ich
denke mir nun alle die mannichfaltigen We¬
ge durch Wälder, über Berge, an Strömen

Lauf gelaſſen, überzeugt, daß es ſo werden
müſſe wie es ihnen gut dünkt.

Meine Wanderung bringt oft wunderba¬
re Stimmungen in mir hervor. Jetzt bin
ich in einem Dorfe, und ſehe den Nebel auf
den fernen Bergen liegen: matte Schimmer
bewegen ſich im Dunſte, und Wald und
Berg tritt oft plötzlich aus dem Schleier
hervor. Ich ſehe Wagen und Wandrer ih¬
re Straße forteilen, und ferne Thürme und
Städte ſind das Ziel, wonach ſie in man¬
nichfaltiger Richtung ſtreben. Ich befinde
mich mit unter dieſem Haufen, und die
übrigen wiſſen nichts von mir, ſie gehn mir
vorüber und ich kenne ſie nicht, jeder un¬
ſichtbare Geiſt wird von einem verſchiedenen
Intereſſe beherrſcht, und jeder beneidet und be¬
mitleidet aufs Gerathewohl den andern. Ich
denke mir nun alle die mannichfaltigen We¬
ge durch Wälder, über Berge, an Strömen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0157" n="146"/>
Lauf gela&#x017F;&#x017F;en, überzeugt, daß es &#x017F;o werden<lb/>&#x017F;&#x017F;e wie es ihnen gut dünkt.</p><lb/>
            <p>Meine Wanderung bringt oft wunderba¬<lb/>
re Stimmungen in mir hervor. Jetzt bin<lb/>
ich in einem Dorfe, und &#x017F;ehe den Nebel auf<lb/>
den fernen Bergen liegen: matte Schimmer<lb/>
bewegen &#x017F;ich im Dun&#x017F;te, und Wald und<lb/>
Berg tritt oft plötzlich aus dem Schleier<lb/>
hervor. Ich &#x017F;ehe Wagen und Wandrer ih¬<lb/>
re Straße forteilen, und ferne Thürme und<lb/>
Städte &#x017F;ind das Ziel, wonach &#x017F;ie in man¬<lb/>
nichfaltiger Richtung &#x017F;treben. Ich befinde<lb/>
mich mit unter die&#x017F;em Haufen, und die<lb/>
übrigen wi&#x017F;&#x017F;en nichts von mir, &#x017F;ie gehn mir<lb/>
vorüber und ich kenne &#x017F;ie nicht, jeder un¬<lb/>
&#x017F;ichtbare Gei&#x017F;t wird von einem ver&#x017F;chiedenen<lb/>
Intere&#x017F;&#x017F;e beherr&#x017F;cht, und jeder beneidet und be¬<lb/>
mitleidet aufs Gerathewohl den andern. Ich<lb/>
denke mir nun alle die mannichfaltigen We¬<lb/>
ge durch Wälder, über Berge, an Strömen<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[146/0157] Lauf gelaſſen, überzeugt, daß es ſo werden müſſe wie es ihnen gut dünkt. Meine Wanderung bringt oft wunderba¬ re Stimmungen in mir hervor. Jetzt bin ich in einem Dorfe, und ſehe den Nebel auf den fernen Bergen liegen: matte Schimmer bewegen ſich im Dunſte, und Wald und Berg tritt oft plötzlich aus dem Schleier hervor. Ich ſehe Wagen und Wandrer ih¬ re Straße forteilen, und ferne Thürme und Städte ſind das Ziel, wonach ſie in man¬ nichfaltiger Richtung ſtreben. Ich befinde mich mit unter dieſem Haufen, und die übrigen wiſſen nichts von mir, ſie gehn mir vorüber und ich kenne ſie nicht, jeder un¬ ſichtbare Geiſt wird von einem verſchiedenen Intereſſe beherrſcht, und jeder beneidet und be¬ mitleidet aufs Gerathewohl den andern. Ich denke mir nun alle die mannichfaltigen We¬ ge durch Wälder, über Berge, an Strömen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/157
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 146. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/157>, abgerufen am 16.05.2024.