rers. Lukas hieß ihn von Herzen willkom¬ men, und beide setzten sich nun in der Werkstatt nieder, und Franz erzählte ganz kurz seine Reise, und sprach von einigen merkwürdigen Gemählden die er unterwegs angetroffen hatte. Er beschaute während dem Sprechen aufmerksam das Bild, an welchem Lukas eben arbeitete; es war eine heilige Familie, und er traf darinnen vieles von einigen Dürerschen Arbeiten an, densel¬ ben Fleiß, dieselbe Genauigkeit im Ausmah¬ len, nun schien ihm an Lukas Bildern Dü¬ rers strenge Zeichnung zu fehlen, ihm dünk¬ te, als wären die Umrisse weniger dreist und sicher gezogen, dagegen hatte Lukas etwas Liebliches und Anmuthiges in den Wendungen seiner Gestalten, ja auch in seiner Färbung, das dem Dürer mangelte. Dem Geiste nach, glaubte er, müsten sich diese beiden großen Künstler sehr nahe ver¬
rers. Lukas hieß ihn von Herzen willkom¬ men, und beide ſetzten ſich nun in der Werkſtatt nieder, und Franz erzählte ganz kurz ſeine Reiſe, und ſprach von einigen merkwürdigen Gemählden die er unterwegs angetroffen hatte. Er beſchaute während dem Sprechen aufmerkſam das Bild, an welchem Lukas eben arbeitete; es war eine heilige Familie, und er traf darinnen vieles von einigen Dürerſchen Arbeiten an, denſel¬ ben Fleiß, dieſelbe Genauigkeit im Ausmah¬ len, nun ſchien ihm an Lukas Bildern Dü¬ rers ſtrenge Zeichnung zu fehlen, ihm dünk¬ te, als wären die Umriſſe weniger dreiſt und ſicher gezogen, dagegen hatte Lukas etwas Liebliches und Anmuthiges in den Wendungen ſeiner Geſtalten, ja auch in ſeiner Färbung, das dem Dürer mangelte. Dem Geiſte nach, glaubte er, müſten ſich dieſe beiden großen Künſtler ſehr nahe ver¬
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rers. Lukas hieß ihn von Herzen willkom¬
men, und beide ſetzten ſich nun in der
Werkſtatt nieder, und Franz erzählte ganz
kurz ſeine Reiſe, und ſprach von einigen
merkwürdigen Gemählden die er unterwegs
angetroffen hatte. Er beſchaute während
dem Sprechen aufmerkſam das Bild, an
welchem Lukas eben arbeitete; es war eine
heilige Familie, und er traf darinnen vieles
von einigen Dürerſchen Arbeiten an, denſel¬
ben Fleiß, dieſelbe Genauigkeit im Ausmah¬
len, nun ſchien ihm an Lukas Bildern Dü¬
rers ſtrenge Zeichnung zu fehlen, ihm dünk¬
te, als wären die Umriſſe weniger dreiſt
und ſicher gezogen, dagegen hatte Lukas
etwas Liebliches und Anmuthiges in den
Wendungen ſeiner Geſtalten, ja auch in
ſeiner Färbung, das dem Dürer mangelte.
Dem Geiſte nach, glaubte er, müſten ſich
dieſe beiden großen Künſtler ſehr nahe ver¬
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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/189>, abgerufen am 24.11.2024.
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