Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

teten, daß er sie gewiß unterhalten würde,
er solle nur getrost anfangen. Rudolph sagte:
Ich liebe keine Geschichte, und mag sie gar
nicht erzählen, in der nicht von Liebe die
Rede ist. Die alten Herren aber kümmern
sich um dergleichen Neuigkeiten nicht viel.

O doch, sagte Vansen; nur finde ich es
in vielen Geschichten der Art unnatürlich,
wie die ganze Erzählung vorgetragen wird;
gewöhnlich macht man doch zu viel Aufhe¬
bens davon, und das ist, was mir mißfällt.
Wenn es aber alles so recht natürlich und
wahr fortgeht, kann ich mich sehr daran
ergötzen.

Das ist es gerade, rief Rudolph aus, was
ich sagte; die meisten Menschen wollen al¬
les gar zu natürlich haben, und wissen doch
eigentlich nicht, was sie sich darunter vor¬
stellen; sie fühlen den Hang zum Seltsamen
und Wunderbaren, aber doch soll das alles

teten, daß er ſie gewiß unterhalten würde,
er ſolle nur getroſt anfangen. Rudolph ſagte:
Ich liebe keine Geſchichte, und mag ſie gar
nicht erzählen, in der nicht von Liebe die
Rede iſt. Die alten Herren aber kümmern
ſich um dergleichen Neuigkeiten nicht viel.

O doch, ſagte Vanſen; nur finde ich es
in vielen Geſchichten der Art unnatürlich,
wie die ganze Erzählung vorgetragen wird;
gewöhnlich macht man doch zu viel Aufhe¬
bens davon, und das iſt, was mir mißfällt.
Wenn es aber alles ſo recht natürlich und
wahr fortgeht, kann ich mich ſehr daran
ergötzen.

Das iſt es gerade, rief Rudolph aus, was
ich ſagte; die meiſten Menſchen wollen al¬
les gar zu natürlich haben, und wiſſen doch
eigentlich nicht, was ſie ſich darunter vor¬
ſtellen; ſie fühlen den Hang zum Seltſamen
und Wunderbaren, aber doch ſoll das alles

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0292" n="281"/>
teten, daß er &#x017F;ie gewiß unterhalten würde,<lb/>
er &#x017F;olle nur getro&#x017F;t anfangen. Rudolph &#x017F;agte:<lb/>
Ich liebe keine Ge&#x017F;chichte, und mag &#x017F;ie gar<lb/>
nicht erzählen, in der nicht von Liebe die<lb/>
Rede i&#x017F;t. Die alten Herren aber kümmern<lb/>
&#x017F;ich um dergleichen Neuigkeiten nicht viel.</p><lb/>
            <p>O doch, &#x017F;agte Van&#x017F;en; nur finde ich es<lb/>
in vielen Ge&#x017F;chichten der Art unnatürlich,<lb/>
wie die ganze Erzählung vorgetragen wird;<lb/>
gewöhnlich macht man doch zu viel Aufhe¬<lb/>
bens davon, und das i&#x017F;t, was mir mißfällt.<lb/>
Wenn es aber alles &#x017F;o recht natürlich und<lb/>
wahr fortgeht, kann ich mich &#x017F;ehr daran<lb/>
ergötzen.</p><lb/>
            <p>Das i&#x017F;t es gerade, rief Rudolph aus, was<lb/>
ich &#x017F;agte; die mei&#x017F;ten Men&#x017F;chen wollen al¬<lb/>
les gar zu natürlich haben, und wi&#x017F;&#x017F;en doch<lb/>
eigentlich nicht, was &#x017F;ie &#x017F;ich darunter vor¬<lb/>
&#x017F;tellen; &#x017F;ie fühlen den Hang zum Selt&#x017F;amen<lb/>
und Wunderbaren, aber doch &#x017F;oll das alles<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[281/0292] teten, daß er ſie gewiß unterhalten würde, er ſolle nur getroſt anfangen. Rudolph ſagte: Ich liebe keine Geſchichte, und mag ſie gar nicht erzählen, in der nicht von Liebe die Rede iſt. Die alten Herren aber kümmern ſich um dergleichen Neuigkeiten nicht viel. O doch, ſagte Vanſen; nur finde ich es in vielen Geſchichten der Art unnatürlich, wie die ganze Erzählung vorgetragen wird; gewöhnlich macht man doch zu viel Aufhe¬ bens davon, und das iſt, was mir mißfällt. Wenn es aber alles ſo recht natürlich und wahr fortgeht, kann ich mich ſehr daran ergötzen. Das iſt es gerade, rief Rudolph aus, was ich ſagte; die meiſten Menſchen wollen al¬ les gar zu natürlich haben, und wiſſen doch eigentlich nicht, was ſie ſich darunter vor¬ ſtellen; ſie fühlen den Hang zum Seltſamen und Wunderbaren, aber doch ſoll das alles

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/292
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/292>, abgerufen am 21.11.2024.