nen festen Sinnes trug. An einem Abend fing der Wirth, wie er oft that, an, über die Kunst zu reden, und den herrlichen Genuß zu preisen, den er vor guten Gemählden empfände. Alle stimmten ihm bei, nur der Alte schwieg still, und als man ihn endlich ausdrücklich um seine Meinung fragte, sag¬ te er:
Ich mag ungern so sprechen, wie ich darüber denke, weil Niemand weiter meiner Meinung seyn wird; aber es thut mir immer innerlich wehe, ja ich spüre ein gewisses Mitleid gegen die Menschen, wenn ich sie mit einer so ernsthaften Verehrung von der sogenannten Kunst reden höre. Was ist es denn alles weiter als eine un¬ nütze Spielerei, wo nicht gar ein schädlicher Zeitverderb? Wenn ich bedenke, was die Menschen in einer versammelten Gesellschaft seyn könnten, wie sie durch die Vereinigung
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nen feſten Sinnes trug. An einem Abend fing der Wirth, wie er oft that, an, über die Kunſt zu reden, und den herrlichen Genuß zu preiſen, den er vor guten Gemählden empfände. Alle ſtimmten ihm bei, nur der Alte ſchwieg ſtill, und als man ihn endlich ausdrücklich um ſeine Meinung fragte, ſag¬ te er:
Ich mag ungern ſo ſprechen, wie ich darüber denke, weil Niemand weiter meiner Meinung ſeyn wird; aber es thut mir immer innerlich wehe, ja ich ſpüre ein gewiſſes Mitleid gegen die Menſchen, wenn ich ſie mit einer ſo ernſthaften Verehrung von der ſogenannten Kunſt reden höre. Was iſt es denn alles weiter als eine un¬ nütze Spielerei, wo nicht gar ein ſchädlicher Zeitverderb? Wenn ich bedenke, was die Menſchen in einer verſammelten Geſellſchaft ſeyn könnten, wie ſie durch die Vereinigung
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nen feſten Sinnes trug. An einem Abend
fing der Wirth, wie er oft that, an, über die
Kunſt zu reden, und den herrlichen Genuß
zu preiſen, den er vor guten Gemählden
empfände. Alle ſtimmten ihm bei, nur der
Alte ſchwieg ſtill, und als man ihn endlich
ausdrücklich um ſeine Meinung fragte, ſag¬
te er:
Ich mag ungern ſo ſprechen, wie ich
darüber denke, weil Niemand weiter meiner
Meinung ſeyn wird; aber es thut mir
immer innerlich wehe, ja ich ſpüre ein
gewiſſes Mitleid gegen die Menſchen, wenn
ich ſie mit einer ſo ernſthaften Verehrung
von der ſogenannten Kunſt reden höre.
Was iſt es denn alles weiter als eine un¬
nütze Spielerei, wo nicht gar ein ſchädlicher
Zeitverderb? Wenn ich bedenke, was die
Menſchen in einer verſammelten Geſellſchaft
ſeyn könnten, wie ſie durch die Vereinigung
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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 337. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/348>, abgerufen am 24.11.2024.
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