Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

Bild:
<< vorherige Seite

zuahmen versteht. Es ist eine Künstelei die
keinem frommt, und die dabei doch die
Wirklichkeit nicht erreicht. Jeder Mahler
erlernt von seinem Meister eine gewisse Fer¬
tigkeit, einige Handgriffe, die er immer wie¬
der anbringt, und wir sind dann gutmüthi¬
ge Kinder genug, stellen uns vor sein
Machwerk hin, und verwundern uns dar¬
über. Wie da von Genuß der Kunst die
Rede seyn kann, oder von Schönheit, be¬
greife ich nicht: da diese Menschen die Be¬
geistrung nicht kennen, da ihre Schöpfun¬
gen nicht aus ihren schönsten Stunden ent¬
stehn, sondern sie sich des Gewinnstes we¬
gen niedersetzen und Farben über Farben
streichen, bis sie nach und nach ihre Figu¬
ren zusammengebettelt haben, und nun den
Lohn an Geld dafür empfangen. Wie sol¬
len diese knechtischen Arbeiten auf edle See¬
le wirken können, da sie es selber nicht ein

zuahmen verſteht. Es iſt eine Künſtelei die
keinem frommt, und die dabei doch die
Wirklichkeit nicht erreicht. Jeder Mahler
erlernt von ſeinem Meiſter eine gewiſſe Fer¬
tigkeit, einige Handgriffe, die er immer wie¬
der anbringt, und wir ſind dann gutmüthi¬
ge Kinder genug, ſtellen uns vor ſein
Machwerk hin, und verwundern uns dar¬
über. Wie da von Genuß der Kunſt die
Rede ſeyn kann, oder von Schönheit, be¬
greife ich nicht: da dieſe Menſchen die Be¬
geiſtrung nicht kennen, da ihre Schöpfun¬
gen nicht aus ihren ſchönſten Stunden ent¬
ſtehn, ſondern ſie ſich des Gewinnſtes we¬
gen niederſetzen und Farben über Farben
ſtreichen, bis ſie nach und nach ihre Figu¬
ren zuſammengebettelt haben, und nun den
Lohn an Geld dafür empfangen. Wie ſol¬
len dieſe knechtiſchen Arbeiten auf edle See¬
le wirken können, da ſie es ſelber nicht ein

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0351" n="340"/>
zuahmen ver&#x017F;teht. Es i&#x017F;t eine Kün&#x017F;telei die<lb/>
keinem frommt, und die dabei doch die<lb/>
Wirklichkeit nicht erreicht. Jeder Mahler<lb/>
erlernt von &#x017F;einem Mei&#x017F;ter eine gewi&#x017F;&#x017F;e Fer¬<lb/>
tigkeit, einige Handgriffe, die er immer wie¬<lb/>
der anbringt, und wir &#x017F;ind dann gutmüthi¬<lb/>
ge Kinder genug, &#x017F;tellen uns vor &#x017F;ein<lb/>
Machwerk hin, und verwundern uns dar¬<lb/>
über. Wie da von Genuß der <choice><sic>Kuu&#x017F;t</sic><corr>Kun&#x017F;t</corr></choice> die<lb/>
Rede &#x017F;eyn kann, oder von Schönheit, be¬<lb/>
greife ich nicht: da die&#x017F;e Men&#x017F;chen die Be¬<lb/>
gei&#x017F;trung nicht kennen, da ihre Schöpfun¬<lb/>
gen nicht aus ihren &#x017F;chön&#x017F;ten Stunden ent¬<lb/>
&#x017F;tehn, &#x017F;ondern &#x017F;ie &#x017F;ich des Gewinn&#x017F;tes we¬<lb/>
gen nieder&#x017F;etzen und Farben über Farben<lb/>
&#x017F;treichen, bis &#x017F;ie nach und nach ihre Figu¬<lb/>
ren zu&#x017F;ammengebettelt haben, und nun den<lb/>
Lohn an Geld dafür empfangen. Wie &#x017F;ol¬<lb/>
len die&#x017F;e knechti&#x017F;chen Arbeiten auf edle See¬<lb/>
le wirken können, da &#x017F;ie es &#x017F;elber nicht ein<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[340/0351] zuahmen verſteht. Es iſt eine Künſtelei die keinem frommt, und die dabei doch die Wirklichkeit nicht erreicht. Jeder Mahler erlernt von ſeinem Meiſter eine gewiſſe Fer¬ tigkeit, einige Handgriffe, die er immer wie¬ der anbringt, und wir ſind dann gutmüthi¬ ge Kinder genug, ſtellen uns vor ſein Machwerk hin, und verwundern uns dar¬ über. Wie da von Genuß der Kunſt die Rede ſeyn kann, oder von Schönheit, be¬ greife ich nicht: da dieſe Menſchen die Be¬ geiſtrung nicht kennen, da ihre Schöpfun¬ gen nicht aus ihren ſchönſten Stunden ent¬ ſtehn, ſondern ſie ſich des Gewinnſtes we¬ gen niederſetzen und Farben über Farben ſtreichen, bis ſie nach und nach ihre Figu¬ ren zuſammengebettelt haben, und nun den Lohn an Geld dafür empfangen. Wie ſol¬ len dieſe knechtiſchen Arbeiten auf edle See¬ le wirken können, da ſie es ſelber nicht ein

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/351
Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 340. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/351>, abgerufen am 18.12.2024.