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Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798.

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sie lieben könnte. Aber als ob ein böser
Geist recht darauf ausginge, mich zu Grun¬
de zu richten, so kam nun alles zusammen.
Ich konnte die Augen nicht mehr von ihr
abwenden; wenn ich an's Zeichnen dachte,
wollte ich ihr Gesicht nur immer auf dem
Papiere entwerfen. Ich ging auf's Feld,
ich kam zurück, ich wollte sie nicht ansehen,
o ich hatte es nicht nöthig, denn allenthal¬
ben war sie mir vor die Augen wie hinge¬
bannt, ich sah nichts anders als sie. Bei
jedem Gesichte dacht' ich an das ihrige, alle
Menschen sah ich darauf an, ob sie ihr
ähnlich wären. Sie bemerkte meine Leiden¬
schaft, sie sah mich freundlich an, sie sah
mir nach, wenn ich vorbeiging; da war
mir, als wenn mich der Blitz angerührt
hätte, so oft es geschah, wußte ich nicht,
ob ich es glauben sollte. Ihr Vater hatte
in Leyden Geschäfte und reiste dorthin; ich

ſie lieben könnte. Aber als ob ein böſer
Geiſt recht darauf ausginge, mich zu Grun¬
de zu richten, ſo kam nun alles zuſammen.
Ich konnte die Augen nicht mehr von ihr
abwenden; wenn ich an's Zeichnen dachte,
wollte ich ihr Geſicht nur immer auf dem
Papiere entwerfen. Ich ging auf's Feld,
ich kam zurück, ich wollte ſie nicht anſehen,
o ich hatte es nicht nöthig, denn allenthal¬
ben war ſie mir vor die Augen wie hinge¬
bannt, ich ſah nichts anders als ſie. Bei
jedem Geſichte dacht' ich an das ihrige, alle
Menſchen ſah ich darauf an, ob ſie ihr
ähnlich wären. Sie bemerkte meine Leiden¬
ſchaft, ſie ſah mich freundlich an, ſie ſah
mir nach, wenn ich vorbeiging; da war
mir, als wenn mich der Blitz angerührt
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ob ich es glauben ſollte. Ihr Vater hatte
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[363/0374] ſie lieben könnte. Aber als ob ein böſer Geiſt recht darauf ausginge, mich zu Grun¬ de zu richten, ſo kam nun alles zuſammen. Ich konnte die Augen nicht mehr von ihr abwenden; wenn ich an's Zeichnen dachte, wollte ich ihr Geſicht nur immer auf dem Papiere entwerfen. Ich ging auf's Feld, ich kam zurück, ich wollte ſie nicht anſehen, o ich hatte es nicht nöthig, denn allenthal¬ ben war ſie mir vor die Augen wie hinge¬ bannt, ich ſah nichts anders als ſie. Bei jedem Geſichte dacht' ich an das ihrige, alle Menſchen ſah ich darauf an, ob ſie ihr ähnlich wären. Sie bemerkte meine Leiden¬ ſchaft, ſie ſah mich freundlich an, ſie ſah mir nach, wenn ich vorbeiging; da war mir, als wenn mich der Blitz angerührt hätte, ſo oft es geſchah, wußte ich nicht, ob ich es glauben ſollte. Ihr Vater hatte in Leyden Geſchäfte und reiſte dorthin; ich

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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Franz Sternbalds Wanderungen. Bd. 1. Berlin, 1798, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_sternbald01_1798/374>, abgerufen am 21.11.2024.