Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Indessen schimmerte schon der Tag, und Clara eilte in das beschränkte Zimmer, um aus der Asche den Funken zu wecken und das kleine Feuer im Ofen anzuzünden. Heinrich half ihr, und sie lachten wie die Kinder, als ihr Werk immer noch nicht gelingen wollte. Endlich, nach vieler Anstrengung von Hauchen und Blasen, so daß Beide rothe Gesichter bekommen hatten, entzündete sich der Span, und das wenige feingeschnittene Holz wurde künstlich gelegt, um ohne Verschwendung den Ofen und das kleine Zimmer zu erwärmen. Du siehst, lieber Mann, sagte die Frau, daß wir etwa nur auf morgen Vorrath haben; wie dann? -- Es muß sich ja etwas finden, erwiderte Heinrich mit einem Blicke, als wenn sie etwas ganz Ueberflüssiges gesprochen hätte. Es war ganz hell geworden, die Wassersuppe war ihnen das köstlichste Frühstück, von Kuß und Gespräch gewürzt, und Heinrich setzte der Gattin auseinander, wie falsch jenes lateinische Sprichwort sei: Sine Baccho et Cerere friget Venus. So vergingen ihnen die Stunden. Ich freue mich schon darauf, sagte Heinrich, wenn ich in meinem Tagebuche an die Stelle kommen werde, wie ich dich, Geliebte, plötzlich entführen mußte. O Himmel! rief sie, wie uns damals jener wunderbare Augenblick so seltsam und unerwartet überraschte! Schon seit einigen Tagen hatte ich an meinem Vater eine gewisse Verstimmung bemerkt; er sprach in Indessen schimmerte schon der Tag, und Clara eilte in das beschränkte Zimmer, um aus der Asche den Funken zu wecken und das kleine Feuer im Ofen anzuzünden. Heinrich half ihr, und sie lachten wie die Kinder, als ihr Werk immer noch nicht gelingen wollte. Endlich, nach vieler Anstrengung von Hauchen und Blasen, so daß Beide rothe Gesichter bekommen hatten, entzündete sich der Span, und das wenige feingeschnittene Holz wurde künstlich gelegt, um ohne Verschwendung den Ofen und das kleine Zimmer zu erwärmen. Du siehst, lieber Mann, sagte die Frau, daß wir etwa nur auf morgen Vorrath haben; wie dann? — Es muß sich ja etwas finden, erwiderte Heinrich mit einem Blicke, als wenn sie etwas ganz Ueberflüssiges gesprochen hätte. Es war ganz hell geworden, die Wassersuppe war ihnen das köstlichste Frühstück, von Kuß und Gespräch gewürzt, und Heinrich setzte der Gattin auseinander, wie falsch jenes lateinische Sprichwort sei: Sine Baccho et Cerere friget Venus. So vergingen ihnen die Stunden. Ich freue mich schon darauf, sagte Heinrich, wenn ich in meinem Tagebuche an die Stelle kommen werde, wie ich dich, Geliebte, plötzlich entführen mußte. O Himmel! rief sie, wie uns damals jener wunderbare Augenblick so seltsam und unerwartet überraschte! Schon seit einigen Tagen hatte ich an meinem Vater eine gewisse Verstimmung bemerkt; er sprach in <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0024"/> Indessen schimmerte schon der Tag, und Clara eilte in das beschränkte Zimmer, um aus der Asche den Funken zu wecken und das kleine Feuer im Ofen anzuzünden. Heinrich half ihr, und sie lachten wie die Kinder, als ihr Werk immer noch nicht gelingen wollte. Endlich, nach vieler Anstrengung von Hauchen und Blasen, so daß Beide rothe Gesichter bekommen hatten, entzündete sich der Span, und das wenige feingeschnittene Holz wurde künstlich gelegt, um ohne Verschwendung den Ofen und das kleine Zimmer zu erwärmen. Du siehst, lieber Mann, sagte die Frau, daß wir etwa nur auf morgen Vorrath haben; wie dann? —</p><lb/> <p>Es muß sich ja etwas finden, erwiderte Heinrich mit einem Blicke, als wenn sie etwas ganz Ueberflüssiges gesprochen hätte.</p><lb/> <p>Es war ganz hell geworden, die Wassersuppe war ihnen das köstlichste Frühstück, von Kuß und Gespräch gewürzt, und Heinrich setzte der Gattin auseinander, wie falsch jenes lateinische Sprichwort sei: Sine Baccho et Cerere friget Venus. So vergingen ihnen die Stunden.</p><lb/> <p>Ich freue mich schon darauf, sagte Heinrich, wenn ich in meinem Tagebuche an die Stelle kommen werde, wie ich dich, Geliebte, plötzlich entführen mußte.</p><lb/> <p>O Himmel! rief sie, wie uns damals jener wunderbare Augenblick so seltsam und unerwartet überraschte! Schon seit einigen Tagen hatte ich an meinem Vater eine gewisse Verstimmung bemerkt; er sprach in<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0024]
Indessen schimmerte schon der Tag, und Clara eilte in das beschränkte Zimmer, um aus der Asche den Funken zu wecken und das kleine Feuer im Ofen anzuzünden. Heinrich half ihr, und sie lachten wie die Kinder, als ihr Werk immer noch nicht gelingen wollte. Endlich, nach vieler Anstrengung von Hauchen und Blasen, so daß Beide rothe Gesichter bekommen hatten, entzündete sich der Span, und das wenige feingeschnittene Holz wurde künstlich gelegt, um ohne Verschwendung den Ofen und das kleine Zimmer zu erwärmen. Du siehst, lieber Mann, sagte die Frau, daß wir etwa nur auf morgen Vorrath haben; wie dann? —
Es muß sich ja etwas finden, erwiderte Heinrich mit einem Blicke, als wenn sie etwas ganz Ueberflüssiges gesprochen hätte.
Es war ganz hell geworden, die Wassersuppe war ihnen das köstlichste Frühstück, von Kuß und Gespräch gewürzt, und Heinrich setzte der Gattin auseinander, wie falsch jenes lateinische Sprichwort sei: Sine Baccho et Cerere friget Venus. So vergingen ihnen die Stunden.
Ich freue mich schon darauf, sagte Heinrich, wenn ich in meinem Tagebuche an die Stelle kommen werde, wie ich dich, Geliebte, plötzlich entführen mußte.
O Himmel! rief sie, wie uns damals jener wunderbare Augenblick so seltsam und unerwartet überraschte! Schon seit einigen Tagen hatte ich an meinem Vater eine gewisse Verstimmung bemerkt; er sprach in
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