Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.dem Dorfe ein Fuhrwerk und kamen so über die Grenze, wurden getraut und glücklich. Aber, fuhr sie fort, die tausend Verlegenheiten unterwegs, in schlechten Gasthöfen, der Mangel an Kleidung und Bedienung, die vielfachen Bequemlichkeiten, die wir gewohnt waren, und die wir nun entbehren mußten -- und der Schreck, als wir von ungefähr durch einen Reisenden erfuhren, wie man uns nachsetze, wie öffentlich Alles geworden sei, wie man so gar keine Rücksicht gegen uns beobachten wolle. Ja, ja, Liebchen, erwiderte Heinrich, das war auf der ganzen Reise unser schlimmster Tag. Denkst du denn auch noch daran, wie wir, um nicht Argwohn zu erregen, mit jenem schwatzenden Fremden lachen mußten, als er sich in der Schilderung des Entführers erging, der nach seiner Meinung das Muster eines elenden Diplomaten sei, da er gar keine klugen Anstalten und sicheren Vorkehrungen getroffen habe; wie er nun deinen Geliebten wiederholend einen dummen Teufel, einen Einfaltspinsel nannte, wie du in Zorn ausbrechen wolltest und auf meinen Wink dich doch wieder zum Lachen zwangst, ja zum Ueberfluß nun selber zu schelten begannst, mich und dich als Leichtsinnige, Unverständige schildertest und endlich, als sich der Schwätzer, dem wir aber eigentlich seiner Warnung halber dankbar sein mußten, entfernt hatte, du in ein lautes Weinen ausbrachst. -- Ja, rief sie aus, ja, Heinrich, das war ein eben dem Dorfe ein Fuhrwerk und kamen so über die Grenze, wurden getraut und glücklich. Aber, fuhr sie fort, die tausend Verlegenheiten unterwegs, in schlechten Gasthöfen, der Mangel an Kleidung und Bedienung, die vielfachen Bequemlichkeiten, die wir gewohnt waren, und die wir nun entbehren mußten — und der Schreck, als wir von ungefähr durch einen Reisenden erfuhren, wie man uns nachsetze, wie öffentlich Alles geworden sei, wie man so gar keine Rücksicht gegen uns beobachten wolle. Ja, ja, Liebchen, erwiderte Heinrich, das war auf der ganzen Reise unser schlimmster Tag. Denkst du denn auch noch daran, wie wir, um nicht Argwohn zu erregen, mit jenem schwatzenden Fremden lachen mußten, als er sich in der Schilderung des Entführers erging, der nach seiner Meinung das Muster eines elenden Diplomaten sei, da er gar keine klugen Anstalten und sicheren Vorkehrungen getroffen habe; wie er nun deinen Geliebten wiederholend einen dummen Teufel, einen Einfaltspinsel nannte, wie du in Zorn ausbrechen wolltest und auf meinen Wink dich doch wieder zum Lachen zwangst, ja zum Ueberfluß nun selber zu schelten begannst, mich und dich als Leichtsinnige, Unverständige schildertest und endlich, als sich der Schwätzer, dem wir aber eigentlich seiner Warnung halber dankbar sein mußten, entfernt hatte, du in ein lautes Weinen ausbrachst. — Ja, rief sie aus, ja, Heinrich, das war ein eben <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0026"/> dem Dorfe ein Fuhrwerk und kamen so über die Grenze, wurden getraut und glücklich.</p><lb/> <p>Aber, fuhr sie fort, die tausend Verlegenheiten unterwegs, in schlechten Gasthöfen, der Mangel an Kleidung und Bedienung, die vielfachen Bequemlichkeiten, die wir gewohnt waren, und die wir nun entbehren mußten — und der Schreck, als wir von ungefähr durch einen Reisenden erfuhren, wie man uns nachsetze, wie öffentlich Alles geworden sei, wie man so gar keine Rücksicht gegen uns beobachten wolle.</p><lb/> <p>Ja, ja, Liebchen, erwiderte Heinrich, das war auf der ganzen Reise unser schlimmster Tag. Denkst du denn auch noch daran, wie wir, um nicht Argwohn zu erregen, mit jenem schwatzenden Fremden lachen mußten, als er sich in der Schilderung des Entführers erging, der nach seiner Meinung das Muster eines elenden Diplomaten sei, da er gar keine klugen Anstalten und sicheren Vorkehrungen getroffen habe; wie er nun deinen Geliebten wiederholend einen dummen Teufel, einen Einfaltspinsel nannte, wie du in Zorn ausbrechen wolltest und auf meinen Wink dich doch wieder zum Lachen zwangst, ja zum Ueberfluß nun selber zu schelten begannst, mich und dich als Leichtsinnige, Unverständige schildertest und endlich, als sich der Schwätzer, dem wir aber eigentlich seiner Warnung halber dankbar sein mußten, entfernt hatte, du in ein lautes Weinen ausbrachst. —</p><lb/> <p>Ja, rief sie aus, ja, Heinrich, das war ein eben<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0026]
dem Dorfe ein Fuhrwerk und kamen so über die Grenze, wurden getraut und glücklich.
Aber, fuhr sie fort, die tausend Verlegenheiten unterwegs, in schlechten Gasthöfen, der Mangel an Kleidung und Bedienung, die vielfachen Bequemlichkeiten, die wir gewohnt waren, und die wir nun entbehren mußten — und der Schreck, als wir von ungefähr durch einen Reisenden erfuhren, wie man uns nachsetze, wie öffentlich Alles geworden sei, wie man so gar keine Rücksicht gegen uns beobachten wolle.
Ja, ja, Liebchen, erwiderte Heinrich, das war auf der ganzen Reise unser schlimmster Tag. Denkst du denn auch noch daran, wie wir, um nicht Argwohn zu erregen, mit jenem schwatzenden Fremden lachen mußten, als er sich in der Schilderung des Entführers erging, der nach seiner Meinung das Muster eines elenden Diplomaten sei, da er gar keine klugen Anstalten und sicheren Vorkehrungen getroffen habe; wie er nun deinen Geliebten wiederholend einen dummen Teufel, einen Einfaltspinsel nannte, wie du in Zorn ausbrechen wolltest und auf meinen Wink dich doch wieder zum Lachen zwangst, ja zum Ueberfluß nun selber zu schelten begannst, mich und dich als Leichtsinnige, Unverständige schildertest und endlich, als sich der Schwätzer, dem wir aber eigentlich seiner Warnung halber dankbar sein mußten, entfernt hatte, du in ein lautes Weinen ausbrachst. —
Ja, rief sie aus, ja, Heinrich, das war ein eben
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Zitationshilfe: | Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_ueberfluss_1910/26>, abgerufen am 16.07.2024. |