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Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Die Stufen, erwiderte sie, sind mir bekannt genug, sie sind bequem, und ich werde sie noch oft betreten.

Diese Stufen, sagte er mit einiger Feierlichkeit, wirst du niemals wieder betreten!

Mann! rief sie aus und stellte sich gerade vor ihn hin, um ihm in die Augen zu sehen, -- es ist nicht richtig hier im Hause; du magst reden, was du willst, ich laufe schnell hinab, um selber nach Christinen zu sehen.

So wandte sie sich um, die Thür zu öffnen, er aber stand eilig auf und umschlang sie, indem er ausrief: Kind, willst du muthwillig den Hals brechen?

Da es nicht mehr zu verschweigen war, öffnete er selber die Thür; sie traten auf den Vorplatz, und, indem sie weiter gingen und der Gatte die Frau noch immer umfaßt hielt, sah diese, daß keine Treppe mehr da war, die hinabführen sollte. Sie schlug verwundert in die Hände, bog sich hinüber und schaute hinab; dann kehrte sie um, und als sie wieder in der verschlossenen Stube waren, setzte sie sich nieder, um den Mann genau zu betrachten. Dieser hielt ihrem forschenden Auge ein so komisches Gesicht entgegen, daß sie in ein lautes Gelächter ausbrach. Hierauf ging sie nach dem Ofen, nahm eins der Hölzer in die Hände, betrachtete es genau von allen Seiten und sagte dann: Ja, nun begreife ich freilich, warum die Heizstücke so ganz andere Statur hatten als die vorigen. Also die Treppe haben wir nun auch verbrannt!

Die Stufen, erwiderte sie, sind mir bekannt genug, sie sind bequem, und ich werde sie noch oft betreten.

Diese Stufen, sagte er mit einiger Feierlichkeit, wirst du niemals wieder betreten!

Mann! rief sie aus und stellte sich gerade vor ihn hin, um ihm in die Augen zu sehen, — es ist nicht richtig hier im Hause; du magst reden, was du willst, ich laufe schnell hinab, um selber nach Christinen zu sehen.

So wandte sie sich um, die Thür zu öffnen, er aber stand eilig auf und umschlang sie, indem er ausrief: Kind, willst du muthwillig den Hals brechen?

Da es nicht mehr zu verschweigen war, öffnete er selber die Thür; sie traten auf den Vorplatz, und, indem sie weiter gingen und der Gatte die Frau noch immer umfaßt hielt, sah diese, daß keine Treppe mehr da war, die hinabführen sollte. Sie schlug verwundert in die Hände, bog sich hinüber und schaute hinab; dann kehrte sie um, und als sie wieder in der verschlossenen Stube waren, setzte sie sich nieder, um den Mann genau zu betrachten. Dieser hielt ihrem forschenden Auge ein so komisches Gesicht entgegen, daß sie in ein lautes Gelächter ausbrach. Hierauf ging sie nach dem Ofen, nahm eins der Hölzer in die Hände, betrachtete es genau von allen Seiten und sagte dann: Ja, nun begreife ich freilich, warum die Heizstücke so ganz andere Statur hatten als die vorigen. Also die Treppe haben wir nun auch verbrannt!

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[0063] Die Stufen, erwiderte sie, sind mir bekannt genug, sie sind bequem, und ich werde sie noch oft betreten. Diese Stufen, sagte er mit einiger Feierlichkeit, wirst du niemals wieder betreten! Mann! rief sie aus und stellte sich gerade vor ihn hin, um ihm in die Augen zu sehen, — es ist nicht richtig hier im Hause; du magst reden, was du willst, ich laufe schnell hinab, um selber nach Christinen zu sehen. So wandte sie sich um, die Thür zu öffnen, er aber stand eilig auf und umschlang sie, indem er ausrief: Kind, willst du muthwillig den Hals brechen? Da es nicht mehr zu verschweigen war, öffnete er selber die Thür; sie traten auf den Vorplatz, und, indem sie weiter gingen und der Gatte die Frau noch immer umfaßt hielt, sah diese, daß keine Treppe mehr da war, die hinabführen sollte. Sie schlug verwundert in die Hände, bog sich hinüber und schaute hinab; dann kehrte sie um, und als sie wieder in der verschlossenen Stube waren, setzte sie sich nieder, um den Mann genau zu betrachten. Dieser hielt ihrem forschenden Auge ein so komisches Gesicht entgegen, daß sie in ein lautes Gelächter ausbrach. Hierauf ging sie nach dem Ofen, nahm eins der Hölzer in die Hände, betrachtete es genau von allen Seiten und sagte dann: Ja, nun begreife ich freilich, warum die Heizstücke so ganz andere Statur hatten als die vorigen. Also die Treppe haben wir nun auch verbrannt!

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T12:30:27Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T12:30:27Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (&#xa75b;): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Tieck, Ludwig: Des Lebens Überfluß. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 3. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–86. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tieck_ueberfluss_1910/63>, abgerufen am 23.11.2024.