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Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

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Der 20te Februar.
Ich bin getauft auf deinen Namen,
Gott Vater! Sohn! und heilger Geist!
Ich bin gezählt zu deinem Samen,
Zum Volk, das dir geheiligt heißt:
O! welch ein Glück ward dadurch mein!
Laß, Herr! mich deß auf ewig freun!


Wie wichtig war der Tag für mich, an welchem ich getaufet
ward! Als Christen über mich beteten, und Jesus huld-
reich auf mich herab sah! Als meine Eltern ihres Kindes Namen
zuerst mit Entzücken nannten, und jeder ihrer Freunde mich seg-
nend anlächelto! O! wäre ich doch noch das unschuldige, das dem
Himmel dargebrachte und von allen Sünden gereinigte Kind!
Und es sey denn, daß ich an Unschuld und Sitten wioder ein Kind
werde, sonst kan ich nicht in das Reich Gottes kommen. Eigen-
dünkel und Selbstregierung können mit dem kindlichen Sinne
wahrer Christen unmöglich bestehen. Oeftere Erinnerung
des Taufbundes
aber erhält demütig und wachsam.

Welch ein förmliches Bündniß! Von meinen Bevollmäch-
tigten oder Paten aufs heiligste errichtet! Von Gott genehmiger
und mit dem Blute Jesu besiegelt! Was konte mich doch jemals
bewegen, diesen feierlichen Bund zu zerreissen! -- Aber Gott
hat ihn nicht zerrissen, bei ihm stehet er noch fest. Und meine
Handschrift, wofern sie nicht mit Christi Blut durchstrichen ist,
wird am Gerichtstage schrecklich wider mich zengen! Ich Mein-
eidiger! Warum brach ich ein Versprechen, das meine Tauf-
zeugen zwar ohne mein Vorwissen thaten, von welchem ich aber

bei
G 5


Der 20te Februar.
Ich bin getauft auf deinen Namen,
Gott Vater! Sohn! und heilger Geiſt!
Ich bin gezaͤhlt zu deinem Samen,
Zum Volk, das dir geheiligt heißt:
O! welch ein Gluͤck ward dadurch mein!
Laß, Herr! mich deß auf ewig freun!


Wie wichtig war der Tag fuͤr mich, an welchem ich getaufet
ward! Als Chriſten uͤber mich beteten, und Jeſus huld-
reich auf mich herab ſah! Als meine Eltern ihres Kindes Namen
zuerſt mit Entzuͤcken nannten, und jeder ihrer Freunde mich ſeg-
nend anlaͤchelto! O! waͤre ich doch noch das unſchuldige, das dem
Himmel dargebrachte und von allen Suͤnden gereinigte Kind!
Und es ſey denn, daß ich an Unſchuld und Sitten wioder ein Kind
werde, ſonſt kan ich nicht in das Reich Gottes kommen. Eigen-
duͤnkel und Selbſtregierung koͤnnen mit dem kindlichen Sinne
wahrer Chriſten unmoͤglich beſtehen. Oeftere Erinnerung
des Taufbundes
aber erhaͤlt demuͤtig und wachſam.

Welch ein foͤrmliches Buͤndniß! Von meinen Bevollmaͤch-
tigten oder Paten aufs heiligſte errichtet! Von Gott genehmiger
und mit dem Blute Jeſu beſiegelt! Was konte mich doch jemals
bewegen, dieſen feierlichen Bund zu zerreiſſen! — Aber Gott
hat ihn nicht zerriſſen, bei ihm ſtehet er noch feſt. Und meine
Handſchrift, wofern ſie nicht mit Chriſti Blut durchſtrichen iſt,
wird am Gerichtstage ſchrecklich wider mich zengen! Ich Mein-
eidiger! Warum brach ich ein Verſprechen, das meine Tauf-
zeugen zwar ohne mein Vorwiſſen thaten, von welchem ich aber

bei
G 5
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[105[135]/0142] Der 20te Februar. Ich bin getauft auf deinen Namen, Gott Vater! Sohn! und heilger Geiſt! Ich bin gezaͤhlt zu deinem Samen, Zum Volk, das dir geheiligt heißt: O! welch ein Gluͤck ward dadurch mein! Laß, Herr! mich deß auf ewig freun! Wie wichtig war der Tag fuͤr mich, an welchem ich getaufet ward! Als Chriſten uͤber mich beteten, und Jeſus huld- reich auf mich herab ſah! Als meine Eltern ihres Kindes Namen zuerſt mit Entzuͤcken nannten, und jeder ihrer Freunde mich ſeg- nend anlaͤchelto! O! waͤre ich doch noch das unſchuldige, das dem Himmel dargebrachte und von allen Suͤnden gereinigte Kind! Und es ſey denn, daß ich an Unſchuld und Sitten wioder ein Kind werde, ſonſt kan ich nicht in das Reich Gottes kommen. Eigen- duͤnkel und Selbſtregierung koͤnnen mit dem kindlichen Sinne wahrer Chriſten unmoͤglich beſtehen. Oeftere Erinnerung des Taufbundes aber erhaͤlt demuͤtig und wachſam. Welch ein foͤrmliches Buͤndniß! Von meinen Bevollmaͤch- tigten oder Paten aufs heiligſte errichtet! Von Gott genehmiger und mit dem Blute Jeſu beſiegelt! Was konte mich doch jemals bewegen, dieſen feierlichen Bund zu zerreiſſen! — Aber Gott hat ihn nicht zerriſſen, bei ihm ſtehet er noch feſt. Und meine Handſchrift, wofern ſie nicht mit Chriſti Blut durchſtrichen iſt, wird am Gerichtstage ſchrecklich wider mich zengen! Ich Mein- eidiger! Warum brach ich ein Verſprechen, das meine Tauf- zeugen zwar ohne mein Vorwiſſen thaten, von welchem ich aber bei G 5

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Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 105[135]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/142>, abgerufen am 24.11.2024.