Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.Der 5te April. brenner, werden sie sagen, als daß ihr eine wilde Glut in demHerzen unseres Kindes anzündet. Abscheulicher Mensch beiderlei Geschlechts! unter der Larve der Liebe lockst du deine Beute heran, wie ein schmeichelnder Tiger. Zittre über deine Ungerechtigkeit: damit du einige frohe Stunden habest, sollen rechtschafne Men- schen zeitlebens weinen oder aus Gram verzweifeln? Tiger und Krokodillen tödten doch noch ihre herbei gelockte Schlachtopfer: du aber zermalmest sie unter deinen Zähnen nur so, daß sie lang- sam sterben, und aus deiner Höle siehest du mit funkelnden Au- gen, wie sie dem Tode entgegen zappeln. Vertheidige dich nicht; gesteh mit David: daß du der Mann des Todes bist. Gestch es, ehe Verführer und Verführte dir aus der Hölle entgegen brüllen: daß du ewig der Mann des Todes seyst! Keine Sünde wird schon zeitlich so nachdrücklich bestraft, als Vergib, o Jesu! dir will ich von nun an ein Tempel der Der
Der 5te April. brenner, werden ſie ſagen, als daß ihr eine wilde Glut in demHerzen unſeres Kindes anzuͤndet. Abſcheulicher Menſch beiderlei Geſchlechts! unter der Larve der Liebe lockſt du deine Beute heran, wie ein ſchmeichelnder Tiger. Zittre uͤber deine Ungerechtigkeit: damit du einige frohe Stunden habeſt, ſollen rechtſchafne Men- ſchen zeitlebens weinen oder aus Gram verzweifeln? Tiger und Krokodillen toͤdten doch noch ihre herbei gelockte Schlachtopfer: du aber zermalmeſt ſie unter deinen Zaͤhnen nur ſo, daß ſie lang- ſam ſterben, und aus deiner Hoͤle ſieheſt du mit funkelnden Au- gen, wie ſie dem Tode entgegen zappeln. Vertheidige dich nicht; geſteh mit David: daß du der Mann des Todes biſt. Geſtch es, ehe Verfuͤhrer und Verfuͤhrte dir aus der Hoͤlle entgegen bruͤllen: daß du ewig der Mann des Todes ſeyſt! Keine Suͤnde wird ſchon zeitlich ſo nachdruͤcklich beſtraft, als Vergib, o Jeſu! dir will ich von nun an ein Tempel der Der
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Der 5te April.
brenner, werden ſie ſagen, als daß ihr eine wilde Glut in dem
Herzen unſeres Kindes anzuͤndet. Abſcheulicher Menſch beiderlei
Geſchlechts! unter der Larve der Liebe lockſt du deine Beute heran,
wie ein ſchmeichelnder Tiger. Zittre uͤber deine Ungerechtigkeit:
damit du einige frohe Stunden habeſt, ſollen rechtſchafne Men-
ſchen zeitlebens weinen oder aus Gram verzweifeln? Tiger und
Krokodillen toͤdten doch noch ihre herbei gelockte Schlachtopfer:
du aber zermalmeſt ſie unter deinen Zaͤhnen nur ſo, daß ſie lang-
ſam ſterben, und aus deiner Hoͤle ſieheſt du mit funkelnden Au-
gen, wie ſie dem Tode entgegen zappeln. Vertheidige dich nicht;
geſteh mit David: daß du der Mann des Todes biſt. Geſtch
es, ehe Verfuͤhrer und Verfuͤhrte dir aus der Hoͤlle entgegen
bruͤllen: daß du ewig der Mann des Todes ſeyſt!
Keine Suͤnde wird ſchon zeitlich ſo nachdruͤcklich beſtraft, als
dieſe. Sie macht ihre Sklaven ausſaͤtzig, bringet ſie an den Bet-
telſtab, und nicht ſelten fuͤhret ſie einige auf das Schafott. Nie-
mand kan vorher ſagen: ſo weit will ich gehen, und das ſoll meine
Strafe ſeyn. Die geſchaͤndete Dina koſtete den Anverwandten
ihres Ehrenraͤubers das Leben. Spiel lieber mit einer Schlange,
als mit einer Delila. Sieh nicht blos ihre Reize, ſondern ſieh
auch in ihr die blaſſe zitternde Kindermoͤrderinn, welche jetzt zum
Tode ginge, und mit gebrochnen Augen einen Blick auf dich
wuͤrfe, der alle deine Gebeine durchſchauerte. Warlich, es ſte-
het nicht in deiner Macht, dis Ungluͤck abzuwenden. Flieh! das
allein iſt Errettung.
Vergib, o Jeſu! dir will ich von nun an ein Tempel der
Heiligkeit ſeyn, auf daß mich am Gerichtstage kein Geſicht ſcham-
roth mache! Der Anblick deines Kreuzes ſchlage meine luͤſterne
Begierden nieder! Ueppige Blicke erklaͤreſt du fuͤr Ehebruch! Keu-
ſcher und heiliger Sohn Gottes! ſtaͤrk mich im Kampf gegen die
Suͤnde; dein Schrecken rauſche hinter jeden Unzuͤchtigen in der
Finſterniß einher! Bewahr mich auch dieſe Nacht fuͤr unreine Ge-
danken und Traͤume!
Der
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(2023-05-24T12:24:22Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
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