Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.Der 25te April. Mensch spricht fast so viel Worte, als er Othemzüge thutjedes derselben hat seinen Werth oder Unwerth. Ein ei[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] Wort kan oft um Freunde, Glück und Leben bringen; e[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] Unglückliche aufrichten, aber auch Millionen Thränen ver[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] chen. Ein einziges Ja oder Nein bestimmt nicht selten das g[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] Schicksal des Menschen. Die Kunst, weder zu viel, noch zu [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] nig zu reden, solte daher am gründlichsten erlernet werden, un[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] wird am meisten vernachläßiget. Nicht der Tausende hält Mittelstrasse; und das traurigste ist: daß die geschwätzigsten Sü[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] der stumm sind, wo sie laut sprechen und anbeten solten. Blos um sich zu nähren, zu kleiden und sinnlich zu vergnü[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt] Allgütigster Vater! o warum rede ich doch so wenig mit dir! Der
Der 25te April. Menſch ſpricht faſt ſo viel Worte, als er Othemzuͤge thutjedes derſelben hat ſeinen Werth oder Unwerth. Ein ei[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] Wort kan oft um Freunde, Gluͤck und Leben bringen; e[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] Ungluͤckliche aufrichten, aber auch Millionen Thraͤnen ver[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] chen. Ein einziges Ja oder Nein beſtimmt nicht ſelten das g[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] Schickſal des Menſchen. Die Kunſt, weder zu viel, noch zu [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] nig zu reden, ſolte daher am gruͤndlichſten erlernet werden, un[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] wird am meiſten vernachlaͤßiget. Nicht der Tauſende haͤlt Mittelſtraſſe; und das traurigſte iſt: daß die geſchwaͤtzigſten Suͤ[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] der ſtumm ſind, wo ſie laut ſprechen und anbeten ſolten. Blos um ſich zu naͤhren, zu kleiden und ſinnlich zu vergnuͤ[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt] Allguͤtigſter Vater! o warum rede ich doch ſo wenig mit dir! Der
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Der 25te April.
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Schickſal des Menſchen. Die Kunſt, weder zu viel, noch zu _
nig zu reden, ſolte daher am gruͤndlichſten erlernet werden, un_
wird am meiſten vernachlaͤßiget. Nicht der Tauſende haͤlt
Mittelſtraſſe; und das traurigſte iſt: daß die geſchwaͤtzigſten Suͤ_
der ſtumm ſind, wo ſie laut ſprechen und anbeten ſolten.
Blos um ſich zu naͤhren, zu kleiden und ſinnlich zu vergnuͤ_
gen: dazu bedurfte es keiner Sprache, und dazu gab ſie uns der
Allerhoͤchſte gewiß nicht. Aber die Ehre des Schoͤpfers auszu-
breiten, nur das war dieſer Wundergabe werth. Ohne Liebe
Gottes und des Naͤchſten iſt man der Sprache nicht wuͤrdig. Und
wenn ich mit Engelzungen redete, und haͤtte der Liebe nicht, ſo
waͤr ich ein toͤnend Erz, oder eine klingende Schelle. Das wi-
tzige Geſpraͤch iſt ein leerer Schall, wenn nichts gutes dadurch
geſtiftet wird, und ſelbſt fromme Worte ohne ein frommes Herz
erklaͤrt die heilige Schrift fuͤr ein Geplerr der Lippen.
Allguͤtigſter Vater! o warum rede ich doch ſo wenig mit dir!
Unter den Billionen Worten, welche ich von je her ausgeſprochen
oder wenigſtens gedacht habe: wie wenig waren doch ihrer fuͤr
dich! Und doch war jedes Wort ein Samenkorn, von welchem
ich Segen oder Fluch zu ernten habe! Jch will mir, wie David,
vorſetzen, daß ich nicht ſuͤndige mit meiner Zunge, und will mei-
nen Mund zaͤumen. Jch danke dir, Allmaͤchtiger! (das wievielſte
mal in meinem Leben iſt es wol, daß ich dafuͤr danke?) ich danke
dir fuͤr das Vermoͤgen zu reden. Jch will es dazu anwenden,
wozu du mirs anvertrauet haſt. Laß meinen Mund deines Ruhms
und deines Preiſes voll ſeyn taͤglich. Noch auf meinem Lager
muͤſſe mein Herz mit dir reden!
Der
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(2023-05-24T12:24:22Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
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