Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.

Bild:
<< vorherige Seite
Der 26te April.

Die Menschen um mich her schweigen nun allgemach[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
desto lauter ertönet der Gesang der himmlischen Heere. Und
jetzt alle Menschen schnarchten oder lästerten: so würde de[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
der kleinste Stern, als ein Herold, durch die ganze Schö[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
mit vernehmlicher Stimme rufen; der Herr ist Gott und k[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
mehr! und alle Geschöpfe sind Staub unter seinem Fußtrit[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]

Ewiger! Unermeßlicher! Allgenugsamer! das bist du, [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
was ist dagegen der Mensch, dessen Tage kaum einer Hand b[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
sind vor dir! der nichts ist, so bald du deine Hand von ihm [unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
ziehst! Doch nein! ich bin mehr als alle Sonnen, und höher a[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
alle meine Begriffe. Wann einst Sterne verlöschen, tausend[unleserliches Material - 1 Zeichen fehlt]
jährige Felsen zerstäuben; wann Palläste, Kronen und Marmor
im allgemeinen Brande glimmen: alsdann bin ich noch vorhan-
den, und stehe am Throne des Allerhöchsten. Vollkommenster
Gott! du kanst nicht grösser oder kleiner werden: aber der Mensch
ist nur groß, in so fern er dich erkennen kan. Mag er das nicht,
so ist er, trotz aller eingebildeten Grösse, ein Zwerg, ein Son-
nenstäubgen, das von dir nur gewogen werden kan. Der arme
Thor! er brüstet sich, wenn er viel verzehren, und Seide statt
Wolle tragen mag! Er dünkt sich groß, wenn Menschen vor sei-
nem Blick erzittern, und hat diese Ehre mit Löwen und Bären
gemein. Gerne versuchte er es, die Sonne zu regieren, den Mond
zu drehen, die Himmelsluft zu beschiffen, und den innern Mittel-
punkt der Erde zu pachten, oder zu verpachten: aber er ist auf
seinen Erdklos angewiesen, bis ihn im Tode der Allmächtige hin-
wegwinkt.

Herr! (Menschen verdienen diesen Namen nicht!) Gott!
Quelle des Lebens und jeder Vollkommenheit! ich bete dich hier
im Staube an. Wunderbare Veränderung: erhebe ich Men-
schen, so werde ich klein; erhebe ich dich, so schwillet mein Herz:
und ich werde durch meine Erniedrigung vor dir so groß, daß ich
nichts nach Himmel und Erde frage! Welch ein Gedanke: ich
bin ein Hauch, und soll ewig vor dir leben!

Der
Der 26te April.

Die Menſchen um mich her ſchweigen nun allgemach[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
deſto lauter ertoͤnet der Geſang der himmliſchen Heere. Und
jetzt alle Menſchen ſchnarchten oder laͤſterten: ſo wuͤrde de[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
der kleinſte Stern, als ein Herold, durch die ganze Schoͤ[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
mit vernehmlicher Stimme rufen; der Herr iſt Gott und k[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
mehr! und alle Geſchoͤpfe ſind Staub unter ſeinem Fußtrit[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]

Ewiger! Unermeßlicher! Allgenugſamer! das biſt du, [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
was iſt dagegen der Menſch, deſſen Tage kaum einer Hand b[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
ſind vor dir! der nichts iſt, ſo bald du deine Hand von ihm [unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
ziehſt! Doch nein! ich bin mehr als alle Sonnen, und hoͤher a[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
alle meine Begriffe. Wann einſt Sterne verloͤſchen, tauſend[unleserliches Material – 1 Zeichen fehlt]
jaͤhrige Felſen zerſtaͤuben; wann Pallaͤſte, Kronen und Marmor
im allgemeinen Brande glimmen: alsdann bin ich noch vorhan-
den, und ſtehe am Throne des Allerhoͤchſten. Vollkommenſter
Gott! du kanſt nicht groͤſſer oder kleiner werden: aber der Menſch
iſt nur groß, in ſo fern er dich erkennen kan. Mag er das nicht,
ſo iſt er, trotz aller eingebildeten Groͤſſe, ein Zwerg, ein Son-
nenſtaͤubgen, das von dir nur gewogen werden kan. Der arme
Thor! er bruͤſtet ſich, wenn er viel verzehren, und Seide ſtatt
Wolle tragen mag! Er duͤnkt ſich groß, wenn Menſchen vor ſei-
nem Blick erzittern, und hat dieſe Ehre mit Loͤwen und Baͤren
gemein. Gerne verſuchte er es, die Sonne zu regieren, den Mond
zu drehen, die Himmelsluft zu beſchiffen, und den innern Mittel-
punkt der Erde zu pachten, oder zu verpachten: aber er iſt auf
ſeinen Erdklos angewieſen, bis ihn im Tode der Allmaͤchtige hin-
wegwinkt.

Herr! (Menſchen verdienen dieſen Namen nicht!) Gott!
Quelle des Lebens und jeder Vollkommenheit! ich bete dich hier
im Staube an. Wunderbare Veraͤnderung: erhebe ich Men-
ſchen, ſo werde ich klein; erhebe ich dich, ſo ſchwillet mein Herz:
und ich werde durch meine Erniedrigung vor dir ſo groß, daß ich
nichts nach Himmel und Erde frage! Welch ein Gedanke: ich
bin ein Hauch, und ſoll ewig vor dir leben!

Der
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0279" n="242[272]"/>
            <fw place="top" type="header">Der 26<hi rendition="#sup">te</hi> April.</fw><lb/>
            <p>Die Men&#x017F;chen um mich her &#x017F;chweigen nun allgemach<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
de&#x017F;to lauter erto&#x0364;net der Ge&#x017F;ang der himmli&#x017F;chen Heere. Und<lb/>
jetzt alle Men&#x017F;chen &#x017F;chnarchten oder la&#x0364;&#x017F;terten: &#x017F;o wu&#x0364;rde de<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
der klein&#x017F;te Stern, als ein Herold, durch die ganze Scho&#x0364;<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
mit vernehmlicher Stimme rufen; der Herr i&#x017F;t Gott und k<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
mehr! und alle Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe &#x017F;ind Staub unter &#x017F;einem Fußtrit<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/></p><lb/>
            <p>Ewiger! Unermeßlicher! Allgenug&#x017F;amer! das bi&#x017F;t du, <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
was i&#x017F;t dagegen der Men&#x017F;ch, de&#x017F;&#x017F;en Tage kaum einer Hand b<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
&#x017F;ind vor dir! der nichts i&#x017F;t, &#x017F;o bald du deine Hand von ihm <gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
zieh&#x017F;t! Doch nein! ich bin mehr als alle Sonnen, und ho&#x0364;her a<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
alle meine Begriffe. Wann ein&#x017F;t Sterne verlo&#x0364;&#x017F;chen, tau&#x017F;end<gap reason="illegible" unit="chars" quantity="1"/><lb/>
ja&#x0364;hrige Fel&#x017F;en zer&#x017F;ta&#x0364;uben; wann Palla&#x0364;&#x017F;te, Kronen und Marmor<lb/>
im allgemeinen Brande glimmen: alsdann bin ich noch vorhan-<lb/>
den, und &#x017F;tehe am Throne des Allerho&#x0364;ch&#x017F;ten. Vollkommen&#x017F;ter<lb/>
Gott! du kan&#x017F;t nicht gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er oder kleiner werden: aber der Men&#x017F;ch<lb/>
i&#x017F;t nur groß, in &#x017F;o fern er dich erkennen kan. Mag er das nicht,<lb/>
&#x017F;o i&#x017F;t er, trotz aller eingebildeten Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, ein Zwerg, ein Son-<lb/>
nen&#x017F;ta&#x0364;ubgen, das von dir nur gewogen werden kan. Der arme<lb/>
Thor! er bru&#x0364;&#x017F;tet &#x017F;ich, wenn er viel verzehren, und Seide &#x017F;tatt<lb/>
Wolle tragen mag! Er du&#x0364;nkt &#x017F;ich groß, wenn Men&#x017F;chen vor &#x017F;ei-<lb/>
nem Blick erzittern, und hat die&#x017F;e Ehre mit Lo&#x0364;wen und Ba&#x0364;ren<lb/>
gemein. Gerne ver&#x017F;uchte er es, die Sonne zu regieren, den Mond<lb/>
zu drehen, die Himmelsluft zu be&#x017F;chiffen, und den innern Mittel-<lb/>
punkt der Erde zu pachten, oder zu verpachten: aber er i&#x017F;t auf<lb/>
&#x017F;einen Erdklos angewie&#x017F;en, bis ihn im Tode der Allma&#x0364;chtige hin-<lb/>
wegwinkt.</p><lb/>
            <p>Herr! (Men&#x017F;chen verdienen die&#x017F;en Namen nicht!) Gott!<lb/>
Quelle des Lebens und jeder Vollkommenheit! ich bete dich hier<lb/>
im Staube an. Wunderbare Vera&#x0364;nderung: erhebe ich Men-<lb/>
&#x017F;chen, &#x017F;o werde ich klein; erhebe ich dich, &#x017F;o &#x017F;chwillet mein Herz:<lb/>
und ich werde durch meine Erniedrigung vor dir &#x017F;o groß, daß ich<lb/>
nichts nach Himmel und Erde frage! Welch ein Gedanke: ich<lb/>
bin ein Hauch, und &#x017F;oll ewig vor dir leben!</p>
          </div><lb/>
          <fw place="bottom" type="catch">Der</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[242[272]/0279] Der 26te April. Die Menſchen um mich her ſchweigen nun allgemach_ deſto lauter ertoͤnet der Geſang der himmliſchen Heere. Und jetzt alle Menſchen ſchnarchten oder laͤſterten: ſo wuͤrde de_ der kleinſte Stern, als ein Herold, durch die ganze Schoͤ_ mit vernehmlicher Stimme rufen; der Herr iſt Gott und k_ mehr! und alle Geſchoͤpfe ſind Staub unter ſeinem Fußtrit_ Ewiger! Unermeßlicher! Allgenugſamer! das biſt du, _ was iſt dagegen der Menſch, deſſen Tage kaum einer Hand b_ ſind vor dir! der nichts iſt, ſo bald du deine Hand von ihm _ ziehſt! Doch nein! ich bin mehr als alle Sonnen, und hoͤher a_ alle meine Begriffe. Wann einſt Sterne verloͤſchen, tauſend_ jaͤhrige Felſen zerſtaͤuben; wann Pallaͤſte, Kronen und Marmor im allgemeinen Brande glimmen: alsdann bin ich noch vorhan- den, und ſtehe am Throne des Allerhoͤchſten. Vollkommenſter Gott! du kanſt nicht groͤſſer oder kleiner werden: aber der Menſch iſt nur groß, in ſo fern er dich erkennen kan. Mag er das nicht, ſo iſt er, trotz aller eingebildeten Groͤſſe, ein Zwerg, ein Son- nenſtaͤubgen, das von dir nur gewogen werden kan. Der arme Thor! er bruͤſtet ſich, wenn er viel verzehren, und Seide ſtatt Wolle tragen mag! Er duͤnkt ſich groß, wenn Menſchen vor ſei- nem Blick erzittern, und hat dieſe Ehre mit Loͤwen und Baͤren gemein. Gerne verſuchte er es, die Sonne zu regieren, den Mond zu drehen, die Himmelsluft zu beſchiffen, und den innern Mittel- punkt der Erde zu pachten, oder zu verpachten: aber er iſt auf ſeinen Erdklos angewieſen, bis ihn im Tode der Allmaͤchtige hin- wegwinkt. Herr! (Menſchen verdienen dieſen Namen nicht!) Gott! Quelle des Lebens und jeder Vollkommenheit! ich bete dich hier im Staube an. Wunderbare Veraͤnderung: erhebe ich Men- ſchen, ſo werde ich klein; erhebe ich dich, ſo ſchwillet mein Herz: und ich werde durch meine Erniedrigung vor dir ſo groß, daß ich nichts nach Himmel und Erde frage! Welch ein Gedanke: ich bin ein Hauch, und ſoll ewig vor dir leben! Der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Matthias Boenig, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Li Xang: Bearbeitung und strukturelle Auszeichnung der durch die Grepect GmbH bereitgestellten Texttranskription. (2023-05-24T12:24:22Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels

Weitere Informationen:

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/279
Zitationshilfe: Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775, S. 242[272]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/tiede_unterhaltungen01_1775/279>, abgerufen am 21.11.2024.