Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.zur ersten Auflage. lieset: aber die Vorstellungen sind eine der andern zu ähn-lich, als daß die Seele davon frappirt würde. Man hat zu Ende gelesen, leget sich ins Bette, und die Seele ist -- leer. Ich habe also meinen Leser nicht nur erbauen, son- dern auch aus manchen Wissenschaften, welche der Reli- gion so schwesterlich die Hand bieten, unterrichten, wenig- stens Anlaß geben wollen, einen gewissen Hauptgedanken mit zu Bette zu nehmen, und dort noch in Gebet zu ver- wandeln. Indessen, um allen alles zu werden, habe ich in jedem Monat einige längre Gebete, jeder Unterhaltung aber wenigstens ein kurzes Gebet beigefüget. Und wozu denn nun auch die langen ermüdenden Gebete? Wenn jeder Leser nur die Hälfte dieser Unterhaltun- Das Motto, oder die Verse über jeder Unterhaltung, gött-
zur erſten Auflage. lieſet: aber die Vorſtellungen ſind eine der andern zu aͤhn-lich, als daß die Seele davon frappirt wuͤrde. Man hat zu Ende geleſen, leget ſich ins Bette, und die Seele iſt — leer. Ich habe alſo meinen Leſer nicht nur erbauen, ſon- dern auch aus manchen Wiſſenſchaften, welche der Reli- gion ſo ſchweſterlich die Hand bieten, unterrichten, wenig- ſtens Anlaß geben wollen, einen gewiſſen Hauptgedanken mit zu Bette zu nehmen, und dort noch in Gebet zu ver- wandeln. Indeſſen, um allen alles zu werden, habe ich in jedem Monat einige laͤngre Gebete, jeder Unterhaltung aber wenigſtens ein kurzes Gebet beigefuͤget. Und wozu denn nun auch die langen ermuͤdenden Gebete? Wenn jeder Leſer nur die Haͤlfte dieſer Unterhaltun- Das Motto, oder die Verſe uͤber jeder Unterhaltung, goͤtt-
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zur erſten Auflage.
lieſet: aber die Vorſtellungen ſind eine der andern zu aͤhn-
lich, als daß die Seele davon frappirt wuͤrde. Man hat
zu Ende geleſen, leget ſich ins Bette, und die Seele iſt —
leer. Ich habe alſo meinen Leſer nicht nur erbauen, ſon-
dern auch aus manchen Wiſſenſchaften, welche der Reli-
gion ſo ſchweſterlich die Hand bieten, unterrichten, wenig-
ſtens Anlaß geben wollen, einen gewiſſen Hauptgedanken
mit zu Bette zu nehmen, und dort noch in Gebet zu ver-
wandeln. Indeſſen, um allen alles zu werden, habe ich
in jedem Monat einige laͤngre Gebete, jeder Unterhaltung
aber wenigſtens ein kurzes Gebet beigefuͤget. Und wozu
denn nun auch die langen ermuͤdenden Gebete?
Wenn jeder Leſer nur die Haͤlfte dieſer Unterhaltun-
gen nach ſeinem Geſchmack findet, ſo uͤberlaſſe er die andre
Haͤlfte ſeinen Bruͤdern, welche mehr oder weniger Faͤhig-
keiten haben, als er.
Das Motto, oder die Verſe uͤber jeder Unterhaltung,
nahm ich wo ich es fand. Und fand ich kein bequemes,
ſo machte ich es ſelbſt. Das hintenanſtehende Regiſter
erklaͤret ſich von ſelbſt. Die Gelehrten werden doch nicht
die Stirne kraͤuſeln, uͤber die kleine chronologiſche Tabelle?
Ich moͤgte wol wiſſen, wo unſre Laien die Zeitrechnung
der Religion erlernen ſolten? Ich bin uͤberzeugt, daß
mancher Leſer ſie zum Verſtande der Bibel, und andrer
goͤtt-
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(2023-05-24T12:24:22Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
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