Tiede, Johann Friedrich: Unterhaltungen mit Gott in den Abendstunden. Halle, 1775.Der 18te Junius. &q;halten solte! -- Jedoch, mehr als ein Mensch mußte er wol&q;seyn, und als ein Mensch könte er mir auch jetzt und nun bald in der &q;Ewigkeit nicht helfen! Jch hätte doch nicht sollen so eigensinnig &q;seyn! Als Christ wäre ich ruhiger! Denn es ist doch immer mög- &q;lich, ja wie mich jetzt dünket, nicht ganz unwahrscheinlich, daß &q;das allgütigste Wesen den armen leidenden Sündern, sonderlich &q;im Sterben, einen Helfer und Fürsprecher gegeben habe! Und &q;das könte kein andrer seyn, als -- Jesus Christus! Aber als- &q;dann! -- o! ich Unmensch! warum habe ich -- ihm nicht &q;gehuldigt? Wie? wenn ich Undankbarer nun bald die Wunden &q;sähe, aus denen er -- für mich geblutet hat! O! ihr Berge, &q;fallet über mich, und ihr Hügel, bedecket mich!" Diese stotternde Sprache, verglichen mit dem zuversichtli- So, mein Versöhner! will ich einst, dir zur Ehre sterben! Der
Der 18te Junius. &q;halten ſolte! — Jedoch, mehr als ein Menſch mußte er wol&q;ſeyn, und als ein Menſch koͤnte er mir auch jetzt und nun bald in der &q;Ewigkeit nicht helfen! Jch haͤtte doch nicht ſollen ſo eigenſinnig &q;ſeyn! Als Chriſt waͤre ich ruhiger! Denn es iſt doch immer moͤg- &q;lich, ja wie mich jetzt duͤnket, nicht ganz unwahrſcheinlich, daß &q;das allguͤtigſte Weſen den armen leidenden Suͤndern, ſonderlich &q;im Sterben, einen Helfer und Fuͤrſprecher gegeben habe! Und &q;das koͤnte kein andrer ſeyn, als — Jeſus Chriſtus! Aber als- &q;dann! — o! ich Unmenſch! warum habe ich — ihm nicht &q;gehuldigt? Wie? wenn ich Undankbarer nun bald die Wunden &q;ſaͤhe, aus denen er — fuͤr mich geblutet hat! O! ihr Berge, &q;fallet uͤber mich, und ihr Huͤgel, bedecket mich!“ Dieſe ſtotternde Sprache, verglichen mit dem zuverſichtli- So, mein Verſoͤhner! will ich einſt, dir zur Ehre ſterben! Der
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Der 18te Junius.
&q;halten ſolte! — Jedoch, mehr als ein Menſch mußte er wol
&q;ſeyn, und als ein Menſch koͤnte er mir auch jetzt und nun bald in der
&q;Ewigkeit nicht helfen! Jch haͤtte doch nicht ſollen ſo eigenſinnig
&q;ſeyn! Als Chriſt waͤre ich ruhiger! Denn es iſt doch immer moͤg-
&q;lich, ja wie mich jetzt duͤnket, nicht ganz unwahrſcheinlich, daß
&q;das allguͤtigſte Weſen den armen leidenden Suͤndern, ſonderlich
&q;im Sterben, einen Helfer und Fuͤrſprecher gegeben habe! Und
&q;das koͤnte kein andrer ſeyn, als — Jeſus Chriſtus! Aber als-
&q;dann! — o! ich Unmenſch! warum habe ich — ihm nicht
&q;gehuldigt? Wie? wenn ich Undankbarer nun bald die Wunden
&q;ſaͤhe, aus denen er — fuͤr mich geblutet hat! O! ihr Berge,
&q;fallet uͤber mich, und ihr Huͤgel, bedecket mich!“
Dieſe ſtotternde Sprache, verglichen mit dem zuverſichtli-
chen Gebete ſterbender Chriſten, iſt einer der ſchaͤrfſten Bewelſe
fuͤr die Goͤttlichkeit unſers Erloͤſers. „Herr! nun laͤſſeſt du dei-
&q;nen Diener in Friede fahren, denn meine Augen haben deinen
&q;Heiland geſehen! Jch leide nichts, als was meiner Thaten werth
&q;iſt, und der Unſchuldige hat weit mehr fuͤr mich gelitten! Meine
&q;Schmerzen ſind groß; aber mein Heiland hilft ſie mir tragen.
&q;Wenn ich nur bete und mich feſt an ihm halte: ſo frage ich nichts
&q;nach Himmel und Erde. Wenn mir gleich Leib und Seele ver-
&q;ſchmachtet: ſo iſt Jeſus doch meines Herzens Troſt und mein
&q;Theil! Weinet nicht, meine Freunde! ich komme nun bald zu
&q;Gott! Bedauert mich nicht, denn ich habe Luſt abzuſcheiden,
&q;und bei Chriſto zu ſeyn! Die finſtre Stunde — jedoch, Tod!
&q;wo iſt dein Stachel? Hoͤlle! wo iſt dein Sieg? O Gott! dir
&q;ſey in Ewigkeit, wie jetzt ſchon auf meinem Sterbebette, Dank,
&q;daß du mir den Sieg gegeben haſt, durch Jeſum Chriſtum,
&q;meinen Herrn: —
So, mein Verſoͤhner! will ich einſt, dir zur Ehre ſterben!
Und wer ſo ſtirbt, der ſtirbt wohl!
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(2023-05-24T12:24:22Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Britt-Marie Schuster, Alexander Geyken, Susanne Haaf, Christopher Georgi, Frauke Thielert, Linda Kirsten, t.evo: Die Evolution von komplexen Textmustern: Aufbau eines Korpus historischer Zeitungen zur Untersuchung der Mehrdimensionalität des Textmusterwandels
Weitere Informationen:Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
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