der Normandie, welcher damals zu Rom gegenwärtig war und sich rechtfertigen muste, wegen des Verdachts jener Meinung, die von ihm hernach am heftigsten bestritten wurde; bei welchen Streite man alle Spizfindigkeiten einer ausschweifenden Vernunft anwandte und also die Bahn der nachmaligen Schulweisheit eröfnete. Leo fand nöthig bald eine andere Versamlung nach Vercelli zuberufen und Berengarium, welcher vorhin ungehöret verurtheilet war, dahin zuladen: dieser fand sich aber selbst nicht ein, die stat seiner erschienen bezeigten wenig Muth in Verteidigung seiner Sache; also ward er abermals verdammet. Auch zu Paris, wo in selbigem Jahre der König von Frankreich Henrich 1, Robertson, eine Versamlung veranstaltete, erschien weder Berengar, noch sein Gönner, der Bischof zu Angers; es ward aber ein berengarischer Brief daselbst verlesen, dän der Bischof zu Orleans aufgefangen hatte; man verurtheilte Berengaren und befchlos, wen er nicht bald seine Meinung änderte, mit gewafneter Hand ihn zuholen und an ihm die Lebensstrafe zuvolziehen. Berengar suchte von dem an einige Zeit verborgen zu sein; seine meisten Schüler und Freunde unterwarfen sich. Gegen das Ende des Jahres wurde dem Kaiser Heinrich 3 ein Sohn geboren, der nachmals unter dem Namen Heinrichs 4 wieder die Anmaßungen des römischen Stuls viel zustrei-
der Normandie, welcher damals zu Rom gegenwärtig war und sich rechtfertigen muste, wegen des Verdachts jener Meinung, die von ihm hernach am heftigsten bestritten wurde; bei welchen Streite man alle Spizfindigkeiten einer ausschweifenden Vernunft anwandte und also die Bahn der nachmaligen Schulweisheit eröfnete. Leo fand nöthig bald eine andere Versamlung nach Vercelli zuberufen und Berengarium, welcher vorhin ungehöret verurtheilet war, dahin zuladen: dieser fand sich aber selbst nicht ein, die stat seiner erschienen bezeigten wenig Muth in Verteidigung seiner Sache; also ward er abermals verdammet. Auch zu Paris, wo in selbigem Jahre der König von Frankreich Henrich 1, Robertson, eine Versamlung veranstaltete, erschien weder Berengar, noch sein Gönner, der Bischof zu Angers; es ward aber ein berengarischer Brief daselbst verlesen, dän der Bischof zu Orleans aufgefangen hatte; man verurtheilte Berengaren und befchlos, wen er nicht bald seine Meinung änderte, mit gewafneter Hand ihn zuholen und an ihm die Lebensstrafe zuvolziehen. Berengar suchte von dem an einige Zeit verborgen zu sein; seine meisten Schüler und Freunde unterwarfen sich. Gegen das Ende des Jahres wurde dem Kaiser Heinrich 3 ein Sohn geboren, der nachmals unter dem Namen Heinrichs 4 wieder die Anmaßungen des römischen Stuls viel zustrei-
<TEI><text><body><div><p><pbfacs="#f0354"n="342"/>
der Normandie, welcher damals zu Rom gegenwärtig war und sich rechtfertigen muste, wegen des Verdachts jener Meinung, die von ihm hernach am heftigsten bestritten wurde; bei welchen Streite man alle Spizfindigkeiten einer ausschweifenden Vernunft anwandte und also die Bahn der nachmaligen Schulweisheit eröfnete. Leo fand nöthig bald eine andere Versamlung nach Vercelli zuberufen und Berengarium, welcher vorhin ungehöret verurtheilet war, dahin zuladen: dieser fand sich aber selbst nicht ein, die stat seiner erschienen bezeigten wenig Muth in Verteidigung seiner Sache; also ward er abermals verdammet. Auch zu Paris, wo in selbigem Jahre der König von Frankreich Henrich 1, Robertson, eine Versamlung veranstaltete, erschien weder Berengar, noch sein Gönner, der Bischof zu Angers; es ward aber ein berengarischer Brief daselbst verlesen, dän der Bischof zu Orleans aufgefangen hatte; man verurtheilte Berengaren und befchlos, wen er nicht bald seine Meinung änderte, mit gewafneter Hand ihn zuholen und an ihm die Lebensstrafe zuvolziehen. Berengar suchte von dem an einige Zeit verborgen zu sein; seine meisten Schüler und Freunde unterwarfen sich. Gegen das Ende des Jahres wurde dem Kaiser Heinrich 3 ein Sohn geboren, der nachmals unter dem Namen Heinrichs 4 wieder die Anmaßungen des römischen Stuls viel zustrei-
</p></div></body></text></TEI>
[342/0354]
der Normandie, welcher damals zu Rom gegenwärtig war und sich rechtfertigen muste, wegen des Verdachts jener Meinung, die von ihm hernach am heftigsten bestritten wurde; bei welchen Streite man alle Spizfindigkeiten einer ausschweifenden Vernunft anwandte und also die Bahn der nachmaligen Schulweisheit eröfnete. Leo fand nöthig bald eine andere Versamlung nach Vercelli zuberufen und Berengarium, welcher vorhin ungehöret verurtheilet war, dahin zuladen: dieser fand sich aber selbst nicht ein, die stat seiner erschienen bezeigten wenig Muth in Verteidigung seiner Sache; also ward er abermals verdammet. Auch zu Paris, wo in selbigem Jahre der König von Frankreich Henrich 1, Robertson, eine Versamlung veranstaltete, erschien weder Berengar, noch sein Gönner, der Bischof zu Angers; es ward aber ein berengarischer Brief daselbst verlesen, dän der Bischof zu Orleans aufgefangen hatte; man verurtheilte Berengaren und befchlos, wen er nicht bald seine Meinung änderte, mit gewafneter Hand ihn zuholen und an ihm die Lebensstrafe zuvolziehen. Berengar suchte von dem an einige Zeit verborgen zu sein; seine meisten Schüler und Freunde unterwarfen sich. Gegen das Ende des Jahres wurde dem Kaiser Heinrich 3 ein Sohn geboren, der nachmals unter dem Namen Heinrichs 4 wieder die Anmaßungen des römischen Stuls viel zustrei-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Marcus Baumgarten, Frederike Neuber, Frank Wiegand: Konvertierung nach XML gemäß DTA-Basisformat, Tagging der Titelblätter, Korrekturen der Transkription.
(2013-02-15T13:54:31Z)
Weitere Informationen:
Anmerkungen zur Transkription:
Langes s (ſ) wird als rundes s (s) wiedergegeben.
Rundes r (ꝛ) wird als normales r (r) wiedergegeben bzw. in der Kombination ꝛc. als et (etc.) aufgelöst.
Die Majuskel J im Frakturdruck wird in der Transkription je nach Lautwert als I bzw. J wiedergegeben.
Übergeschriebenes „e“ über „a“, „o“ und „u“ wird als „ä“, „ö“, „ü“ transkribiert.
Ligaturen werden aufgelöst.
Silbentrennungen über Zeilengrenzen hinweg werden aufgelöst.
Silbentrennungen über Seitengrenzen hinweg werden beibehalten.
Kolumnentitel, Bogensignaturen und Kustoden werden nicht erfasst.
Griechische Schrift wird nicht transkribiert, sondern im XML mit <foreign xml:lang="el"><gap reason="fm"/></foreign> vermerkt.
Tönnies, Johann Heinrich: Auszug der Geschichte zur Erklärung der Offenbarung Johannis. Leipzig, 1776, S. 342. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_auszug_1776/354>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.