Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

Bild:
<< vorherige Seite

von anderen Waaren ausdrückbar, ist daher immer ein
Bruch und niemals eine Grösse). Die Arbeitskräfte, welche
Waaren hervorbringen, sind hingegen nicht auf diesem
Markte anzutreffen. Sie sind nicht in dem Sinne Waaren,
wie Sachen es ihrer Natur nach sind, und wie Dienst-
leistungen es sein können; sie begegnen denselben nicht als
gleiche, und als ob der vollzogene Umtausch das Ende
eines Turnus wäre, nach welchem jedes Eingetauschte
seinem Gebrauch entgegengeführt wird, wenn nicht directe
darin verschwindend. Als Princip der Production von
Sachen sind sie nur in Bezug auf dieselbe, hinter und unter
ihr, denkbar. Insofern also, als ihre Verbindung mit den
Substraten der Production nur durch ihren Einkauf möglich
ist, so muss dieser begriffen werden als der Zeit nach
früher und vor dem Verkaufe fertiger Sachen. Der Ar-
beitsmarkt
ist durchaus geschieden vom Waarenmarkte,
und unterhalb desselben. Er kann auch als der heimliche
Markt bezeichnet werden, von dessen Präexistenz im offenen
Waarenmarkte keine Spur, keine Erinnerung mehr vor-
handen ist. Dort werden Arbeitskräfte gekauft und bezahlt,
als ob sie zukünftige blosse Dienstleistungen wären, mit-
hin in der Leistung selber sich vollendeten. Die Fiction
ist, dass der Fabrikant (irgend welches capitalistische Sub-
ject, sage: die Actien-Gesellschaft) wirklicher Urheber und
Macher sei, der sich Arbeiter nur als Gehülfen dazu miethet.
Die Fiction gewinnt an ihrem Scheine, je mehr die Anstalt,
d. i. die Bedingungen der Cooperation, und demnächst die
Instrumente selber -- lauter Dinge, welche im Eigenthum
des Fabrikanten sind -- gleichsam lebendig werden und,
einmal in Bewegung gesetzt, automatische Nachahmungen
menschlicher Hand und Kunst durch ihre zweckmässige
Construction zu leisten vermögen. Wenn es der Eigen-
thümer ist, dessen Zwecken sie dienen, so ist es seine
Initiative, sein Gedanke und Wille, was über ihnen ist,
und sie in gegebenem Momente in Bewegung und wiederum
in Ruhe setzt. Die eingesetzten Arbeitskräfte haben keinen
eigenen Willen, sondern erhalten ihre Aufgabe zugewiesen,
wie ein Mandat, welches durch den Zusammenhang des
Ganzen, durch fixirten Plan und Methode der Bearbeitung

von anderen Waaren ausdrückbar, ist daher immer ein
Bruch und niemals eine Grösse). Die Arbeitskräfte, welche
Waaren hervorbringen, sind hingegen nicht auf diesem
Markte anzutreffen. Sie sind nicht in dem Sinne Waaren,
wie Sachen es ihrer Natur nach sind, und wie Dienst-
leistungen es sein können; sie begegnen denselben nicht als
gleiche, und als ob der vollzogene Umtausch das Ende
eines Turnus wäre, nach welchem jedes Eingetauschte
seinem Gebrauch entgegengeführt wird, wenn nicht directe
darin verschwindend. Als Princip der Production von
Sachen sind sie nur in Bezug auf dieselbe, hinter und unter
ihr, denkbar. Insofern also, als ihre Verbindung mit den
Substraten der Production nur durch ihren Einkauf möglich
ist, so muss dieser begriffen werden als der Zeit nach
früher und vor dem Verkaufe fertiger Sachen. Der Ar-
beitsmarkt
ist durchaus geschieden vom Waarenmarkte,
und unterhalb desselben. Er kann auch als der heimliche
Markt bezeichnet werden, von dessen Präexistenz im offenen
Waarenmarkte keine Spur, keine Erinnerung mehr vor-
handen ist. Dort werden Arbeitskräfte gekauft und bezahlt,
als ob sie zukünftige blosse Dienstleistungen wären, mit-
hin in der Leistung selber sich vollendeten. Die Fiction
ist, dass der Fabrikant (irgend welches capitalistische Sub-
ject, sage: die Actien-Gesellschaft) wirklicher Urheber und
Macher sei, der sich Arbeiter nur als Gehülfen dazu miethet.
Die Fiction gewinnt an ihrem Scheine, je mehr die Anstalt,
d. i. die Bedingungen der Cooperation, und demnächst die
Instrumente selber — lauter Dinge, welche im Eigenthum
des Fabrikanten sind — gleichsam lebendig werden und,
einmal in Bewegung gesetzt, automatische Nachahmungen
menschlicher Hand und Kunst durch ihre zweckmässige
Construction zu leisten vermögen. Wenn es der Eigen-
thümer ist, dessen Zwecken sie dienen, so ist es seine
Initiative, sein Gedanke und Wille, was über ihnen ist,
und sie in gegebenem Momente in Bewegung und wiederum
in Ruhe setzt. Die eingesetzten Arbeitskräfte haben keinen
eigenen Willen, sondern erhalten ihre Aufgabe zugewiesen,
wie ein Mandat, welches durch den Zusammenhang des
Ganzen, durch fixirten Plan und Methode der Bearbeitung

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0127" n="91"/>
von <hi rendition="#g">anderen</hi> Waaren ausdrückbar, ist daher immer ein<lb/>
Bruch und niemals eine Grösse). Die Arbeitskräfte, welche<lb/>
Waaren <hi rendition="#g">hervorbringen</hi>, sind hingegen <hi rendition="#g">nicht</hi> auf diesem<lb/>
Markte anzutreffen. Sie sind nicht in dem Sinne Waaren,<lb/>
wie Sachen es ihrer Natur nach sind, und wie Dienst-<lb/>
leistungen es sein können; sie begegnen denselben nicht als<lb/>
gleiche, und als ob der vollzogene Umtausch das Ende<lb/>
eines Turnus wäre, nach welchem jedes Eingetauschte<lb/>
seinem Gebrauch entgegengeführt wird, wenn nicht directe<lb/>
darin verschwindend. Als Princip der Production von<lb/>
Sachen sind sie nur in Bezug auf dieselbe, hinter und unter<lb/>
ihr, denkbar. Insofern also, als ihre Verbindung mit den<lb/>
Substraten der Production nur durch ihren Einkauf möglich<lb/>
ist, so muss dieser begriffen werden als der Zeit nach<lb/><hi rendition="#g">früher</hi> und vor dem Verkaufe fertiger Sachen. Der <hi rendition="#g">Ar-<lb/>
beitsmarkt</hi> ist durchaus geschieden vom Waarenmarkte,<lb/>
und unterhalb desselben. Er kann auch als der heimliche<lb/>
Markt bezeichnet werden, von dessen Präexistenz im offenen<lb/>
Waarenmarkte keine Spur, keine Erinnerung mehr vor-<lb/>
handen ist. Dort werden Arbeitskräfte gekauft und bezahlt,<lb/><hi rendition="#g">als ob</hi> sie zukünftige blosse Dienstleistungen <hi rendition="#g">wären</hi>, mit-<lb/>
hin in der Leistung selber sich vollendeten. Die Fiction<lb/>
ist, dass der Fabrikant (irgend welches capitalistische Sub-<lb/>
ject, sage: die Actien-Gesellschaft) wirklicher Urheber und<lb/>
Macher sei, der sich Arbeiter nur als Gehülfen dazu miethet.<lb/>
Die Fiction gewinnt an ihrem Scheine, je mehr die Anstalt,<lb/>
d. i. die Bedingungen der Cooperation, und demnächst die<lb/>
Instrumente selber &#x2014; lauter Dinge, welche im Eigenthum<lb/>
des Fabrikanten sind &#x2014; gleichsam lebendig werden und,<lb/>
einmal in Bewegung gesetzt, automatische Nachahmungen<lb/>
menschlicher Hand und Kunst durch ihre zweckmässige<lb/>
Construction zu leisten vermögen. Wenn es der Eigen-<lb/>
thümer ist, dessen Zwecken sie dienen, so ist es seine<lb/>
Initiative, sein Gedanke und Wille, was über ihnen ist,<lb/>
und sie in gegebenem Momente in Bewegung und wiederum<lb/>
in Ruhe setzt. Die eingesetzten Arbeitskräfte haben keinen<lb/>
eigenen Willen, sondern erhalten ihre Aufgabe zugewiesen,<lb/>
wie ein Mandat, welches durch den Zusammenhang des<lb/>
Ganzen, durch fixirten Plan und Methode der Bearbeitung<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[91/0127] von anderen Waaren ausdrückbar, ist daher immer ein Bruch und niemals eine Grösse). Die Arbeitskräfte, welche Waaren hervorbringen, sind hingegen nicht auf diesem Markte anzutreffen. Sie sind nicht in dem Sinne Waaren, wie Sachen es ihrer Natur nach sind, und wie Dienst- leistungen es sein können; sie begegnen denselben nicht als gleiche, und als ob der vollzogene Umtausch das Ende eines Turnus wäre, nach welchem jedes Eingetauschte seinem Gebrauch entgegengeführt wird, wenn nicht directe darin verschwindend. Als Princip der Production von Sachen sind sie nur in Bezug auf dieselbe, hinter und unter ihr, denkbar. Insofern also, als ihre Verbindung mit den Substraten der Production nur durch ihren Einkauf möglich ist, so muss dieser begriffen werden als der Zeit nach früher und vor dem Verkaufe fertiger Sachen. Der Ar- beitsmarkt ist durchaus geschieden vom Waarenmarkte, und unterhalb desselben. Er kann auch als der heimliche Markt bezeichnet werden, von dessen Präexistenz im offenen Waarenmarkte keine Spur, keine Erinnerung mehr vor- handen ist. Dort werden Arbeitskräfte gekauft und bezahlt, als ob sie zukünftige blosse Dienstleistungen wären, mit- hin in der Leistung selber sich vollendeten. Die Fiction ist, dass der Fabrikant (irgend welches capitalistische Sub- ject, sage: die Actien-Gesellschaft) wirklicher Urheber und Macher sei, der sich Arbeiter nur als Gehülfen dazu miethet. Die Fiction gewinnt an ihrem Scheine, je mehr die Anstalt, d. i. die Bedingungen der Cooperation, und demnächst die Instrumente selber — lauter Dinge, welche im Eigenthum des Fabrikanten sind — gleichsam lebendig werden und, einmal in Bewegung gesetzt, automatische Nachahmungen menschlicher Hand und Kunst durch ihre zweckmässige Construction zu leisten vermögen. Wenn es der Eigen- thümer ist, dessen Zwecken sie dienen, so ist es seine Initiative, sein Gedanke und Wille, was über ihnen ist, und sie in gegebenem Momente in Bewegung und wiederum in Ruhe setzt. Die eingesetzten Arbeitskräfte haben keinen eigenen Willen, sondern erhalten ihre Aufgabe zugewiesen, wie ein Mandat, welches durch den Zusammenhang des Ganzen, durch fixirten Plan und Methode der Bearbeitung

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/127
Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 91. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/127>, abgerufen am 24.11.2024.