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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887.

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gungen und Abneigungen, welche als Befinden und als
Stimmungen sowohl dauernde als zeitweilige Merkmale der
Individuen ergeben. Sie werden gewöhnlich als blos körper-
liche Zustände betrachtet. In Wahrheit ist auch Alles, was
dem eigentlichen Geiste d. i. dem Denken des Menschen
gefällt, auf nachweisbare Art davon abhängig und wirkt
darauf zurück. Aber die ursprünglichen und eigentlichen,
wenigstens allen animalischen Wesen in irgendwelcher Aus-
bildung gemeinsamen Vermittler des Aeusseren und Inneren
sind die Sinnes-Organe, also das Nervensystem. Die Sinne
geniessen, wie der übrige Leib, theils sich selber: und
hierin sind sie unmittelbar bedingt durch Beschaffenheit
und eigenen Zustand; theils ihre Umgebung, die äussere
Welt, deren sie auf eine besondere und mannigfache Weise
theilhaftig sind und inne werden, sie als angenehm oder
als widrig empfindend, wo denn das bejahende Gefühl oder
das Gefallen und das verneinende oder Missfallen ent-
sprechende Bewegungen nicht verursachen, sondern sind:
übergehend in eigentliche Willens-Aeusserungen als Be-
wegungen, welche durch die efferenten Nervenfasern die
Muskeln contrahiren. Man muss entweder die Ursachen
der Bewegungen als Bewegungen erforschen, und dies setzt
eine Erklärung des Lebens überhaupt und Ableitung des
einzelnen Lebens und seiner Entwicklung aus dem allge-
meinen Leben voraus; sodann aber eine Theorie der hier-
durch bedingten Nervenerregungen, wie sie in Wechsel-
wirkung mit äusseren Kräften entstehen, propagirt werden
und theils sich wiederum nach aussen mittheilen, theils
durch neue Gleichgewichtslagen der Molecüle in relative
Ruhe oder Spannungszustände übergehen. Oder aber man
hat die Geschichte und den Zusammenhang der Empfin-
dungen darzustellen, welche in der That nur die subjective
Wirklichkeit jener biologisch-objectiven Erscheinungen sind.
Jede Zelle, jedes Gewebe und Organ sind ein gewisser
Complex von in sich einigem Willen, wie er in Beziehung
auf sich selber und auf sein Aeusseres steht. Und so der
gesammte Organismus. Seine Veränderungen, sofern sie
von innen (von den Nervencentren) ausgehende Bewegungen
sind, durch welche das Leben sich erhält, sind immer auch

gungen und Abneigungen, welche als Befinden und als
Stimmungen sowohl dauernde als zeitweilige Merkmale der
Individuen ergeben. Sie werden gewöhnlich als blos körper-
liche Zustände betrachtet. In Wahrheit ist auch Alles, was
dem eigentlichen Geiste d. i. dem Denken des Menschen
gefällt, auf nachweisbare Art davon abhängig und wirkt
darauf zurück. Aber die ursprünglichen und eigentlichen,
wenigstens allen animalischen Wesen in irgendwelcher Aus-
bildung gemeinsamen Vermittler des Aeusseren und Inneren
sind die Sinnes-Organe, also das Nervensystem. Die Sinne
geniessen, wie der übrige Leib, theils sich selber: und
hierin sind sie unmittelbar bedingt durch Beschaffenheit
und eigenen Zustand; theils ihre Umgebung, die äussere
Welt, deren sie auf eine besondere und mannigfache Weise
theilhaftig sind und inne werden, sie als angenehm oder
als widrig empfindend, wo denn das bejahende Gefühl oder
das Gefallen und das verneinende oder Missfallen ent-
sprechende Bewegungen nicht verursachen, sondern sind:
übergehend in eigentliche Willens-Aeusserungen als Be-
wegungen, welche durch die efferenten Nervenfasern die
Muskeln contrahiren. Man muss entweder die Ursachen
der Bewegungen als Bewegungen erforschen, und dies setzt
eine Erklärung des Lebens überhaupt und Ableitung des
einzelnen Lebens und seiner Entwicklung aus dem allge-
meinen Leben voraus; sodann aber eine Theorie der hier-
durch bedingten Nervenerregungen, wie sie in Wechsel-
wirkung mit äusseren Kräften entstehen, propagirt werden
und theils sich wiederum nach aussen mittheilen, theils
durch neue Gleichgewichtslagen der Molecüle in relative
Ruhe oder Spannungszustände übergehen. Oder aber man
hat die Geschichte und den Zusammenhang der Empfin-
dungen darzustellen, welche in der That nur die subjective
Wirklichkeit jener biologisch-objectiven Erscheinungen sind.
Jede Zelle, jedes Gewebe und Organ sind ein gewisser
Complex von in sich einigem Willen, wie er in Beziehung
auf sich selber und auf sein Aeusseres steht. Und so der
gesammte Organismus. Seine Veränderungen, sofern sie
von innen (von den Nervencentren) ausgehende Bewegungen
sind, durch welche das Leben sich erhält, sind immer auch

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[107/0143] gungen und Abneigungen, welche als Befinden und als Stimmungen sowohl dauernde als zeitweilige Merkmale der Individuen ergeben. Sie werden gewöhnlich als blos körper- liche Zustände betrachtet. In Wahrheit ist auch Alles, was dem eigentlichen Geiste d. i. dem Denken des Menschen gefällt, auf nachweisbare Art davon abhängig und wirkt darauf zurück. Aber die ursprünglichen und eigentlichen, wenigstens allen animalischen Wesen in irgendwelcher Aus- bildung gemeinsamen Vermittler des Aeusseren und Inneren sind die Sinnes-Organe, also das Nervensystem. Die Sinne geniessen, wie der übrige Leib, theils sich selber: und hierin sind sie unmittelbar bedingt durch Beschaffenheit und eigenen Zustand; theils ihre Umgebung, die äussere Welt, deren sie auf eine besondere und mannigfache Weise theilhaftig sind und inne werden, sie als angenehm oder als widrig empfindend, wo denn das bejahende Gefühl oder das Gefallen und das verneinende oder Missfallen ent- sprechende Bewegungen nicht verursachen, sondern sind: übergehend in eigentliche Willens-Aeusserungen als Be- wegungen, welche durch die efferenten Nervenfasern die Muskeln contrahiren. Man muss entweder die Ursachen der Bewegungen als Bewegungen erforschen, und dies setzt eine Erklärung des Lebens überhaupt und Ableitung des einzelnen Lebens und seiner Entwicklung aus dem allge- meinen Leben voraus; sodann aber eine Theorie der hier- durch bedingten Nervenerregungen, wie sie in Wechsel- wirkung mit äusseren Kräften entstehen, propagirt werden und theils sich wiederum nach aussen mittheilen, theils durch neue Gleichgewichtslagen der Molecüle in relative Ruhe oder Spannungszustände übergehen. Oder aber man hat die Geschichte und den Zusammenhang der Empfin- dungen darzustellen, welche in der That nur die subjective Wirklichkeit jener biologisch-objectiven Erscheinungen sind. Jede Zelle, jedes Gewebe und Organ sind ein gewisser Complex von in sich einigem Willen, wie er in Beziehung auf sich selber und auf sein Aeusseres steht. Und so der gesammte Organismus. Seine Veränderungen, sofern sie von innen (von den Nervencentren) ausgehende Bewegungen sind, durch welche das Leben sich erhält, sind immer auch

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Zitationshilfe: Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/143>, abgerufen am 24.11.2024.