ken als Willens- wie als Bewegungs-Zustand anderen Willens- oder Bewegungs-Zuständen vorausgeht und als sie bewirkend empfunden wird, so wird an jenen nur ihre psychische, an diesen nur ihre physische Seite ins Auge gefasst, und so entsteht die Folgerung, dass die Seele (oder der Wille) auf den Körper wirke, was unmöglich ist, da sie (oder er) mit dem Körper identisch ist. Das Wahre ist in diesem Falle: insofern als jenen Gedankenproducten eine Existenz zugeschrieben werden darf (was unter gehörigem Verständ- niss durchaus zulässig ist), so wirkt ein ideell Wirkliches auf ein realiter Wirkliches: ideeller Wille auf realen Willen (da auch die Möglichkeit, bewegt zu werden, noch psychisch gedeutet werden muss); ideelle Materie auf reale Materie; als Ausdruck für den höchst complicirten physiologischen Vorgang, dass ein Quantum Energie des Gehirns durch Nerven und Muskeln in die Glieder übergeht.
§ 11.
Der Begriff der Willkür soll zuerst in drei einfachen Gestaltungen unterschieden werden, je nachdem sie sich bezieht a) auf ein freies Verhalten im Allgemeinen oder auf die Wahl eines Gegenstandes, d. i. einer Thätigkeit in Bezug darauf: diese Form heisse Bedacht. Hier werde vorgestellt, dass sich zwei von Natur feindliche Ideen be- gegnen: nämlich eine der Lust und eine des Schmerzes. In Gedanken sich darstellend ist jene ein Grund für das eine, diese ein Grund dagegen und für das andere Wollen. Sie vertragen sich in Gedanken; sie werden einander gegen- seitig dienstbar. Bedacht als Wille richtet sich auf das Schmerzhafte, welches von Natur nicht gewollt wird; aber nur um des dadurch bewirkten, daraus erfolgenden Lust- haften willen, welches also eigentlich und wirklich zu gleicher Zeit gewollt oder gewünscht wird. Einstweilen muss aber dieses nachgeben und zurücktreten, um als Hintergedanke ohne unmittelbare Kundgebung zu bleiben. So ordnet sich die Idee des Widerwillens dem Willen und die Idee des Willens dem Widerwillen unter; sie werden sich einig; der gemeinsame Sinn und Zweck, nämlich ein
ken als Willens- wie als Bewegungs-Zustand anderen Willens- oder Bewegungs-Zuständen vorausgeht und als sie bewirkend empfunden wird, so wird an jenen nur ihre psychische, an diesen nur ihre physische Seite ins Auge gefasst, und so entsteht die Folgerung, dass die Seele (oder der Wille) auf den Körper wirke, was unmöglich ist, da sie (oder er) mit dem Körper identisch ist. Das Wahre ist in diesem Falle: insofern als jenen Gedankenproducten eine Existenz zugeschrieben werden darf (was unter gehörigem Verständ- niss durchaus zulässig ist), so wirkt ein ideell Wirkliches auf ein realiter Wirkliches: ideeller Wille auf realen Willen (da auch die Möglichkeit, bewegt zu werden, noch psychisch gedeutet werden muss); ideelle Materie auf reale Materie; als Ausdruck für den höchst complicirten physiologischen Vorgang, dass ein Quantum Energie des Gehirns durch Nerven und Muskeln in die Glieder übergeht.
§ 11.
Der Begriff der Willkür soll zuerst in drei einfachen Gestaltungen unterschieden werden, je nachdem sie sich bezieht a) auf ein freies Verhalten im Allgemeinen oder auf die Wahl eines Gegenstandes, d. i. einer Thätigkeit in Bezug darauf: diese Form heisse Bedacht. Hier werde vorgestellt, dass sich zwei von Natur feindliche Ideen be- gegnen: nämlich eine der Lust und eine des Schmerzes. In Gedanken sich darstellend ist jene ein Grund für das eine, diese ein Grund dagegen und für das andere Wollen. Sie vertragen sich in Gedanken; sie werden einander gegen- seitig dienstbar. Bedacht als Wille richtet sich auf das Schmerzhafte, welches von Natur nicht gewollt wird; aber nur um des dadurch bewirkten, daraus erfolgenden Lust- haften willen, welches also eigentlich und wirklich zu gleicher Zeit gewollt oder gewünscht wird. Einstweilen muss aber dieses nachgeben und zurücktreten, um als Hintergedanke ohne unmittelbare Kundgebung zu bleiben. So ordnet sich die Idee des Widerwillens dem Willen und die Idee des Willens dem Widerwillen unter; sie werden sich einig; der gemeinsame Sinn und Zweck, nämlich ein
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ken als Willens- wie als Bewegungs-Zustand anderen Willens-
oder Bewegungs-Zuständen vorausgeht und als sie bewirkend
empfunden wird, so wird an jenen nur ihre psychische,
an diesen nur ihre physische Seite ins Auge gefasst, und
so entsteht die Folgerung, dass die Seele (oder der Wille)
auf den Körper wirke, was unmöglich ist, da sie (oder er)
mit dem Körper identisch ist. Das Wahre ist in diesem
Falle: insofern als jenen Gedankenproducten eine Existenz
zugeschrieben werden darf (was unter gehörigem Verständ-
niss durchaus zulässig ist), so wirkt ein ideell Wirkliches
auf ein realiter Wirkliches: ideeller Wille auf realen Willen
(da auch die Möglichkeit, bewegt zu werden, noch psychisch
gedeutet werden muss); ideelle Materie auf reale Materie;
als Ausdruck für den höchst complicirten physiologischen
Vorgang, dass ein Quantum Energie des Gehirns durch
Nerven und Muskeln in die Glieder übergeht.
§ 11.
Der Begriff der Willkür soll zuerst in drei einfachen
Gestaltungen unterschieden werden, je nachdem sie sich
bezieht a) auf ein freies Verhalten im Allgemeinen oder
auf die Wahl eines Gegenstandes, d. i. einer Thätigkeit in
Bezug darauf: diese Form heisse Bedacht. Hier werde
vorgestellt, dass sich zwei von Natur feindliche Ideen be-
gegnen: nämlich eine der Lust und eine des Schmerzes.
In Gedanken sich darstellend ist jene ein Grund für das
eine, diese ein Grund dagegen und für das andere Wollen.
Sie vertragen sich in Gedanken; sie werden einander gegen-
seitig dienstbar. Bedacht als Wille richtet sich auf das
Schmerzhafte, welches von Natur nicht gewollt wird; aber
nur um des dadurch bewirkten, daraus erfolgenden Lust-
haften willen, welches also eigentlich und wirklich zu
gleicher Zeit gewollt oder gewünscht wird. Einstweilen
muss aber dieses nachgeben und zurücktreten, um als
Hintergedanke ohne unmittelbare Kundgebung zu bleiben.
So ordnet sich die Idee des Widerwillens dem Willen und
die Idee des Willens dem Widerwillen unter; sie werden
sich einig; der gemeinsame Sinn und Zweck, nämlich ein
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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/160>, abgerufen am 24.11.2024.
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