die eigene Stärke als c) Ehrgeiz zu bezeichnen. Die voll- kommenste Herrschaft aber über Dinge, und zumal über Menschen in einem bestimmten Sinne, ergibt sich durch "Wissenschaft"; in jener Ueberlegenheit, welche die Kennt- niss der Zusammenhänge, der allgemeinen Bedingungen des Geschehens und daher Voraussicht und Vorausverkündigung des Zukünftigen verleiht. So kann cc) Wissbegierde im Dienste aller übrigen Zwecke stehen, allerdings aber auch sich ablösen und durchaus auf sich selber beruhen. Auch in ihrer reinsten Gestalt bleibt sie eine Entwicklung und Art der Eitelkeit, wenn auch zuletzt Einer mit der Meinung, die er von sich selber hat, durch Bewusstheit über Höhe und Inhalt seiner Einsicht, zufrieden und glück- lich sein mag (was der berühmte Vers ausdrückt: Felix qui potuit rerum cognoscere causas). Und auf der an- deren Seite gehen Ehrgeiz und Herrschsucht unmerk- lich in einander über. Der Herrschende will geehrt werden: die äusseren Zeichen, dass man seine Macht anerkennt, fürchtet oder liebt, will er sehen und empfangen. Der Ehrgeizige will herrschen, wäre es auch nur um frei zu sein von der Herrschaft Anderer, und ihren Miteifer zu besiegen.
§ 15.
Alle diese Motive sind -- dieser Betrachtung gemäss -- nichts als leere Wünsche in Gedanken oder die instinc- tiven und unwillkürlichen Triebe oder Arten des Gefallens selber, insofern als dessen Gegenstände zu Objecten und Endzwecken des Denkens sind gemacht worden, nach welchen also die Bildung der einzelnen Willküracte ge- richtet wird und damit in einem systematischen Zusammen- hange steht; sie sind nicht, wie sie als die Qualitäten des Wesenwillens sein würden, unmittelbare Lust und Drang und in gewissem Maasse Tüchtigkeit zu bestimmter Arbeit, zu Thaten oder Werken, an deren Werth und Güte ihr eigener Werth könnte gemessen werden, und es folgt nichts aus ihnen, als dass ihr Subject viele schon vorhandene und ihm zu Gebote stehende Mittel anwenden wird, welche die
die eigene Stärke als c) Ehrgeiz zu bezeichnen. Die voll- kommenste Herrschaft aber über Dinge, und zumal über Menschen in einem bestimmten Sinne, ergibt sich durch »Wissenschaft«; in jener Ueberlegenheit, welche die Kennt- niss der Zusammenhänge, der allgemeinen Bedingungen des Geschehens und daher Voraussicht und Vorausverkündigung des Zukünftigen verleiht. So kann cc) Wissbegierde im Dienste aller übrigen Zwecke stehen, allerdings aber auch sich ablösen und durchaus auf sich selber beruhen. Auch in ihrer reinsten Gestalt bleibt sie eine Entwicklung und Art der Eitelkeit, wenn auch zuletzt Einer mit der Meinung, die er von sich selber hat, durch Bewusstheit über Höhe und Inhalt seiner Einsicht, zufrieden und glück- lich sein mag (was der berühmte Vers ausdrückt: Felix qui potuit rerum cognoscere causas). Und auf der an- deren Seite gehen Ehrgeiz und Herrschsucht unmerk- lich in einander über. Der Herrschende will geehrt werden: die äusseren Zeichen, dass man seine Macht anerkennt, fürchtet oder liebt, will er sehen und empfangen. Der Ehrgeizige will herrschen, wäre es auch nur um frei zu sein von der Herrschaft Anderer, und ihren Miteifer zu besiegen.
§ 15.
Alle diese Motive sind — dieser Betrachtung gemäss — nichts als leere Wünsche in Gedanken oder die instinc- tiven und unwillkürlichen Triebe oder Arten des Gefallens selber, insofern als dessen Gegenstände zu Objecten und Endzwecken des Denkens sind gemacht worden, nach welchen also die Bildung der einzelnen Willküracte ge- richtet wird und damit in einem systematischen Zusammen- hange steht; sie sind nicht, wie sie als die Qualitäten des Wesenwillens sein würden, unmittelbare Lust und Drang und in gewissem Maasse Tüchtigkeit zu bestimmter Arbeit, zu Thaten oder Werken, an deren Werth und Güte ihr eigener Werth könnte gemessen werden, und es folgt nichts aus ihnen, als dass ihr Subject viele schon vorhandene und ihm zu Gebote stehende Mittel anwenden wird, welche die
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><p><pbfacs="#f0170"n="134"/>
die eigene Stärke als c) Ehrgeiz zu bezeichnen. Die voll-<lb/>
kommenste <hirendition="#g">Herrschaft</hi> aber über Dinge, und zumal über<lb/>
Menschen in einem bestimmten Sinne, ergibt sich durch<lb/>
»Wissenschaft«; in jener Ueberlegenheit, welche die Kennt-<lb/>
niss der Zusammenhänge, der allgemeinen Bedingungen des<lb/>
Geschehens und daher Voraussicht und Vorausverkündigung<lb/>
des Zukünftigen verleiht. So kann cc) <hirendition="#g">Wissbegierde</hi><lb/>
im Dienste aller übrigen Zwecke stehen, allerdings aber<lb/>
auch sich ablösen und durchaus auf sich selber beruhen.<lb/>
Auch in ihrer reinsten Gestalt bleibt sie eine Entwicklung<lb/>
und Art der Eitelkeit, wenn auch zuletzt Einer mit der<lb/>
Meinung, die er von sich selber hat, durch Bewusstheit<lb/>
über Höhe und Inhalt seiner Einsicht, zufrieden und glück-<lb/>
lich sein mag (was der berühmte Vers ausdrückt: <hirendition="#i">Felix<lb/>
qui potuit rerum cognoscere causas</hi>). Und auf der an-<lb/>
deren Seite gehen Ehrgeiz und <hirendition="#g">Herrschsucht</hi> unmerk-<lb/>
lich in einander über. Der Herrschende will geehrt werden:<lb/>
die äusseren Zeichen, dass man seine Macht anerkennt,<lb/>
fürchtet oder liebt, will er sehen und empfangen. Der<lb/>
Ehrgeizige will herrschen, wäre es auch nur um frei zu<lb/>
sein von der Herrschaft Anderer, und ihren Miteifer zu<lb/>
besiegen.</p></div></div><lb/><divn="3"><head>§ 15.</head><lb/><p>Alle diese Motive sind — dieser Betrachtung gemäss<lb/>— nichts als leere Wünsche in Gedanken oder die instinc-<lb/>
tiven und unwillkürlichen Triebe oder Arten des Gefallens<lb/>
selber, insofern als dessen Gegenstände zu Objecten und<lb/>
Endzwecken des Denkens sind gemacht worden, nach<lb/>
welchen also die Bildung der einzelnen Willküracte ge-<lb/>
richtet wird und damit in einem systematischen Zusammen-<lb/>
hange steht; sie sind nicht, wie sie als die Qualitäten des<lb/>
Wesenwillens sein würden, unmittelbare Lust und Drang<lb/>
und in gewissem Maasse Tüchtigkeit zu bestimmter Arbeit,<lb/>
zu Thaten oder Werken, an deren Werth und Güte ihr<lb/>
eigener Werth könnte gemessen werden, und es folgt nichts<lb/>
aus ihnen, als dass ihr Subject viele schon vorhandene und<lb/>
ihm zu Gebote stehende Mittel anwenden wird, welche die<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[134/0170]
die eigene Stärke als c) Ehrgeiz zu bezeichnen. Die voll-
kommenste Herrschaft aber über Dinge, und zumal über
Menschen in einem bestimmten Sinne, ergibt sich durch
»Wissenschaft«; in jener Ueberlegenheit, welche die Kennt-
niss der Zusammenhänge, der allgemeinen Bedingungen des
Geschehens und daher Voraussicht und Vorausverkündigung
des Zukünftigen verleiht. So kann cc) Wissbegierde
im Dienste aller übrigen Zwecke stehen, allerdings aber
auch sich ablösen und durchaus auf sich selber beruhen.
Auch in ihrer reinsten Gestalt bleibt sie eine Entwicklung
und Art der Eitelkeit, wenn auch zuletzt Einer mit der
Meinung, die er von sich selber hat, durch Bewusstheit
über Höhe und Inhalt seiner Einsicht, zufrieden und glück-
lich sein mag (was der berühmte Vers ausdrückt: Felix
qui potuit rerum cognoscere causas). Und auf der an-
deren Seite gehen Ehrgeiz und Herrschsucht unmerk-
lich in einander über. Der Herrschende will geehrt werden:
die äusseren Zeichen, dass man seine Macht anerkennt,
fürchtet oder liebt, will er sehen und empfangen. Der
Ehrgeizige will herrschen, wäre es auch nur um frei zu
sein von der Herrschaft Anderer, und ihren Miteifer zu
besiegen.
§ 15.
Alle diese Motive sind — dieser Betrachtung gemäss
— nichts als leere Wünsche in Gedanken oder die instinc-
tiven und unwillkürlichen Triebe oder Arten des Gefallens
selber, insofern als dessen Gegenstände zu Objecten und
Endzwecken des Denkens sind gemacht worden, nach
welchen also die Bildung der einzelnen Willküracte ge-
richtet wird und damit in einem systematischen Zusammen-
hange steht; sie sind nicht, wie sie als die Qualitäten des
Wesenwillens sein würden, unmittelbare Lust und Drang
und in gewissem Maasse Tüchtigkeit zu bestimmter Arbeit,
zu Thaten oder Werken, an deren Werth und Güte ihr
eigener Werth könnte gemessen werden, und es folgt nichts
aus ihnen, als dass ihr Subject viele schon vorhandene und
ihm zu Gebote stehende Mittel anwenden wird, welche die
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 134. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/170>, abgerufen am 21.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.