unbeschränkter oder doch über die Antheile hinausgehender Haftung der Genossen, sind zwar ganz und gar aus beson- deren Contracten ableitbar, müssen aber in Wirklichkeit, um leben zu können (ebenso wie die analoge offene Ge- sellschaft), vielmehr auf Gemeinschafts-Verhältnissen der Mit- glieder beruhen, sind also dadurch dem gesellschaftlichen Rechte unangemessen, was die Erfahrung bestätigt. Sie be- hält entweder ihren Charakter als freie Person: dies wird für ihre Theilhaber unerträglich; oder sie verliert ihn und sinkt zu einer blossen Societät herab, alsdann fällt sie unter die frühere Betrachtung. Die Actien-Gesellschaft da- gegen, welche nur für sich selber haftet, und zumal in ihrer natürlichen und fast ausschliesslichen Beschränkung auf Zwecke des Profitmachens, ist der vollkommene Typus aller durch Willkür möglichen socialen Rechtsbildungen; eben da- rum, weil eine gesellschaftliche Verbindung ohne alle Bei- mischung gemeinschaftlicher Elemente, selbst ihrer Entstehung nach, als welche sonst so oft über die wirkliche Beschaffenheit dieser Dinge das Urtheil täuscht. Die Allgemeinheit aber einer Form der Actien-Gesellschaft, in welcher die Antheile Mengen von Arbeit anstatt Mengen von Kapital sein würden, müsste die kapitalistische Productionsweise umschlagen und damit die Production von Waaren überhaupt aufheben.
unbeschränkter oder doch über die Antheile hinausgehender Haftung der Genossen, sind zwar ganz und gar aus beson- deren Contracten ableitbar, müssen aber in Wirklichkeit, um leben zu können (ebenso wie die analoge offene Ge- sellschaft), vielmehr auf Gemeinschafts-Verhältnissen der Mit- glieder beruhen, sind also dadurch dem gesellschaftlichen Rechte unangemessen, was die Erfahrung bestätigt. Sie be- hält entweder ihren Charakter als freie Person: dies wird für ihre Theilhaber unerträglich; oder sie verliert ihn und sinkt zu einer blossen Societät herab, alsdann fällt sie unter die frühere Betrachtung. Die Actien-Gesellschaft da- gegen, welche nur für sich selber haftet, und zumal in ihrer natürlichen und fast ausschliesslichen Beschränkung auf Zwecke des Profitmachens, ist der vollkommene Typus aller durch Willkür möglichen socialen Rechtsbildungen; eben da- rum, weil eine gesellschaftliche Verbindung ohne alle Bei- mischung gemeinschaftlicher Elemente, selbst ihrer Entstehung nach, als welche sonst so oft über die wirkliche Beschaffenheit dieser Dinge das Urtheil täuscht. Die Allgemeinheit aber einer Form der Actien-Gesellschaft, in welcher die Antheile Mengen von Arbeit anstatt Mengen von Kapital sein würden, müsste die kapitalistische Productionsweise umschlagen und damit die Production von Waaren überhaupt aufheben.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0270"n="234"/>
unbeschränkter oder doch über die Antheile hinausgehender<lb/>
Haftung der Genossen, sind zwar ganz und gar aus <hirendition="#g">beson-<lb/>
deren</hi> Contracten ableitbar, müssen aber in Wirklichkeit,<lb/>
um leben zu können (ebenso wie die analoge offene Ge-<lb/>
sellschaft), vielmehr auf Gemeinschafts-Verhältnissen der Mit-<lb/>
glieder beruhen, sind also dadurch dem gesellschaftlichen<lb/>
Rechte unangemessen, was die Erfahrung bestätigt. Sie be-<lb/>
hält entweder ihren Charakter als freie Person: dies wird<lb/>
für ihre Theilhaber unerträglich; oder sie verliert ihn und<lb/>
sinkt zu einer blossen Societät herab, alsdann fällt sie unter<lb/>
die frühere Betrachtung. Die <hirendition="#g">Actien-Gesellschaft</hi> da-<lb/>
gegen, welche nur für sich selber haftet, und zumal in ihrer<lb/>
natürlichen und fast ausschliesslichen Beschränkung auf<lb/>
Zwecke des Profitmachens, ist der vollkommene Typus aller<lb/>
durch Willkür möglichen socialen Rechtsbildungen; eben da-<lb/>
rum, weil eine gesellschaftliche Verbindung ohne alle Bei-<lb/>
mischung gemeinschaftlicher Elemente, selbst ihrer Entstehung<lb/>
nach, als welche sonst so oft über die wirkliche Beschaffenheit<lb/>
dieser Dinge das Urtheil täuscht. Die Allgemeinheit aber<lb/>
einer Form der Actien-Gesellschaft, in welcher die Antheile<lb/>
Mengen von Arbeit anstatt Mengen von Kapital sein würden,<lb/>
müsste die kapitalistische Productionsweise umschlagen und<lb/>
damit die Production von Waaren überhaupt aufheben.</p></div></div><lb/><milestonerendition="#hr"unit="section"/></div></body></text></TEI>
[234/0270]
unbeschränkter oder doch über die Antheile hinausgehender
Haftung der Genossen, sind zwar ganz und gar aus beson-
deren Contracten ableitbar, müssen aber in Wirklichkeit,
um leben zu können (ebenso wie die analoge offene Ge-
sellschaft), vielmehr auf Gemeinschafts-Verhältnissen der Mit-
glieder beruhen, sind also dadurch dem gesellschaftlichen
Rechte unangemessen, was die Erfahrung bestätigt. Sie be-
hält entweder ihren Charakter als freie Person: dies wird
für ihre Theilhaber unerträglich; oder sie verliert ihn und
sinkt zu einer blossen Societät herab, alsdann fällt sie unter
die frühere Betrachtung. Die Actien-Gesellschaft da-
gegen, welche nur für sich selber haftet, und zumal in ihrer
natürlichen und fast ausschliesslichen Beschränkung auf
Zwecke des Profitmachens, ist der vollkommene Typus aller
durch Willkür möglichen socialen Rechtsbildungen; eben da-
rum, weil eine gesellschaftliche Verbindung ohne alle Bei-
mischung gemeinschaftlicher Elemente, selbst ihrer Entstehung
nach, als welche sonst so oft über die wirkliche Beschaffenheit
dieser Dinge das Urtheil täuscht. Die Allgemeinheit aber
einer Form der Actien-Gesellschaft, in welcher die Antheile
Mengen von Arbeit anstatt Mengen von Kapital sein würden,
müsste die kapitalistische Productionsweise umschlagen und
damit die Production von Waaren überhaupt aufheben.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/270>, abgerufen am 26.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.