auf andere Weise evident werden, aber eigentlich wahr- nehmbar nur, wenn er in ein Wort verwandelt und dadurch ausgedrückt worden ist. Das Wort wird gegeben anstatt der Sache. Es hat für den Empfänger den Werth der- selben in dem Maasse, als die Verbindung von Wort und Sache eine nothwendige, also die Erlangung für ihn gewiss ist. Es hat keinen Werth als "Pfand"; denn es kann weder genossen noch als Sache für sich verkauft werden. Aber es ist gleich der ideellen Hingabe der Sache selber; der Empfänger hat das vollkommene Recht auf die Sache erworben, das Einzige, was er ausser durch seinen eigenen Willen (dessen actuelle Macht den natürlichen Grund des thatsächlichen Eigenthums ausmachen würde) haben kann: nämlich durch den allgemeinen, den gesellschaftlichen Willen; denn die Gesellschaft, unfähig, jeden Fall zu prüfen, präsumirt für Hingabe als bedingt durch Austausch, und für Austausch von Aequivalenten: dies will nichts Anderes sagen, als dass in der richtig begriffenen Gesellschaft nicht blos der actuelle Zustand eines Jeden, sondern auch jeder Austausch und folglich jedes Versprechen als dem Willen Aller gemäss gültig, d. h. als rechtmässig gedacht wird, mithin als bindend. Zuerst aber erfordert es die Einwilli- gung des Empfängers; denn nur mit seinem Willen kann eine Sache, die ihm gehört (aus dem Grunde des Tausches als dem allein denkbaren), in den Händen des Anderen bleiben. Seine Einwilligung kann als ein eigenes Ver- sprechen, dass er sie ihm bis zum Termine lassen und nicht entreissen wolle, gedeutet werden. Wenn aber im Allge- meinen jedes Versprechen als auf künftige Hingabe eines Tauschgegenstandes bezüglich gedacht wird, so ist sie viel- mehr gleich einer gegenwärtigen Hingabe auf gemessene Zeit, zu einem Eigenthume, welches nur durch den Contract- willen bedingt, als "Schuld" des Inhabers in Bezug auf seinen "Gläubiger" ein negatives Eigenthum darstellt, näm- lich die Nothwendigkeit, das Geschuldete an einem bestimmten Zeittermine herauszugeben, während positives Eigenthum im gesellschaftlichen Sinne, vielmehr die absolute (ungebundene) Freiheit ist, über seine Sache bis in un- begrenzte Zeit und in Bezug auf Jeden zu verfügen. Auch
auf andere Weise evident werden, aber eigentlich wahr- nehmbar nur, wenn er in ein Wort verwandelt und dadurch ausgedrückt worden ist. Das Wort wird gegeben anstatt der Sache. Es hat für den Empfänger den Werth der- selben in dem Maasse, als die Verbindung von Wort und Sache eine nothwendige, also die Erlangung für ihn gewiss ist. Es hat keinen Werth als »Pfand«; denn es kann weder genossen noch als Sache für sich verkauft werden. Aber es ist gleich der ideellen Hingabe der Sache selber; der Empfänger hat das vollkommene Recht auf die Sache erworben, das Einzige, was er ausser durch seinen eigenen Willen (dessen actuelle Macht den natürlichen Grund des thatsächlichen Eigenthums ausmachen würde) haben kann: nämlich durch den allgemeinen, den gesellschaftlichen Willen; denn die Gesellschaft, unfähig, jeden Fall zu prüfen, präsumirt für Hingabe als bedingt durch Austausch, und für Austausch von Aequivalenten: dies will nichts Anderes sagen, als dass in der richtig begriffenen Gesellschaft nicht blos der actuelle Zustand eines Jeden, sondern auch jeder Austausch und folglich jedes Versprechen als dem Willen Aller gemäss gültig, d. h. als rechtmässig gedacht wird, mithin als bindend. Zuerst aber erfordert es die Einwilli- gung des Empfängers; denn nur mit seinem Willen kann eine Sache, die ihm gehört (aus dem Grunde des Tausches als dem allein denkbaren), in den Händen des Anderen bleiben. Seine Einwilligung kann als ein eigenes Ver- sprechen, dass er sie ihm bis zum Termine lassen und nicht entreissen wolle, gedeutet werden. Wenn aber im Allge- meinen jedes Versprechen als auf künftige Hingabe eines Tauschgegenstandes bezüglich gedacht wird, so ist sie viel- mehr gleich einer gegenwärtigen Hingabe auf gemessene Zeit, zu einem Eigenthume, welches nur durch den Contract- willen bedingt, als »Schuld« des Inhabers in Bezug auf seinen »Gläubiger« ein negatives Eigenthum darstellt, näm- lich die Nothwendigkeit, das Geschuldete an einem bestimmten Zeittermine herauszugeben, während positives Eigenthum im gesellschaftlichen Sinne, vielmehr die absolute (ungebundene) Freiheit ist, über seine Sache bis in un- begrenzte Zeit und in Bezug auf Jeden zu verfügen. Auch
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[55/0091]
auf andere Weise evident werden, aber eigentlich wahr-
nehmbar nur, wenn er in ein Wort verwandelt und dadurch
ausgedrückt worden ist. Das Wort wird gegeben anstatt
der Sache. Es hat für den Empfänger den Werth der-
selben in dem Maasse, als die Verbindung von Wort und
Sache eine nothwendige, also die Erlangung für ihn gewiss
ist. Es hat keinen Werth als »Pfand«; denn es kann
weder genossen noch als Sache für sich verkauft werden.
Aber es ist gleich der ideellen Hingabe der Sache selber;
der Empfänger hat das vollkommene Recht auf die Sache
erworben, das Einzige, was er ausser durch seinen eigenen
Willen (dessen actuelle Macht den natürlichen Grund des
thatsächlichen Eigenthums ausmachen würde) haben
kann: nämlich durch den allgemeinen, den gesellschaftlichen
Willen; denn die Gesellschaft, unfähig, jeden Fall zu prüfen,
präsumirt für Hingabe als bedingt durch Austausch, und
für Austausch von Aequivalenten: dies will nichts Anderes
sagen, als dass in der richtig begriffenen Gesellschaft nicht
blos der actuelle Zustand eines Jeden, sondern auch jeder
Austausch und folglich jedes Versprechen als dem Willen
Aller gemäss gültig, d. h. als rechtmässig gedacht wird,
mithin als bindend. Zuerst aber erfordert es die Einwilli-
gung des Empfängers; denn nur mit seinem Willen kann
eine Sache, die ihm gehört (aus dem Grunde des Tausches
als dem allein denkbaren), in den Händen des Anderen
bleiben. Seine Einwilligung kann als ein eigenes Ver-
sprechen, dass er sie ihm bis zum Termine lassen und nicht
entreissen wolle, gedeutet werden. Wenn aber im Allge-
meinen jedes Versprechen als auf künftige Hingabe eines
Tauschgegenstandes bezüglich gedacht wird, so ist sie viel-
mehr gleich einer gegenwärtigen Hingabe auf gemessene
Zeit, zu einem Eigenthume, welches nur durch den Contract-
willen bedingt, als »Schuld« des Inhabers in Bezug auf
seinen »Gläubiger« ein negatives Eigenthum darstellt, näm-
lich die Nothwendigkeit, das Geschuldete an einem
bestimmten Zeittermine herauszugeben, während positives
Eigenthum im gesellschaftlichen Sinne, vielmehr die absolute
(ungebundene) Freiheit ist, über seine Sache bis in un-
begrenzte Zeit und in Bezug auf Jeden zu verfügen. Auch
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Tönnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Berlin, 1887, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/toennies_gemeinschaft_1887/91>, abgerufen am 21.11.2024.
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