Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Trakl, Georg: Gedichte. Leipzig, 1913.

Bild:
<< vorherige Seite
IM DORF
1.
Aus braunen Mauern tritt ein Dorf, ein Feld.
Ein Hirt verwest auf einem alten Stein.
Der Saum des Walds schließt blaue Tiere ein,
Das sanfte Laub, das in die Stille fällt.
Der Bauern braune Stirnen. Lange tönt
Die Abendglocke; schön ist frommer Brauch,
Des Heilands schwarzes Haupt im Dornenstrauch
Die kühle Stube, die der Tod versöhnt.
Wie bleich die Mütter sind. Die Bläue sinkt
Auf Glas und Truh, die stolz ihr Sinn bewahrt;
Auch neigt ein weißes Haupt sich hochbejahrt
Aufs Enkelkind, das Milch und Sterne trinkt.
2.
Der Arme, der im Geiste einsam starb,
Steigt wächsern über einen alten Pfad.
Die Apfelbäume sinken kahl und stad
Ins Farbige ihrer Frucht, die schwarz verdarb.
Noch immer wölbt das Dach aus dürrem Stroh
Sich übern Schlaf der Kühe. Die blinde Magd
Erscheint im Hof; ein blaues Wasser klagt;
Ein Pferdeschädel starrt vom morschen Tor.
Der Idiot spricht dunklen Sinns ein Wort
Der Liebe, das im schwarzen Busch verhallt,
Wo jene steht in schmaler Traumgestalt.
Der Abend tönt in feuchter Bläue fort.
IM DORF
1.
Aus braunen Mauern tritt ein Dorf, ein Feld.
Ein Hirt verwest auf einem alten Stein.
Der Saum des Walds schließt blaue Tiere ein,
Das sanfte Laub, das in die Stille fällt.
Der Bauern braune Stirnen. Lange tönt
Die Abendglocke; schön ist frommer Brauch,
Des Heilands schwarzes Haupt im Dornenstrauch
Die kühle Stube, die der Tod versöhnt.
Wie bleich die Mütter sind. Die Bläue sinkt
Auf Glas und Truh, die stolz ihr Sinn bewahrt;
Auch neigt ein weißes Haupt sich hochbejahrt
Aufs Enkelkind, das Milch und Sterne trinkt.
2.
Der Arme, der im Geiste einsam starb,
Steigt wächsern über einen alten Pfad.
Die Apfelbäume sinken kahl und stad
Ins Farbige ihrer Frucht, die schwarz verdarb.
Noch immer wölbt das Dach aus dürrem Stroh
Sich übern Schlaf der Kühe. Die blinde Magd
Erscheint im Hof; ein blaues Wasser klagt;
Ein Pferdeschädel starrt vom morschen Tor.
Der Idiot spricht dunklen Sinns ein Wort
Der Liebe, das im schwarzen Busch verhallt,
Wo jene steht in schmaler Traumgestalt.
Der Abend tönt in feuchter Bläue fort.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <pb facs="#f0053" n="55"/>
      <div n="1">
        <lg type="poem">
          <head>IM DORF</head><lb/>
          <lg n="1">
            <head>1.</head><lb/>
            <lg n="1">
              <l>Aus braunen Mauern tritt ein Dorf, ein Feld.</l><lb/>
              <l>Ein Hirt verwest auf einem alten Stein.</l><lb/>
              <l>Der Saum des Walds schließt blaue Tiere ein,</l><lb/>
              <l>Das sanfte Laub, das in die Stille fällt.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Der Bauern braune Stirnen. Lange tönt</l><lb/>
              <l>Die Abendglocke; schön ist frommer Brauch,</l><lb/>
              <l>Des Heilands schwarzes Haupt im Dornenstrauch</l><lb/>
              <l>Die kühle Stube, die der Tod versöhnt.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Wie bleich die Mütter sind. Die Bläue sinkt</l><lb/>
              <l>Auf Glas und Truh, die stolz ihr Sinn bewahrt;</l><lb/>
              <l>Auch neigt ein weißes Haupt sich hochbejahrt</l><lb/>
              <l>Aufs Enkelkind, das Milch und Sterne trinkt.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
          <lg n="2">
            <head>2.</head><lb/>
            <lg n="1">
              <l>Der Arme, der im Geiste einsam starb,</l><lb/>
              <l>Steigt wächsern über einen alten Pfad.</l><lb/>
              <l>Die Apfelbäume sinken kahl und stad</l><lb/>
              <l>Ins Farbige ihrer Frucht, die schwarz verdarb.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="2">
              <l>Noch immer wölbt das Dach aus dürrem Stroh</l><lb/>
              <l>Sich übern Schlaf der Kühe. Die blinde Magd</l><lb/>
              <l>Erscheint im Hof; ein blaues Wasser klagt;</l><lb/>
              <l>Ein Pferdeschädel starrt vom morschen Tor.</l><lb/>
            </lg>
            <lg n="3">
              <l>Der Idiot spricht dunklen Sinns ein Wort</l><lb/>
              <l>Der Liebe, das im schwarzen Busch verhallt,</l><lb/>
              <l>Wo jene steht in schmaler Traumgestalt.</l><lb/>
              <l>Der Abend tönt in feuchter Bläue fort.</l><lb/>
            </lg>
          </lg>
        </lg>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[55/0053] IM DORF 1. Aus braunen Mauern tritt ein Dorf, ein Feld. Ein Hirt verwest auf einem alten Stein. Der Saum des Walds schließt blaue Tiere ein, Das sanfte Laub, das in die Stille fällt. Der Bauern braune Stirnen. Lange tönt Die Abendglocke; schön ist frommer Brauch, Des Heilands schwarzes Haupt im Dornenstrauch Die kühle Stube, die der Tod versöhnt. Wie bleich die Mütter sind. Die Bläue sinkt Auf Glas und Truh, die stolz ihr Sinn bewahrt; Auch neigt ein weißes Haupt sich hochbejahrt Aufs Enkelkind, das Milch und Sterne trinkt. 2. Der Arme, der im Geiste einsam starb, Steigt wächsern über einen alten Pfad. Die Apfelbäume sinken kahl und stad Ins Farbige ihrer Frucht, die schwarz verdarb. Noch immer wölbt das Dach aus dürrem Stroh Sich übern Schlaf der Kühe. Die blinde Magd Erscheint im Hof; ein blaues Wasser klagt; Ein Pferdeschädel starrt vom morschen Tor. Der Idiot spricht dunklen Sinns ein Wort Der Liebe, das im schwarzen Busch verhallt, Wo jene steht in schmaler Traumgestalt. Der Abend tönt in feuchter Bläue fort.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2013-03-14T09:09:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-03-14T09:09:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat. (2013-03-14T09:09:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/trakl_gedichte_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/trakl_gedichte_1913/53
Zitationshilfe: Trakl, Georg: Gedichte. Leipzig, 1913, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/trakl_gedichte_1913/53>, abgerufen am 24.11.2024.