Traun, Julius von der [d. i. Alexander Julius Schindler]: Der Gebirgspfarrer. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 21. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 121–156. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.Der Weg wird schlechter. Da ist er etwas gefährlich, seien Sie auf Ihrer Hut! Ich will langsam gehen. Man wagt sein Leben; daß der Graukopf gerade heute sterben will! Geben Sie Acht, hier ist's schmal, daß Sie nicht in die Abgründe fahren! Ich sage dir, Meßner, der Alte ist schon lange todt, und wir gehen umsonst. Kann sein, aber die Pflicht! Der Alte ist gewiß todt, kehren wir um. Sie wollen mich auf die Probe stellen, ich kehre eben so wenig um als Sie, ich bin zu fromm. Der Henker hole die -- Herr Pfarrer, Sie glitschen -- sehen Sie doch auf den Weg. Ich zittre. Verdammte Pflicht, die mich stundenweit in einem Wetter treibt, in das man keinen Hund hinausjagen sollte. Mir brechen fast die Kniee. -- Bin ich darum Geistlicher geworden, um wie ein Wilddieb mein Leben zu wagen? mußte ich darum von Jugend auf die heißesten Wünsche meines Herzens unterdrücken, um im Alter bei Schnee und Sturm einer sichern warmen Stube zu entbehren? Wie leicht falle ich hinab, breche das Genick, und wer giebt mir dann die letzte Wegzehrung! Possen, es muß ja nicht sein. -- Meßner, es ist mein ernster Wille, ich kehre um. Der Meßner dachte sich: du willst mich prüfen, aber ich gebe dir keine Blöße. Ohne dem Pfarrer eine Der Weg wird schlechter. Da ist er etwas gefährlich, seien Sie auf Ihrer Hut! Ich will langsam gehen. Man wagt sein Leben; daß der Graukopf gerade heute sterben will! Geben Sie Acht, hier ist's schmal, daß Sie nicht in die Abgründe fahren! Ich sage dir, Meßner, der Alte ist schon lange todt, und wir gehen umsonst. Kann sein, aber die Pflicht! Der Alte ist gewiß todt, kehren wir um. Sie wollen mich auf die Probe stellen, ich kehre eben so wenig um als Sie, ich bin zu fromm. Der Henker hole die — Herr Pfarrer, Sie glitschen — sehen Sie doch auf den Weg. Ich zittre. Verdammte Pflicht, die mich stundenweit in einem Wetter treibt, in das man keinen Hund hinausjagen sollte. Mir brechen fast die Kniee. — Bin ich darum Geistlicher geworden, um wie ein Wilddieb mein Leben zu wagen? mußte ich darum von Jugend auf die heißesten Wünsche meines Herzens unterdrücken, um im Alter bei Schnee und Sturm einer sichern warmen Stube zu entbehren? Wie leicht falle ich hinab, breche das Genick, und wer giebt mir dann die letzte Wegzehrung! Possen, es muß ja nicht sein. — Meßner, es ist mein ernster Wille, ich kehre um. Der Meßner dachte sich: du willst mich prüfen, aber ich gebe dir keine Blöße. Ohne dem Pfarrer eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <pb facs="#f0032"/> <p>Der Weg wird schlechter.</p><lb/> <p>Da ist er etwas gefährlich, seien Sie auf Ihrer Hut!</p><lb/> <p>Ich will langsam gehen. Man wagt sein Leben; daß der Graukopf gerade heute sterben will!</p><lb/> <p>Geben Sie Acht, hier ist's schmal, daß Sie nicht in die Abgründe fahren!</p><lb/> <p>Ich sage dir, Meßner, der Alte ist schon lange todt, und wir gehen umsonst.</p><lb/> <p>Kann sein, aber die Pflicht!</p><lb/> <p>Der Alte ist gewiß todt, kehren wir um.</p><lb/> <p>Sie wollen mich auf die Probe stellen, ich kehre eben so wenig um als Sie, ich bin zu fromm.</p><lb/> <p>Der Henker hole die —</p><lb/> <p>Herr Pfarrer, Sie glitschen — sehen Sie doch auf den Weg.</p><lb/> <p>Ich zittre. Verdammte Pflicht, die mich stundenweit in einem Wetter treibt, in das man keinen Hund hinausjagen sollte. Mir brechen fast die Kniee. — Bin ich darum Geistlicher geworden, um wie ein Wilddieb mein Leben zu wagen? mußte ich darum von Jugend auf die heißesten Wünsche meines Herzens unterdrücken, um im Alter bei Schnee und Sturm einer sichern warmen Stube zu entbehren? Wie leicht falle ich hinab, breche das Genick, und wer giebt mir dann die letzte Wegzehrung! Possen, es muß ja nicht sein. — Meßner, es ist mein ernster Wille, ich kehre um.</p><lb/> <p>Der Meßner dachte sich: du willst mich prüfen, aber ich gebe dir keine Blöße. Ohne dem Pfarrer eine<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [0032]
Der Weg wird schlechter.
Da ist er etwas gefährlich, seien Sie auf Ihrer Hut!
Ich will langsam gehen. Man wagt sein Leben; daß der Graukopf gerade heute sterben will!
Geben Sie Acht, hier ist's schmal, daß Sie nicht in die Abgründe fahren!
Ich sage dir, Meßner, der Alte ist schon lange todt, und wir gehen umsonst.
Kann sein, aber die Pflicht!
Der Alte ist gewiß todt, kehren wir um.
Sie wollen mich auf die Probe stellen, ich kehre eben so wenig um als Sie, ich bin zu fromm.
Der Henker hole die —
Herr Pfarrer, Sie glitschen — sehen Sie doch auf den Weg.
Ich zittre. Verdammte Pflicht, die mich stundenweit in einem Wetter treibt, in das man keinen Hund hinausjagen sollte. Mir brechen fast die Kniee. — Bin ich darum Geistlicher geworden, um wie ein Wilddieb mein Leben zu wagen? mußte ich darum von Jugend auf die heißesten Wünsche meines Herzens unterdrücken, um im Alter bei Schnee und Sturm einer sichern warmen Stube zu entbehren? Wie leicht falle ich hinab, breche das Genick, und wer giebt mir dann die letzte Wegzehrung! Possen, es muß ja nicht sein. — Meßner, es ist mein ernster Wille, ich kehre um.
Der Meßner dachte sich: du willst mich prüfen, aber ich gebe dir keine Blöße. Ohne dem Pfarrer eine
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription.
(2017-03-16T12:38:41Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas, Benjamin Fiechter: Bearbeitung der digitalen Edition.
(2017-03-16T12:38:41Z)
Weitere Informationen:Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |