Metzgerthor auf den Namen der Dreikaiserschlacht; in Paris sollte eine Trajanssäule den Ruhm des Imperators verherrlichen.
Auf der Rückreise in München empfing Napoleon die unterthänige Danksagung des neuen Baiernkönigs, feierte die Vermählung seines Stief- sohnes mit einer Tochter des Wittelsbachers und vernahm befriedigt, wie Max Joseph dem jubelnden Volke die angebliche Wiederherstellung der angestammten, ursprünglichen bairischen Königswürde ankündigte: alle Baiern sollten fortan die blauweiße Kokarde tragen "um sich gleichsam als Brüder zu erkennen und im Auslande die ihnen gebührende Aus- zeichnung zu erhalten". Der Erzkanzler Dalberg eilte herbei zur Ein- segnung der Neuvermählten. Der Vielgewandte hatte während des Krieges in einer Aufwallung patriotischer Gefühle ein verworrenes Manifest an den deutschen Adel gerichtet und wehmüthig gefragt: "sollte der Name Deutschland, der Name deutsche Nation, der Name eines Volksstamms erlöschen, der ehemals den römischen Koloß besiegte?" Er mußte jetzt harte Scheltworte hören weil er sich unterstanden "den deutschen Geist aufzu- wecken". Um den Gewaltigen ganz zu versöhnen ernannte er bald darauf den Oheim Napoleons, Cardinal Fesch, zu seinem Coadjutor; die komische Person des Hauses Bonaparte, ein Corse, der kein Wort deutsch verstand, sollte also demnächst den vornehmsten Fürstenstuhl Deutschlands besteigen. Um dieselbe Zeit vermählte sich der badische Thronfolger mit Stephanie Beauharnais. Seinem Schwager Murat aber hatte Napoleon das preu- ßische Cleve und das Herzogthum Berg zugedacht, das, einem alten Münchener Plane gemäß, jetzt von Baiern gegen Ansbach ausgetauscht wurde. Also hielt die Familie Bonaparte ihren fröhlichen Einzug in die Reihen des hohen Adels deutscher Nation; der deutsche Fürstenstand erkannte die Gleichberechtigung der "vierten Dynastie Frankreichs" förmlich an.
Unterdessen traf Napoleon alle Anstalten um die Krone Preußen zur Annahme des Schönbrunner Vertrags zu zwingen. Die große Armee und die süddeutschen Truppen rückten gegen den Main vor, andere Corps wurden in Rassau und Holland bis dicht an Preußens Grenzen vor- geschoben. Als der Imperator nach Frankreich ging, ließ er Berthier in München, seine Pferde in Straßburg zurück; "schnell wie der Blitz" wollte er jederzeit zurückkehren um zugleich vom Westen und Süden her seine Schaaren in Preußen einbrechen zu lassen. So standen die Dinge als Haugwitz nach langsamer Reise heimkehrte; er schmeichelte sich, durch seinen Schönbrunner Vertrag den Staat gerettet zu haben. Sollte der König den pflichtvergessenen Unterhändler für seine unerhörte Eigenmacht durch schimpfliche Entlassung strafen und mit dem Schwerte in der Faust die Herrschaft über Norddeutschland, zusammt Hannover, das thatsächlich in Preußens Händen war, behaupten -- oder dies Hannover als ein Geschenk aus Napoleons Händen entgegennehmen und dafür Cleve und Ansbach abtreten, ein Schutz- und Trutzbündniß mit Frankreich schließen und sich
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Friede von Preßburg.
Metzgerthor auf den Namen der Dreikaiſerſchlacht; in Paris ſollte eine Trajansſäule den Ruhm des Imperators verherrlichen.
Auf der Rückreiſe in München empfing Napoleon die unterthänige Dankſagung des neuen Baiernkönigs, feierte die Vermählung ſeines Stief- ſohnes mit einer Tochter des Wittelsbachers und vernahm befriedigt, wie Max Joſeph dem jubelnden Volke die angebliche Wiederherſtellung der angeſtammten, urſprünglichen bairiſchen Königswürde ankündigte: alle Baiern ſollten fortan die blauweiße Kokarde tragen „um ſich gleichſam als Brüder zu erkennen und im Auslande die ihnen gebührende Aus- zeichnung zu erhalten“. Der Erzkanzler Dalberg eilte herbei zur Ein- ſegnung der Neuvermählten. Der Vielgewandte hatte während des Krieges in einer Aufwallung patriotiſcher Gefühle ein verworrenes Manifeſt an den deutſchen Adel gerichtet und wehmüthig gefragt: „ſollte der Name Deutſchland, der Name deutſche Nation, der Name eines Volksſtamms erlöſchen, der ehemals den römiſchen Koloß beſiegte?“ Er mußte jetzt harte Scheltworte hören weil er ſich unterſtanden „den deutſchen Geiſt aufzu- wecken“. Um den Gewaltigen ganz zu verſöhnen ernannte er bald darauf den Oheim Napoleons, Cardinal Feſch, zu ſeinem Coadjutor; die komiſche Perſon des Hauſes Bonaparte, ein Corſe, der kein Wort deutſch verſtand, ſollte alſo demnächſt den vornehmſten Fürſtenſtuhl Deutſchlands beſteigen. Um dieſelbe Zeit vermählte ſich der badiſche Thronfolger mit Stephanie Beauharnais. Seinem Schwager Murat aber hatte Napoleon das preu- ßiſche Cleve und das Herzogthum Berg zugedacht, das, einem alten Münchener Plane gemäß, jetzt von Baiern gegen Ansbach ausgetauſcht wurde. Alſo hielt die Familie Bonaparte ihren fröhlichen Einzug in die Reihen des hohen Adels deutſcher Nation; der deutſche Fürſtenſtand erkannte die Gleichberechtigung der „vierten Dynaſtie Frankreichs“ förmlich an.
Unterdeſſen traf Napoleon alle Anſtalten um die Krone Preußen zur Annahme des Schönbrunner Vertrags zu zwingen. Die große Armee und die ſüddeutſchen Truppen rückten gegen den Main vor, andere Corps wurden in Raſſau und Holland bis dicht an Preußens Grenzen vor- geſchoben. Als der Imperator nach Frankreich ging, ließ er Berthier in München, ſeine Pferde in Straßburg zurück; „ſchnell wie der Blitz“ wollte er jederzeit zurückkehren um zugleich vom Weſten und Süden her ſeine Schaaren in Preußen einbrechen zu laſſen. So ſtanden die Dinge als Haugwitz nach langſamer Reiſe heimkehrte; er ſchmeichelte ſich, durch ſeinen Schönbrunner Vertrag den Staat gerettet zu haben. Sollte der König den pflichtvergeſſenen Unterhändler für ſeine unerhörte Eigenmacht durch ſchimpfliche Entlaſſung ſtrafen und mit dem Schwerte in der Fauſt die Herrſchaft über Norddeutſchland, zuſammt Hannover, das thatſächlich in Preußens Händen war, behaupten — oder dies Hannover als ein Geſchenk aus Napoleons Händen entgegennehmen und dafür Cleve und Ansbach abtreten, ein Schutz- und Trutzbündniß mit Frankreich ſchließen und ſich
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Metzgerthor auf den Namen der Dreikaiſerſchlacht; in Paris ſollte eine
Trajansſäule den Ruhm des Imperators verherrlichen.
Auf der Rückreiſe in München empfing Napoleon die unterthänige
Dankſagung des neuen Baiernkönigs, feierte die Vermählung ſeines Stief-
ſohnes mit einer Tochter des Wittelsbachers und vernahm befriedigt, wie
Max Joſeph dem jubelnden Volke die angebliche Wiederherſtellung der
angeſtammten, urſprünglichen bairiſchen Königswürde ankündigte: alle
Baiern ſollten fortan die blauweiße Kokarde tragen „um ſich gleichſam
als Brüder zu erkennen und im Auslande die ihnen gebührende Aus-
zeichnung zu erhalten“. Der Erzkanzler Dalberg eilte herbei zur Ein-
ſegnung der Neuvermählten. Der Vielgewandte hatte während des Krieges
in einer Aufwallung patriotiſcher Gefühle ein verworrenes Manifeſt an
den deutſchen Adel gerichtet und wehmüthig gefragt: „ſollte der Name
Deutſchland, der Name deutſche Nation, der Name eines Volksſtamms
erlöſchen, der ehemals den römiſchen Koloß beſiegte?“ Er mußte jetzt harte
Scheltworte hören weil er ſich unterſtanden „den deutſchen Geiſt aufzu-
wecken“. Um den Gewaltigen ganz zu verſöhnen ernannte er bald darauf
den Oheim Napoleons, Cardinal Feſch, zu ſeinem Coadjutor; die komiſche
Perſon des Hauſes Bonaparte, ein Corſe, der kein Wort deutſch verſtand,
ſollte alſo demnächſt den vornehmſten Fürſtenſtuhl Deutſchlands beſteigen.
Um dieſelbe Zeit vermählte ſich der badiſche Thronfolger mit Stephanie
Beauharnais. Seinem Schwager Murat aber hatte Napoleon das preu-
ßiſche Cleve und das Herzogthum Berg zugedacht, das, einem alten
Münchener Plane gemäß, jetzt von Baiern gegen Ansbach ausgetauſcht
wurde. Alſo hielt die Familie Bonaparte ihren fröhlichen Einzug in die
Reihen des hohen Adels deutſcher Nation; der deutſche Fürſtenſtand erkannte
die Gleichberechtigung der „vierten Dynaſtie Frankreichs“ förmlich an.
Unterdeſſen traf Napoleon alle Anſtalten um die Krone Preußen zur
Annahme des Schönbrunner Vertrags zu zwingen. Die große Armee
und die ſüddeutſchen Truppen rückten gegen den Main vor, andere Corps
wurden in Raſſau und Holland bis dicht an Preußens Grenzen vor-
geſchoben. Als der Imperator nach Frankreich ging, ließ er Berthier in
München, ſeine Pferde in Straßburg zurück; „ſchnell wie der Blitz“ wollte
er jederzeit zurückkehren um zugleich vom Weſten und Süden her ſeine
Schaaren in Preußen einbrechen zu laſſen. So ſtanden die Dinge als
Haugwitz nach langſamer Reiſe heimkehrte; er ſchmeichelte ſich, durch ſeinen
Schönbrunner Vertrag den Staat gerettet zu haben. Sollte der König
den pflichtvergeſſenen Unterhändler für ſeine unerhörte Eigenmacht durch
ſchimpfliche Entlaſſung ſtrafen und mit dem Schwerte in der Fauſt die
Herrſchaft über Norddeutſchland, zuſammt Hannover, das thatſächlich in
Preußens Händen war, behaupten — oder dies Hannover als ein Geſchenk
aus Napoleons Händen entgegennehmen und dafür Cleve und Ansbach
abtreten, ein Schutz- und Trutzbündniß mit Frankreich ſchließen und ſich
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 227. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/243>, abgerufen am 23.11.2024.
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