Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879.I. 2. Revolution und Fremdherrschaft. auch die Niederlegung der Krone noch zu einem einträglichen Handels-geschäfte zu verwerthen. "Der Zeitpunkt zur Abtretung der Kaiserwürde -- so schrieb er -- ist jener, wo die Vortheile, die aus solcher für meine Monarchie entspringen, durch die Nachtheile, die durch eine fernere Bei- behaltung derselben entstehen könnten, überwogen werden." Darum solle Graf Metternich nach Paris eilen um dort "die Kaiserwürde recht hoch anzurechnen und keine Abneigung zur Abtretung der gedachten Würde, vielmehr eine Bereitwilligkeit hierzu, jedoch nur gegen große für meine Monarchie zu erhaltende Vortheile merken zu lassen". Mit solchen Ge- sinnungen nahm der letzte römisch-deutsche Kaiser Abschied von dem Purpur der Salier und der Staufer. Der altgewohnte Phrasenschwall von reichs- väterlicher Treue und reichsoberhauptlicher Fürsorge verfing nicht mehr; die Politik des Hauses Oesterreich bekannte endlich mit dürren Worten, wie sie zu Deutschland stand. Aber das geplante Handelsgeschäft miß- lang. Als Metternich in Paris eintraf, war die Rheinbundsakte bereits abgeschlossen. Der deutsche Kaiser stand der vollendeten Thatsache gegen- über und mußte noch erleben, daß in Regensburg Napoleon und seine Vasallen die förmliche Aufhebung des Reiches aussprachen. Dem Reichstage war inzwischen durch einen der treuesten Reichs- In den alten Jahrhunderten der Gewalt und der Roheit blieb ein letztes I. 2. Revolution und Fremdherrſchaft. auch die Niederlegung der Krone noch zu einem einträglichen Handels-geſchäfte zu verwerthen. „Der Zeitpunkt zur Abtretung der Kaiſerwürde — ſo ſchrieb er — iſt jener, wo die Vortheile, die aus ſolcher für meine Monarchie entſpringen, durch die Nachtheile, die durch eine fernere Bei- behaltung derſelben entſtehen könnten, überwogen werden.“ Darum ſolle Graf Metternich nach Paris eilen um dort „die Kaiſerwürde recht hoch anzurechnen und keine Abneigung zur Abtretung der gedachten Würde, vielmehr eine Bereitwilligkeit hierzu, jedoch nur gegen große für meine Monarchie zu erhaltende Vortheile merken zu laſſen“. Mit ſolchen Ge- ſinnungen nahm der letzte römiſch-deutſche Kaiſer Abſchied von dem Purpur der Salier und der Staufer. Der altgewohnte Phraſenſchwall von reichs- väterlicher Treue und reichsoberhauptlicher Fürſorge verfing nicht mehr; die Politik des Hauſes Oeſterreich bekannte endlich mit dürren Worten, wie ſie zu Deutſchland ſtand. Aber das geplante Handelsgeſchäft miß- lang. Als Metternich in Paris eintraf, war die Rheinbundsakte bereits abgeſchloſſen. Der deutſche Kaiſer ſtand der vollendeten Thatſache gegen- über und mußte noch erleben, daß in Regensburg Napoleon und ſeine Vaſallen die förmliche Aufhebung des Reiches ausſprachen. Dem Reichstage war inzwiſchen durch einen der treueſten Reichs- In den alten Jahrhunderten der Gewalt und der Roheit blieb ein letztes <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0250" n="234"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> 2. 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Als in Paris die<lb/> Vorbereitungen zur Stiftung des Rheinbundes getroffen wurden, ließ<lb/> Dalberg vorſorglich die Regensburger Verſammlung in die Ferien reiſen.<lb/> Am 1. Auguſt erklärten dann acht Geſandte im Namen der rheinbündiſchen<lb/> Fürſten, daß ihre durchlauchtigen Herren es „ihrer Würde und der Rein-<lb/> heit ihrer Zwecke angemeſſen“ fänden, ſich feierlich loszuſagen von dem<lb/> heiligen Reiche, das in der That ſchon aufgelöſt ſei; ſie ſtellten ſich unter<lb/> „den mächtigen Schutz des Monarchen, deſſen Abſichten ſich ſtets mit dem<lb/> wahren Intereſſe Deutſchlands übereinſtimmend gezeigt haben“. Gleich-<lb/> zeitig verkündete der franzöſiſche Geſandte, Napoleon erkenne das Reich<lb/> nicht mehr an, das längſt ſchon nur ein Schatten ſeiner ſelbſt geweſen.</p><lb/> <p>In den alten Jahrhunderten der Gewalt und der Roheit blieb ein letztes<lb/> Gefühl der Scham den Germanen immer unverloren; der Mörder mied<lb/> die Nähe ſeines Opfers, weil er fürchtete das rothe Blut wieder aus den<lb/> Wunden des Leichnams hervorbrechen zu ſehen. Anders empfand dies<lb/> neue vorurtheilsfreie Geſchlecht; als die Erklärung vom 1. Auguſt ver-<lb/> leſen wurde, da waren im Reichstage faſt allein die Geſandten der Rhein-<lb/> bundshöfe, die den alten deutſchen Staat vernichtet hatten, zugegen. Ohne<lb/> weitere Verhandlungen ging der Reichstag auseinander. Darauf legte<lb/> Kaiſer Franz durch ein kühl und farblos gehaltenes Manifeſt vom 6. Auguſt<lb/> die deutſche Krone nieder und erklärte zugleich, dem Rechte zuwider, „das<lb/></p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [234/0250]
I. 2. Revolution und Fremdherrſchaft.
auch die Niederlegung der Krone noch zu einem einträglichen Handels-
geſchäfte zu verwerthen. „Der Zeitpunkt zur Abtretung der Kaiſerwürde
— ſo ſchrieb er — iſt jener, wo die Vortheile, die aus ſolcher für meine
Monarchie entſpringen, durch die Nachtheile, die durch eine fernere Bei-
behaltung derſelben entſtehen könnten, überwogen werden.“ Darum ſolle
Graf Metternich nach Paris eilen um dort „die Kaiſerwürde recht hoch
anzurechnen und keine Abneigung zur Abtretung der gedachten Würde,
vielmehr eine Bereitwilligkeit hierzu, jedoch nur gegen große für meine
Monarchie zu erhaltende Vortheile merken zu laſſen“. Mit ſolchen Ge-
ſinnungen nahm der letzte römiſch-deutſche Kaiſer Abſchied von dem Purpur
der Salier und der Staufer. Der altgewohnte Phraſenſchwall von reichs-
väterlicher Treue und reichsoberhauptlicher Fürſorge verfing nicht mehr;
die Politik des Hauſes Oeſterreich bekannte endlich mit dürren Worten,
wie ſie zu Deutſchland ſtand. Aber das geplante Handelsgeſchäft miß-
lang. Als Metternich in Paris eintraf, war die Rheinbundsakte bereits
abgeſchloſſen. Der deutſche Kaiſer ſtand der vollendeten Thatſache gegen-
über und mußte noch erleben, daß in Regensburg Napoleon und ſeine
Vaſallen die förmliche Aufhebung des Reiches ausſprachen.
Dem Reichstage war inzwiſchen durch einen der treueſten Reichs-
ſtände noch die letzte Beſchimpfung geboten worden; der Heißſporn des
Royalismus, König Guſtav von Schweden, rief ſeinen Geſandten ab, denn
es ſei unter ſeiner Würde theilzunehmen an Beſchlüſſen, die unter dem
Einfluß der Uſurpation und des Egoismus ſtänden. Als in Paris die
Vorbereitungen zur Stiftung des Rheinbundes getroffen wurden, ließ
Dalberg vorſorglich die Regensburger Verſammlung in die Ferien reiſen.
Am 1. Auguſt erklärten dann acht Geſandte im Namen der rheinbündiſchen
Fürſten, daß ihre durchlauchtigen Herren es „ihrer Würde und der Rein-
heit ihrer Zwecke angemeſſen“ fänden, ſich feierlich loszuſagen von dem
heiligen Reiche, das in der That ſchon aufgelöſt ſei; ſie ſtellten ſich unter
„den mächtigen Schutz des Monarchen, deſſen Abſichten ſich ſtets mit dem
wahren Intereſſe Deutſchlands übereinſtimmend gezeigt haben“. Gleich-
zeitig verkündete der franzöſiſche Geſandte, Napoleon erkenne das Reich
nicht mehr an, das längſt ſchon nur ein Schatten ſeiner ſelbſt geweſen.
In den alten Jahrhunderten der Gewalt und der Roheit blieb ein letztes
Gefühl der Scham den Germanen immer unverloren; der Mörder mied
die Nähe ſeines Opfers, weil er fürchtete das rothe Blut wieder aus den
Wunden des Leichnams hervorbrechen zu ſehen. Anders empfand dies
neue vorurtheilsfreie Geſchlecht; als die Erklärung vom 1. Auguſt ver-
leſen wurde, da waren im Reichstage faſt allein die Geſandten der Rhein-
bundshöfe, die den alten deutſchen Staat vernichtet hatten, zugegen. Ohne
weitere Verhandlungen ging der Reichstag auseinander. Darauf legte
Kaiſer Franz durch ein kühl und farblos gehaltenes Manifeſt vom 6. Auguſt
die deutſche Krone nieder und erklärte zugleich, dem Rechte zuwider, „das
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