toria und der gänzlichen Befreiung Spaniens wirkten ermuthigend auf die Hofburg. Napoleon war unterdessen nach Mainz gegangen, auf Frank- reichs classischen Boden, wie er das linke Rheinufer zu nennen pflegte. Noch einmal hielt er dort großen Hoftag; Dalberg und die Fürsten von Baden, Darmstadt, Nassau überbrachten persönlich ihre unterthänigen Glückwünsche zu den Siegen des Frühjahrs. Er freute sich an dem An- blick seiner herrlichen Truppen und kehrte dann nach Dresden zurück mit dem stolzen Bewußtsein, daß er wieder stark genug sei um der Welt Ge- setze zu geben. Im Rausche seines Stolzes that er geflissentlich Alles was den vermittelnden Hof beleidigen und verletzen mußte, also daß Kaiser Franz zuletzt geradezu durch die gekränkte Fürstenehre genöthigt ward mit dem Schwiegersohne zu brechen.
Die Gesandten der Alliirten in Prag, Anstett und Humboldt, hatten Beide sehr beschränkte Vollmacht und waren insgeheim Beide entschlossen den Verhandlungen jedes mögliche Hinderniß in den Weg zu legen. Nie- mand war für eine solche Aufgabe besser geeignet als Humboldt, der Meister aller dialektischen Künste; auch er fühlte sich ergriffen von der Begeisterung der Zeit, so weit seine kühle Natur dazu fähig war, und legte willig seine gelehrten Arbeiten zur Seite um einmal ganz der Politik zu leben. Napoleons Hochmuth überhob ihn jedoch aller Anstrengung. Mehrere Tage lang mußte er mit Anstett warten bevor ein französischer Bevollmächtigter eintraf; endlich erschien Narbonne, aber ohne genügende Beglaubigung. Wieder vergingen einige Tage bis Caulaincourt am 28. Juli ankam. Dann begann ein Austausch von diplomatischen Noten über die Form der Verhandlungen; die französischen Bevollmächtigten warfen dabei mit hämischen Bemerkungen nach allen Seiten hin um sich und setzten den leeren Formenstreit hartnäckig fort bis zum letzten Tage der Waffenruhe, dergestalt daß auf diesem wunderlichsten aller Congresse nicht einmal eine gemeinsame Sitzung der Bevollmächtigten stattfinden konnte.
Der offenbare Hohn, der aus dem Auftreten der Franzosen sprach, sagte dem österreichischen Minister genug. Er fühlte, daß sein Hof nicht mehr zurück konnte und traf in der Stille seine Maßregeln um dem Kaiser- hause einen reichen Kriegslohn zu sichern. Noch während des Congresses wurde zu Prag am 27. Juli mit dem altbefreundeten England eine geheime Vereinbarung geschlossen, wonach Oesterreich das Königreich Italien und Illyrien erhalten sollte; der König von Sardinien erhielt sein Erbe zurück, Mittelitalien zusammt Genua wurde unter den Erzherzögen der öster- reichischen Vetterschaft aufgetheilt; Sicilien blieb dem von England be- schützten Bourbonen. Ja England versprach sogar im Voraus Alles gut- zuheißen was Oesterreich auf der Halbinsel thun würde*). Die Absicht
*) Der Wortlaut dieses Vertrags ist noch unbekannt. Sein wesentlicher Inhalt
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Prager Congreß.
toria und der gänzlichen Befreiung Spaniens wirkten ermuthigend auf die Hofburg. Napoleon war unterdeſſen nach Mainz gegangen, auf Frank- reichs claſſiſchen Boden, wie er das linke Rheinufer zu nennen pflegte. Noch einmal hielt er dort großen Hoftag; Dalberg und die Fürſten von Baden, Darmſtadt, Naſſau überbrachten perſönlich ihre unterthänigen Glückwünſche zu den Siegen des Frühjahrs. Er freute ſich an dem An- blick ſeiner herrlichen Truppen und kehrte dann nach Dresden zurück mit dem ſtolzen Bewußtſein, daß er wieder ſtark genug ſei um der Welt Ge- ſetze zu geben. Im Rauſche ſeines Stolzes that er gefliſſentlich Alles was den vermittelnden Hof beleidigen und verletzen mußte, alſo daß Kaiſer Franz zuletzt geradezu durch die gekränkte Fürſtenehre genöthigt ward mit dem Schwiegerſohne zu brechen.
Die Geſandten der Alliirten in Prag, Anſtett und Humboldt, hatten Beide ſehr beſchränkte Vollmacht und waren insgeheim Beide entſchloſſen den Verhandlungen jedes mögliche Hinderniß in den Weg zu legen. Nie- mand war für eine ſolche Aufgabe beſſer geeignet als Humboldt, der Meiſter aller dialektiſchen Künſte; auch er fühlte ſich ergriffen von der Begeiſterung der Zeit, ſo weit ſeine kühle Natur dazu fähig war, und legte willig ſeine gelehrten Arbeiten zur Seite um einmal ganz der Politik zu leben. Napoleons Hochmuth überhob ihn jedoch aller Anſtrengung. Mehrere Tage lang mußte er mit Anſtett warten bevor ein franzöſiſcher Bevollmächtigter eintraf; endlich erſchien Narbonne, aber ohne genügende Beglaubigung. Wieder vergingen einige Tage bis Caulaincourt am 28. Juli ankam. Dann begann ein Austauſch von diplomatiſchen Noten über die Form der Verhandlungen; die franzöſiſchen Bevollmächtigten warfen dabei mit hämiſchen Bemerkungen nach allen Seiten hin um ſich und ſetzten den leeren Formenſtreit hartnäckig fort bis zum letzten Tage der Waffenruhe, dergeſtalt daß auf dieſem wunderlichſten aller Congreſſe nicht einmal eine gemeinſame Sitzung der Bevollmächtigten ſtattfinden konnte.
Der offenbare Hohn, der aus dem Auftreten der Franzoſen ſprach, ſagte dem öſterreichiſchen Miniſter genug. Er fühlte, daß ſein Hof nicht mehr zurück konnte und traf in der Stille ſeine Maßregeln um dem Kaiſer- hauſe einen reichen Kriegslohn zu ſichern. Noch während des Congreſſes wurde zu Prag am 27. Juli mit dem altbefreundeten England eine geheime Vereinbarung geſchloſſen, wonach Oeſterreich das Königreich Italien und Illyrien erhalten ſollte; der König von Sardinien erhielt ſein Erbe zurück, Mittelitalien zuſammt Genua wurde unter den Erzherzögen der öſter- reichiſchen Vetterſchaft aufgetheilt; Sicilien blieb dem von England be- ſchützten Bourbonen. Ja England verſprach ſogar im Voraus Alles gut- zuheißen was Oeſterreich auf der Halbinſel thun würde*). Die Abſicht
*) Der Wortlaut dieſes Vertrags iſt noch unbekannt. Sein weſentlicher Inhalt
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Prager Congreß.
toria und der gänzlichen Befreiung Spaniens wirkten ermuthigend auf die
Hofburg. Napoleon war unterdeſſen nach Mainz gegangen, auf Frank-
reichs claſſiſchen Boden, wie er das linke Rheinufer zu nennen pflegte.
Noch einmal hielt er dort großen Hoftag; Dalberg und die Fürſten von
Baden, Darmſtadt, Naſſau überbrachten perſönlich ihre unterthänigen
Glückwünſche zu den Siegen des Frühjahrs. Er freute ſich an dem An-
blick ſeiner herrlichen Truppen und kehrte dann nach Dresden zurück mit
dem ſtolzen Bewußtſein, daß er wieder ſtark genug ſei um der Welt Ge-
ſetze zu geben. Im Rauſche ſeines Stolzes that er gefliſſentlich Alles was
den vermittelnden Hof beleidigen und verletzen mußte, alſo daß Kaiſer
Franz zuletzt geradezu durch die gekränkte Fürſtenehre genöthigt ward mit
dem Schwiegerſohne zu brechen.
Die Geſandten der Alliirten in Prag, Anſtett und Humboldt, hatten
Beide ſehr beſchränkte Vollmacht und waren insgeheim Beide entſchloſſen
den Verhandlungen jedes mögliche Hinderniß in den Weg zu legen. Nie-
mand war für eine ſolche Aufgabe beſſer geeignet als Humboldt, der
Meiſter aller dialektiſchen Künſte; auch er fühlte ſich ergriffen von der
Begeiſterung der Zeit, ſo weit ſeine kühle Natur dazu fähig war, und
legte willig ſeine gelehrten Arbeiten zur Seite um einmal ganz der Politik
zu leben. Napoleons Hochmuth überhob ihn jedoch aller Anſtrengung.
Mehrere Tage lang mußte er mit Anſtett warten bevor ein franzöſiſcher
Bevollmächtigter eintraf; endlich erſchien Narbonne, aber ohne genügende
Beglaubigung. Wieder vergingen einige Tage bis Caulaincourt am
28. Juli ankam. Dann begann ein Austauſch von diplomatiſchen Noten
über die Form der Verhandlungen; die franzöſiſchen Bevollmächtigten
warfen dabei mit hämiſchen Bemerkungen nach allen Seiten hin um ſich
und ſetzten den leeren Formenſtreit hartnäckig fort bis zum letzten Tage
der Waffenruhe, dergeſtalt daß auf dieſem wunderlichſten aller Congreſſe
nicht einmal eine gemeinſame Sitzung der Bevollmächtigten ſtattfinden
konnte.
Der offenbare Hohn, der aus dem Auftreten der Franzoſen ſprach,
ſagte dem öſterreichiſchen Miniſter genug. Er fühlte, daß ſein Hof nicht
mehr zurück konnte und traf in der Stille ſeine Maßregeln um dem Kaiſer-
hauſe einen reichen Kriegslohn zu ſichern. Noch während des Congreſſes
wurde zu Prag am 27. Juli mit dem altbefreundeten England eine geheime
Vereinbarung geſchloſſen, wonach Oeſterreich das Königreich Italien und
Illyrien erhalten ſollte; der König von Sardinien erhielt ſein Erbe zurück,
Mittelitalien zuſammt Genua wurde unter den Erzherzögen der öſter-
reichiſchen Vetterſchaft aufgetheilt; Sicilien blieb dem von England be-
ſchützten Bourbonen. Ja England verſprach ſogar im Voraus Alles gut-
zuheißen was Oeſterreich auf der Halbinſel thun würde *). Die Abſicht
*) Der Wortlaut dieſes Vertrags iſt noch unbekannt. Sein weſentlicher Inhalt
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 467. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/483>, abgerufen am 22.11.2024.
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