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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879.

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Kriegsrüstungen.
keit eines Krieges zu erwägen. Die Erbitterung im preußischen Volke
stieg zusehends. Eine Adresse aus Berlin stellte dem Könige die Kräfte
des Landes für den gerechten Kampf zur Verfügung, und Stägemann
sang zürnend:

Die Fahne Brandenburgs, mein Lied,
die schwinge noch einmal,
und noch einmal, erzürnt Gemüth,
ergreif' den tapfern Stahl! ...
Die Hunde Frankreichs, noch nicht heil
von Wunden uns'rer Jagd --
auf, Kugelblitz, auf, Lanzenpfeil! --
die Hunde wollen Schlacht!

Man erfuhr durch Goltz, *) daß die französische Armee, auf Talley-
rands Antrag, in der Stille verstärkt wurde. Man hörte von dem Plane,
die sächsischen Truppen, welche unter preußischem Oberbefehle nördlich der
Mosel standen, im rechten Augenblicke mit den Baiern und Oesterreichern
auf dem rechten Moselufer zu vereinigen. Unter den k. k. Generalen
zeigte Schwarzenberg die froheste Siegeszuversicht; hatte er doch im letzten
Kriege die kleinen Köpfe Blüchers und Gneisenaus genugsam verachten
gelernt. Am 16. December enthüllte Metternich dem Grafen Münster
seine Absicht einen Deutschen Bund ohne Preußen zu bilden, falls Preußen
die sächsischen Ansprüche nicht aufgebe; Oesterreich beanspruchte selbstver-
ständlich nur die bescheidene Stellung des Ersten unter Gleichen. Der
welfische Staatsmann begriff sofort: das bedeute den Krieg und die Auf-
lösung des Congresses; er war zu Allem bereit, obwohl ihm Oesterreichs
Herrschsucht und die ungünstige geographische Lage Hannovers einige
Sorgen bereiteten, und verlangte von England die Verlängerung des
Subsidienvertrages, damit das Welfenheer gerüstet werde.

Der preußische Kriegsminister traf sofort seine Anstalten für die Ge-
genwehr. Am 29. December übersendete Grolman den mit Boyen,
Gneisenau und Schöler verabredeten Kriegsplan: **) zwei große Armeen
in Sachsen und am Rhein sollten nach der guten fridericianischen Weise
den Feldzug gleichzeitig durch eine kühne Offensive eröffnen, während ein
Observationscorps Schlesien deckte. So bedrohlich erschien die Lage, daß
man über alle Bedenken der militärischen Rangordnung hinwegsah und
zu Feldherren der beiden Heere Blücher und Gneisenau vorschlug; neben
diesen komme nur noch Bülow in Betracht, da York, Kleist und Tauentzien
doch nur treffliche Corpsführer seien. Oberst Krauseneck, der in Mainz
unter dem österreichischen Gouverneur Frimont die preußische Garnison
befehligte, erhielt Auftrag, sich sofort auf gegebenen Wink der Festungs-

*) Goltzs Berichte aus Paris 24. Nov. 19. Dec. 1814.
**) Grolman an Hardenberg, 29. Dec. 1814 mit einer Denkschrift über den Ope-
rationsplan.

Kriegsrüſtungen.
keit eines Krieges zu erwägen. Die Erbitterung im preußiſchen Volke
ſtieg zuſehends. Eine Adreſſe aus Berlin ſtellte dem Könige die Kräfte
des Landes für den gerechten Kampf zur Verfügung, und Stägemann
ſang zürnend:

Die Fahne Brandenburgs, mein Lied,
die ſchwinge noch einmal,
und noch einmal, erzürnt Gemüth,
ergreif’ den tapfern Stahl! …
Die Hunde Frankreichs, noch nicht heil
von Wunden unſ’rer Jagd —
auf, Kugelblitz, auf, Lanzenpfeil! —
die Hunde wollen Schlacht!

Man erfuhr durch Goltz, *) daß die franzöſiſche Armee, auf Talley-
rands Antrag, in der Stille verſtärkt wurde. Man hörte von dem Plane,
die ſächſiſchen Truppen, welche unter preußiſchem Oberbefehle nördlich der
Moſel ſtanden, im rechten Augenblicke mit den Baiern und Oeſterreichern
auf dem rechten Moſelufer zu vereinigen. Unter den k. k. Generalen
zeigte Schwarzenberg die froheſte Siegeszuverſicht; hatte er doch im letzten
Kriege die kleinen Köpfe Blüchers und Gneiſenaus genugſam verachten
gelernt. Am 16. December enthüllte Metternich dem Grafen Münſter
ſeine Abſicht einen Deutſchen Bund ohne Preußen zu bilden, falls Preußen
die ſächſiſchen Anſprüche nicht aufgebe; Oeſterreich beanſpruchte ſelbſtver-
ſtändlich nur die beſcheidene Stellung des Erſten unter Gleichen. Der
welfiſche Staatsmann begriff ſofort: das bedeute den Krieg und die Auf-
löſung des Congreſſes; er war zu Allem bereit, obwohl ihm Oeſterreichs
Herrſchſucht und die ungünſtige geographiſche Lage Hannovers einige
Sorgen bereiteten, und verlangte von England die Verlängerung des
Subſidienvertrages, damit das Welfenheer gerüſtet werde.

Der preußiſche Kriegsminiſter traf ſofort ſeine Anſtalten für die Ge-
genwehr. Am 29. December überſendete Grolman den mit Boyen,
Gneiſenau und Schöler verabredeten Kriegsplan: **) zwei große Armeen
in Sachſen und am Rhein ſollten nach der guten fridericianiſchen Weiſe
den Feldzug gleichzeitig durch eine kühne Offenſive eröffnen, während ein
Obſervationscorps Schleſien deckte. So bedrohlich erſchien die Lage, daß
man über alle Bedenken der militäriſchen Rangordnung hinwegſah und
zu Feldherren der beiden Heere Blücher und Gneiſenau vorſchlug; neben
dieſen komme nur noch Bülow in Betracht, da York, Kleiſt und Tauentzien
doch nur treffliche Corpsführer ſeien. Oberſt Krauſeneck, der in Mainz
unter dem öſterreichiſchen Gouverneur Frimont die preußiſche Garniſon
befehligte, erhielt Auftrag, ſich ſofort auf gegebenen Wink der Feſtungs-

*) Goltzs Berichte aus Paris 24. Nov. 19. Dec. 1814.
**) Grolman an Hardenberg, 29. Dec. 1814 mit einer Denkſchrift über den Ope-
rationsplan.
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[649/0665] Kriegsrüſtungen. keit eines Krieges zu erwägen. Die Erbitterung im preußiſchen Volke ſtieg zuſehends. Eine Adreſſe aus Berlin ſtellte dem Könige die Kräfte des Landes für den gerechten Kampf zur Verfügung, und Stägemann ſang zürnend: Die Fahne Brandenburgs, mein Lied, die ſchwinge noch einmal, und noch einmal, erzürnt Gemüth, ergreif’ den tapfern Stahl! … Die Hunde Frankreichs, noch nicht heil von Wunden unſ’rer Jagd — auf, Kugelblitz, auf, Lanzenpfeil! — die Hunde wollen Schlacht! Man erfuhr durch Goltz, *) daß die franzöſiſche Armee, auf Talley- rands Antrag, in der Stille verſtärkt wurde. Man hörte von dem Plane, die ſächſiſchen Truppen, welche unter preußiſchem Oberbefehle nördlich der Moſel ſtanden, im rechten Augenblicke mit den Baiern und Oeſterreichern auf dem rechten Moſelufer zu vereinigen. Unter den k. k. Generalen zeigte Schwarzenberg die froheſte Siegeszuverſicht; hatte er doch im letzten Kriege die kleinen Köpfe Blüchers und Gneiſenaus genugſam verachten gelernt. Am 16. December enthüllte Metternich dem Grafen Münſter ſeine Abſicht einen Deutſchen Bund ohne Preußen zu bilden, falls Preußen die ſächſiſchen Anſprüche nicht aufgebe; Oeſterreich beanſpruchte ſelbſtver- ſtändlich nur die beſcheidene Stellung des Erſten unter Gleichen. Der welfiſche Staatsmann begriff ſofort: das bedeute den Krieg und die Auf- löſung des Congreſſes; er war zu Allem bereit, obwohl ihm Oeſterreichs Herrſchſucht und die ungünſtige geographiſche Lage Hannovers einige Sorgen bereiteten, und verlangte von England die Verlängerung des Subſidienvertrages, damit das Welfenheer gerüſtet werde. Der preußiſche Kriegsminiſter traf ſofort ſeine Anſtalten für die Ge- genwehr. Am 29. December überſendete Grolman den mit Boyen, Gneiſenau und Schöler verabredeten Kriegsplan: **) zwei große Armeen in Sachſen und am Rhein ſollten nach der guten fridericianiſchen Weiſe den Feldzug gleichzeitig durch eine kühne Offenſive eröffnen, während ein Obſervationscorps Schleſien deckte. So bedrohlich erſchien die Lage, daß man über alle Bedenken der militäriſchen Rangordnung hinwegſah und zu Feldherren der beiden Heere Blücher und Gneiſenau vorſchlug; neben dieſen komme nur noch Bülow in Betracht, da York, Kleiſt und Tauentzien doch nur treffliche Corpsführer ſeien. Oberſt Krauſeneck, der in Mainz unter dem öſterreichiſchen Gouverneur Frimont die preußiſche Garniſon befehligte, erhielt Auftrag, ſich ſofort auf gegebenen Wink der Feſtungs- *) Goltzs Berichte aus Paris 24. Nov. 19. Dec. 1814. **) Grolman an Hardenberg, 29. Dec. 1814 mit einer Denkſchrift über den Ope- rationsplan.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. Bd. 1: Bis zum zweiten Pariser Frieden. Leipzig, 1879, S. 649. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte01_1879/665>, abgerufen am 22.11.2024.