hatte, als er durch sein gehässiges Auftreten in den sächsischen Händeln den so oft erprobten Beistand Preußens verscherzte. König Max Joseph und Montgelas beschworen den preußischen Gesandten Küster, der Wiener Strei- tigkeiten zu vergessen. Der Staatskanzler erwiderte kühl: "die Zeit wird darüber entscheiden;" zeigt der bairische Hof in Zukunft freundschaftliche Gesinnungen, so wird der König unser Herr nicht unversöhnlich sein. Dann befahl er dem Gesandten, im Verein mit England und Rußland den öster- reichischen Unterhändler zu unterstützen.*)
In Altbaiern erregte die Nachricht von Oesterreichs Forderungen lei- denschaftlichen Zorn. Das Innviertel war seit Jahrhunderten, bis auf eine kurze Unterbrechung, immer wittelsbachisch gewesen, Salzburg hatte stets zum bairischen Reichskreise gehört und mit den Nachbarn im Kur- fürstenthume freundlichen Verkehr unterhalten. Und diese beiden Land- schaften mit ihrer rein bairischen Bevölkerung sollte man dahingeben für die entlegene überrheinische Pfalz, deren bewegliches, leichtlebiges Volk dem schweren altbairischen Wesen von Altersher widerwärtig war! Der alte Stammeshaß gegen die Oesterreicher regte sich wieder, die Erinnerungen an die Kämpfe von 1705 und den sagenhaften Schmied von Kochel waren in Jedermanns Munde. Den Salzburgern ward bei schwerer Strafe ver- boten, von der Abtretung des Landes auch nur zu reden. Marschall Wrede polterte und drohte, und in den Kreisen der Offiziere vernahm man die bittere Klage: "uns fehlt der Schutz Napoleons." Am Lautesten zürnte Kronprinz Ludwig; der empfand es als eine Entehrung der neuen Königs- krone, daß der Tausch seinem Hause nicht durch freien Vertrag, sondern durch den Befehl der vier Mächte aufgezwungen werden sollte. Auch die literarischen Mordbrenner der Wittelsbacher rückten wieder in's Feuer. Eine grimmige Flugschrift "Entweder -- oder", von Aretin verfaßt und durch den Prinzen Karl massenhaft verbreitet, forderte alle treuen Baiern brüllend auf, "jede Pflugschaar in ein Schwert zu verwandeln, die Zwei- herrschaft Oesterreichs und Preußens zu bekämpfen." Im Salzburgischen wurde durch die bairischen Beamten eine Petition umhergetragen, welche dem Hofe "hunderttausende von Bajonetten" freiwilliger Salzburger zur Verfügung stellte: "das Volk ist es, das durch keine Ueberbildung ent- nervt, mit üppiger Fülle des Jugendalters gerüstet ist; und das Fürsten- haus ist es, das älter als alle anderen! Sollten wir dieses von Oesterreich zu befürchten haben, welches noch kürzlich, als es sich den Absichten Preu- ßens auf Sachsen widersetzte, die edelsten und gerechtesten Grundsätze aner- kannte?" Während das Bajuvarenthum dergestalt den alten Groll gegen die norddeutsche Großmacht von Neuem ausschüttete, sagte König Max Joseph zu Küster: er hoffe auf einen nahen Krieg zwischen Oesterreich und Preußen, dann werde Baiern treu auf Preußens Seite stehen!**)
*) Küsters Bericht 2. Sept. Weisungen Hardenbergs v. 5. Okt. u. 1. Dec. 1815.
**) Küsters Bericht 25. Januar 1816.
II. 4. Die Eröffnung des Deutſchen Bundestages.
hatte, als er durch ſein gehäſſiges Auftreten in den ſächſiſchen Händeln den ſo oft erprobten Beiſtand Preußens verſcherzte. König Max Joſeph und Montgelas beſchworen den preußiſchen Geſandten Küſter, der Wiener Strei- tigkeiten zu vergeſſen. Der Staatskanzler erwiderte kühl: „die Zeit wird darüber entſcheiden;“ zeigt der bairiſche Hof in Zukunft freundſchaftliche Geſinnungen, ſo wird der König unſer Herr nicht unverſöhnlich ſein. Dann befahl er dem Geſandten, im Verein mit England und Rußland den öſter- reichiſchen Unterhändler zu unterſtützen.*)
In Altbaiern erregte die Nachricht von Oeſterreichs Forderungen lei- denſchaftlichen Zorn. Das Innviertel war ſeit Jahrhunderten, bis auf eine kurze Unterbrechung, immer wittelsbachiſch geweſen, Salzburg hatte ſtets zum bairiſchen Reichskreiſe gehört und mit den Nachbarn im Kur- fürſtenthume freundlichen Verkehr unterhalten. Und dieſe beiden Land- ſchaften mit ihrer rein bairiſchen Bevölkerung ſollte man dahingeben für die entlegene überrheiniſche Pfalz, deren bewegliches, leichtlebiges Volk dem ſchweren altbairiſchen Weſen von Altersher widerwärtig war! Der alte Stammeshaß gegen die Oeſterreicher regte ſich wieder, die Erinnerungen an die Kämpfe von 1705 und den ſagenhaften Schmied von Kochel waren in Jedermanns Munde. Den Salzburgern ward bei ſchwerer Strafe ver- boten, von der Abtretung des Landes auch nur zu reden. Marſchall Wrede polterte und drohte, und in den Kreiſen der Offiziere vernahm man die bittere Klage: „uns fehlt der Schutz Napoleons.“ Am Lauteſten zürnte Kronprinz Ludwig; der empfand es als eine Entehrung der neuen Königs- krone, daß der Tauſch ſeinem Hauſe nicht durch freien Vertrag, ſondern durch den Befehl der vier Mächte aufgezwungen werden ſollte. Auch die literariſchen Mordbrenner der Wittelsbacher rückten wieder in’s Feuer. Eine grimmige Flugſchrift „Entweder — oder“, von Aretin verfaßt und durch den Prinzen Karl maſſenhaft verbreitet, forderte alle treuen Baiern brüllend auf, „jede Pflugſchaar in ein Schwert zu verwandeln, die Zwei- herrſchaft Oeſterreichs und Preußens zu bekämpfen.“ Im Salzburgiſchen wurde durch die bairiſchen Beamten eine Petition umhergetragen, welche dem Hofe „hunderttauſende von Bajonetten“ freiwilliger Salzburger zur Verfügung ſtellte: „das Volk iſt es, das durch keine Ueberbildung ent- nervt, mit üppiger Fülle des Jugendalters gerüſtet iſt; und das Fürſten- haus iſt es, das älter als alle anderen! Sollten wir dieſes von Oeſterreich zu befürchten haben, welches noch kürzlich, als es ſich den Abſichten Preu- ßens auf Sachſen widerſetzte, die edelſten und gerechteſten Grundſätze aner- kannte?“ Während das Bajuvarenthum dergeſtalt den alten Groll gegen die norddeutſche Großmacht von Neuem ausſchüttete, ſagte König Max Joſeph zu Küſter: er hoffe auf einen nahen Krieg zwiſchen Oeſterreich und Preußen, dann werde Baiern treu auf Preußens Seite ſtehen!**)
*) Küſters Bericht 2. Sept. Weiſungen Hardenbergs v. 5. Okt. u. 1. Dec. 1815.
**) Küſters Bericht 25. Januar 1816.
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hatte, als er durch ſein gehäſſiges Auftreten in den ſächſiſchen Händeln den
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Montgelas beſchworen den preußiſchen Geſandten Küſter, der Wiener Strei-
tigkeiten zu vergeſſen. Der Staatskanzler erwiderte kühl: „die Zeit wird
darüber entſcheiden;“ zeigt der bairiſche Hof in Zukunft freundſchaftliche
Geſinnungen, ſo wird der König unſer Herr nicht unverſöhnlich ſein. Dann
befahl er dem Geſandten, im Verein mit England und Rußland den öſter-
reichiſchen Unterhändler zu unterſtützen. *)
In Altbaiern erregte die Nachricht von Oeſterreichs Forderungen lei-
denſchaftlichen Zorn. Das Innviertel war ſeit Jahrhunderten, bis auf
eine kurze Unterbrechung, immer wittelsbachiſch geweſen, Salzburg hatte
ſtets zum bairiſchen Reichskreiſe gehört und mit den Nachbarn im Kur-
fürſtenthume freundlichen Verkehr unterhalten. Und dieſe beiden Land-
ſchaften mit ihrer rein bairiſchen Bevölkerung ſollte man dahingeben für
die entlegene überrheiniſche Pfalz, deren bewegliches, leichtlebiges Volk dem
ſchweren altbairiſchen Weſen von Altersher widerwärtig war! Der alte
Stammeshaß gegen die Oeſterreicher regte ſich wieder, die Erinnerungen an
die Kämpfe von 1705 und den ſagenhaften Schmied von Kochel waren
in Jedermanns Munde. Den Salzburgern ward bei ſchwerer Strafe ver-
boten, von der Abtretung des Landes auch nur zu reden. Marſchall Wrede
polterte und drohte, und in den Kreiſen der Offiziere vernahm man die
bittere Klage: „uns fehlt der Schutz Napoleons.“ Am Lauteſten zürnte
Kronprinz Ludwig; der empfand es als eine Entehrung der neuen Königs-
krone, daß der Tauſch ſeinem Hauſe nicht durch freien Vertrag, ſondern
durch den Befehl der vier Mächte aufgezwungen werden ſollte. Auch die
literariſchen Mordbrenner der Wittelsbacher rückten wieder in’s Feuer.
Eine grimmige Flugſchrift „Entweder — oder“, von Aretin verfaßt und
durch den Prinzen Karl maſſenhaft verbreitet, forderte alle treuen Baiern
brüllend auf, „jede Pflugſchaar in ein Schwert zu verwandeln, die Zwei-
herrſchaft Oeſterreichs und Preußens zu bekämpfen.“ Im Salzburgiſchen
wurde durch die bairiſchen Beamten eine Petition umhergetragen, welche
dem Hofe „hunderttauſende von Bajonetten“ freiwilliger Salzburger zur
Verfügung ſtellte: „das Volk iſt es, das durch keine Ueberbildung ent-
nervt, mit üppiger Fülle des Jugendalters gerüſtet iſt; und das Fürſten-
haus iſt es, das älter als alle anderen! Sollten wir dieſes von Oeſterreich
zu befürchten haben, welches noch kürzlich, als es ſich den Abſichten Preu-
ßens auf Sachſen widerſetzte, die edelſten und gerechteſten Grundſätze aner-
kannte?“ Während das Bajuvarenthum dergeſtalt den alten Groll gegen
die norddeutſche Großmacht von Neuem ausſchüttete, ſagte König Max
Joſeph zu Küſter: er hoffe auf einen nahen Krieg zwiſchen Oeſterreich
und Preußen, dann werde Baiern treu auf Preußens Seite ſtehen! **)
*) Küſters Bericht 2. Sept. Weiſungen Hardenbergs v. 5. Okt. u. 1. Dec. 1815.
**) Küſters Bericht 25. Januar 1816.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 132. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/146>, abgerufen am 27.11.2024.
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