Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.Hardenberg und die Minister. Hähnel, späterhin Frau v. Kimsky genannt. Diese abgefeimte Gaunerinwar dem Fürsten zuerst auf einem Zauberabend bei Wohlfart begegnet und hatte durch ihre krampfhaften Verzückungen sein weiches Herz im Sturme erobert.*) Seitdem ließ sie ihn nicht mehr los; sie wurde der Fluch seiner alten Tage. Unerschöpflich in geheimnißvollen Krankheitserscheinungen und in den Künsten sanfter Plünderung begleitete sie ihn überall, selbst zu den Congressen der Monarchen, und ruhte nicht bis auch seine dritte Ehe, gleich den beiden ersten, getrennt wurde. Um dieselbe Zeit vermählte sich des Staatskanzlers einzige Tochter, die geschiedene Gräfin Pappenheim in überreifem Alter mit dem Virtuosen der eleganten Liederlichkeit, dem jungen Fürsten Pückler-Muskau. Der schlechte Ruf des Hardenbergischen Hauses bot den zahlreichen Spähern, welche Metternich in Berlin unterhielt, reichen Stoff, allen Feinden des Staatskanzlers eine gefährliche Waffe. Sie bemerkten schadenfroh, wie der König dem Staatsmanne, der seine weißen Haare so wenig achtete, kälter und fremder begegnete; und da der betrieb- same Koreff zuweilen auch als liberaler Schriftsteller auftrat, so bildete sich am Hofe nach und nach das Parteimärchen, Hardenbergs Verfassungs- pläne seien das Werk seiner anrüchigen plebejischen Umgebung. Wenn ein Freund den Fürsten vor diesem Gesindel warnte, dann erwiderte er lächelnd: "und wenn ich auch oft betrogen worden bin, es ist ein so herrliches Gefühl Vertrauen zu erweisen." Unter den Ministern besaß Hardenberg nur einen erklärten Gesin- *) Hardenbergs Tagebuch, Februar 1816.
Hardenberg und die Miniſter. Hähnel, ſpäterhin Frau v. Kimsky genannt. Dieſe abgefeimte Gaunerinwar dem Fürſten zuerſt auf einem Zauberabend bei Wohlfart begegnet und hatte durch ihre krampfhaften Verzückungen ſein weiches Herz im Sturme erobert.*) Seitdem ließ ſie ihn nicht mehr los; ſie wurde der Fluch ſeiner alten Tage. Unerſchöpflich in geheimnißvollen Krankheitserſcheinungen und in den Künſten ſanfter Plünderung begleitete ſie ihn überall, ſelbſt zu den Congreſſen der Monarchen, und ruhte nicht bis auch ſeine dritte Ehe, gleich den beiden erſten, getrennt wurde. Um dieſelbe Zeit vermählte ſich des Staatskanzlers einzige Tochter, die geſchiedene Gräfin Pappenheim in überreifem Alter mit dem Virtuoſen der eleganten Liederlichkeit, dem jungen Fürſten Pückler-Muskau. Der ſchlechte Ruf des Hardenbergiſchen Hauſes bot den zahlreichen Spähern, welche Metternich in Berlin unterhielt, reichen Stoff, allen Feinden des Staatskanzlers eine gefährliche Waffe. Sie bemerkten ſchadenfroh, wie der König dem Staatsmanne, der ſeine weißen Haare ſo wenig achtete, kälter und fremder begegnete; und da der betrieb- ſame Koreff zuweilen auch als liberaler Schriftſteller auftrat, ſo bildete ſich am Hofe nach und nach das Parteimärchen, Hardenbergs Verfaſſungs- pläne ſeien das Werk ſeiner anrüchigen plebejiſchen Umgebung. Wenn ein Freund den Fürſten vor dieſem Geſindel warnte, dann erwiderte er lächelnd: „und wenn ich auch oft betrogen worden bin, es iſt ein ſo herrliches Gefühl Vertrauen zu erweiſen.“ Unter den Miniſtern beſaß Hardenberg nur einen erklärten Geſin- *) Hardenbergs Tagebuch, Februar 1816.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0201" n="187"/><fw place="top" type="header">Hardenberg und die Miniſter.</fw><lb/> Hähnel, ſpäterhin Frau v. Kimsky genannt. Dieſe abgefeimte Gaunerin<lb/> war dem Fürſten zuerſt auf einem Zauberabend bei Wohlfart begegnet und<lb/> hatte durch ihre krampfhaften Verzückungen ſein weiches Herz im Sturme<lb/> erobert.<note place="foot" n="*)">Hardenbergs Tagebuch, Februar 1816.</note> Seitdem ließ ſie ihn nicht mehr los; ſie wurde der Fluch ſeiner<lb/> alten Tage. Unerſchöpflich in geheimnißvollen Krankheitserſcheinungen und<lb/> in den Künſten ſanfter Plünderung begleitete ſie ihn überall, ſelbſt zu den<lb/> Congreſſen der Monarchen, und ruhte nicht bis auch ſeine dritte Ehe,<lb/> gleich den beiden erſten, getrennt wurde. Um dieſelbe Zeit vermählte ſich<lb/> des Staatskanzlers einzige Tochter, die geſchiedene Gräfin Pappenheim in<lb/> überreifem Alter mit dem Virtuoſen der eleganten Liederlichkeit, dem jungen<lb/> Fürſten Pückler-Muskau. Der ſchlechte Ruf des Hardenbergiſchen Hauſes<lb/> bot den zahlreichen Spähern, welche Metternich in Berlin unterhielt,<lb/> reichen Stoff, allen Feinden des Staatskanzlers eine gefährliche Waffe.<lb/> Sie bemerkten ſchadenfroh, wie der König dem Staatsmanne, der ſeine weißen<lb/> Haare ſo wenig achtete, kälter und fremder begegnete; und da der betrieb-<lb/> ſame Koreff zuweilen auch als liberaler Schriftſteller auftrat, ſo bildete<lb/> ſich am Hofe nach und nach das Parteimärchen, Hardenbergs Verfaſſungs-<lb/> pläne ſeien das Werk ſeiner anrüchigen plebejiſchen Umgebung. Wenn<lb/> ein Freund den Fürſten vor dieſem Geſindel warnte, dann erwiderte er<lb/> lächelnd: „und wenn ich auch oft betrogen worden bin, es iſt ein ſo<lb/> herrliches Gefühl Vertrauen zu erweiſen.“</p><lb/> <p>Unter den Miniſtern beſaß Hardenberg nur einen erklärten Geſin-<lb/> nungsgenoſſen, Boyen, und auch dieſer dachte zu ſelbſtändig um der Führung<lb/> des Fürſten unbedingt zu folgen. Kircheiſen bewährte ſich bei der Orga-<lb/> niſation der Gerichte in den neuen Provinzen als trefflicher Fachmann<lb/> und blieb der großen Politik fern. Schuckmann dagegen, der Miniſter<lb/> des Innern, ein ſtraffer Bureaukrat, thätig, ſachkundig, herrſchſüchtig, der<lb/> Philiſter der alten Zeit, wie W. Humboldt ihn nannte, ſtand allen Re-<lb/> formplänen ebenſo argwöhniſch gegenüber wie der Polizeiminiſter Fürſt<lb/> Wittgenſtein, der Vertraute Metternichs. Wie viele Jahre hat der argloſe<lb/> Hardenberg gebraucht, bis er dieſen glatten Hofmann endlich durchſchaute,<lb/> der einſt, durch den Sturz des Miniſteriums Dohna, ihm ſelber den Weg<lb/> zur Macht geöffnet hatte und darum ſchon der treueſten Freundſchaft<lb/> würdig ſchien. Dem Monarchen war Wittgenſtein als geſchickter Ver-<lb/> walter des königlichen Hausvermögens unentbehrlich; auch an den andern<lb/> deutſchen Höfen ſtand er in hohem Anſehen, bei allen fürſtlichen Familien-<lb/> angelegenheiten zog man ihn zu Rathe, und ſogar der eigenwillige Kur-<lb/> fürſt von Heſſen hörte zuweilen auf ſeine Rathſchläge. Argloſen Beob-<lb/> achtern erſchien der verbindliche alte Herr mit ſeinen trivialen Späßchen<lb/> ſehr unſchädlich; ſelbſt ein ſo gewiegter Menſchenkenner wie der alte Heim,<lb/> der volksbeliebte erſte Arzt Berlins, ließ ſich durch die gemüthlichen Formen<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [187/0201]
Hardenberg und die Miniſter.
Hähnel, ſpäterhin Frau v. Kimsky genannt. Dieſe abgefeimte Gaunerin
war dem Fürſten zuerſt auf einem Zauberabend bei Wohlfart begegnet und
hatte durch ihre krampfhaften Verzückungen ſein weiches Herz im Sturme
erobert. *) Seitdem ließ ſie ihn nicht mehr los; ſie wurde der Fluch ſeiner
alten Tage. Unerſchöpflich in geheimnißvollen Krankheitserſcheinungen und
in den Künſten ſanfter Plünderung begleitete ſie ihn überall, ſelbſt zu den
Congreſſen der Monarchen, und ruhte nicht bis auch ſeine dritte Ehe,
gleich den beiden erſten, getrennt wurde. Um dieſelbe Zeit vermählte ſich
des Staatskanzlers einzige Tochter, die geſchiedene Gräfin Pappenheim in
überreifem Alter mit dem Virtuoſen der eleganten Liederlichkeit, dem jungen
Fürſten Pückler-Muskau. Der ſchlechte Ruf des Hardenbergiſchen Hauſes
bot den zahlreichen Spähern, welche Metternich in Berlin unterhielt,
reichen Stoff, allen Feinden des Staatskanzlers eine gefährliche Waffe.
Sie bemerkten ſchadenfroh, wie der König dem Staatsmanne, der ſeine weißen
Haare ſo wenig achtete, kälter und fremder begegnete; und da der betrieb-
ſame Koreff zuweilen auch als liberaler Schriftſteller auftrat, ſo bildete
ſich am Hofe nach und nach das Parteimärchen, Hardenbergs Verfaſſungs-
pläne ſeien das Werk ſeiner anrüchigen plebejiſchen Umgebung. Wenn
ein Freund den Fürſten vor dieſem Geſindel warnte, dann erwiderte er
lächelnd: „und wenn ich auch oft betrogen worden bin, es iſt ein ſo
herrliches Gefühl Vertrauen zu erweiſen.“
Unter den Miniſtern beſaß Hardenberg nur einen erklärten Geſin-
nungsgenoſſen, Boyen, und auch dieſer dachte zu ſelbſtändig um der Führung
des Fürſten unbedingt zu folgen. Kircheiſen bewährte ſich bei der Orga-
niſation der Gerichte in den neuen Provinzen als trefflicher Fachmann
und blieb der großen Politik fern. Schuckmann dagegen, der Miniſter
des Innern, ein ſtraffer Bureaukrat, thätig, ſachkundig, herrſchſüchtig, der
Philiſter der alten Zeit, wie W. Humboldt ihn nannte, ſtand allen Re-
formplänen ebenſo argwöhniſch gegenüber wie der Polizeiminiſter Fürſt
Wittgenſtein, der Vertraute Metternichs. Wie viele Jahre hat der argloſe
Hardenberg gebraucht, bis er dieſen glatten Hofmann endlich durchſchaute,
der einſt, durch den Sturz des Miniſteriums Dohna, ihm ſelber den Weg
zur Macht geöffnet hatte und darum ſchon der treueſten Freundſchaft
würdig ſchien. Dem Monarchen war Wittgenſtein als geſchickter Ver-
walter des königlichen Hausvermögens unentbehrlich; auch an den andern
deutſchen Höfen ſtand er in hohem Anſehen, bei allen fürſtlichen Familien-
angelegenheiten zog man ihn zu Rathe, und ſogar der eigenwillige Kur-
fürſt von Heſſen hörte zuweilen auf ſeine Rathſchläge. Argloſen Beob-
achtern erſchien der verbindliche alte Herr mit ſeinen trivialen Späßchen
ſehr unſchädlich; ſelbſt ein ſo gewiegter Menſchenkenner wie der alte Heim,
der volksbeliebte erſte Arzt Berlins, ließ ſich durch die gemüthlichen Formen
*) Hardenbergs Tagebuch, Februar 1816.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |