als im Jahre 1806 und trotzdem in Friedenszeiten, wenn man die zahl- reichen Naturalleistungen der alten Zeit zu Geld veranschlage, 2 Mill. Thlr. weniger für die Armee aufwende. Er schloß mit der energischen Erklärung: die Stärke des Heeres könne nicht allein durch finanzielle Rücksichten be- stimmt werden, sie ergebe sich aus der Weltstellung des Staates, aus der Macht und der Gesinnung seiner Nachbarn.
Auch der Staatskanzler fühlte sich durch Bülows Vorwürfe "gekränkt als Chef, Freund und naher Verwandter" und stellte den Ankläger ernstlich zur Rede. Da der erschreckte Finanzminister also seine letzte Stütze wanken sah, so lenkte er behutsam ein und weigerte sich, seine keineswegs grund- losen Klagen über Hardenbergs Nachlässigkeit bis vor den Thron zu bringen: "eher möge der König seine Ungnade auf mich werfen, eher will ich Alles in dieser Welt verlieren, als meine Seele mit Undank beladen und mit Ew. Durchlaucht in einen öffentlichen Streit gehen."*) Aber das freund- liche Verhältniß zwischen den beiden Vettern blieb gestört, Bülows Stel- lung ward täglich unhaltbarer.
Gleichzeitig führte der Staatsrath eine nicht minder stürmische Ver- handlung über die Steuerreform. Von den zwei Gesetzentwürfen, welche der Finanzminister vorlegte, fand der eine, das Zollgesetz, fast auf allen Seiten Anerkennung, während der zweite, das Gesetz über die Besteuerung im Innern des Staates, sofort mit Unwillen aufgenommen wurde. Bülow dachte außer der Gewerbe- und Stempelsteuer auch die bestehenden Grund- steuern vorläufig, bis zur Einberufung der Provinzialstände, aufrecht zu halten; die drückende alte Accise hingegen, die sich nach Einführung der Gewerbefreiheit und des Zollgesetzes ohnehin nicht mehr halten ließ, wollte er beseitigen und an ihrer Stelle eine Mahl- und Fleischsteuer für Stadt und Land, ferner Steuern auf Tabak, Bier und Branntwein einführen. Seine Vorschläge entfernten sich nicht weit von dem fridericianischen Steuer- systeme, das 70 Procent des gesammten Abgabenertrags durch indirekte Steuern aufgebracht hatte. Sie verriethen die Hand eines gewandten Prak- tikers, der ohne eigene reformatorische Gedanken lediglich die Staatskassen in der gewohnten Weise zu füllen trachtete, und erschienen der Opposition, deren Führung wieder Humboldt übernahm, um so verdächtiger, da sie von einem napoleonischen Minister herrührten und fast wörtlich mit den Ansichten übereinstimmten, welche Bülows früherer Amtsgenosse Malchus soeben in seiner Schrift über die westphälische Finanzverwaltung ausge- sprochen hatte.
Unter den preußischen Beamten, die fast allesammt bei A. Smith und Kraus in die Schule gegangen waren, standen die indirekten Steuern des Bonapartismus in üblem Rufe: hatte doch Smith die Mahlsteuer kurzweg
*) Bülow an Hardenberg, 10., 13., 14., 16. Juli; Hardenberg an Bülow, 12., 17. Juli 1817.
Bülows Steuerreformplan.
als im Jahre 1806 und trotzdem in Friedenszeiten, wenn man die zahl- reichen Naturalleiſtungen der alten Zeit zu Geld veranſchlage, 2 Mill. Thlr. weniger für die Armee aufwende. Er ſchloß mit der energiſchen Erklärung: die Stärke des Heeres könne nicht allein durch finanzielle Rückſichten be- ſtimmt werden, ſie ergebe ſich aus der Weltſtellung des Staates, aus der Macht und der Geſinnung ſeiner Nachbarn.
Auch der Staatskanzler fühlte ſich durch Bülows Vorwürfe „gekränkt als Chef, Freund und naher Verwandter“ und ſtellte den Ankläger ernſtlich zur Rede. Da der erſchreckte Finanzminiſter alſo ſeine letzte Stütze wanken ſah, ſo lenkte er behutſam ein und weigerte ſich, ſeine keineswegs grund- loſen Klagen über Hardenbergs Nachläſſigkeit bis vor den Thron zu bringen: „eher möge der König ſeine Ungnade auf mich werfen, eher will ich Alles in dieſer Welt verlieren, als meine Seele mit Undank beladen und mit Ew. Durchlaucht in einen öffentlichen Streit gehen.“*) Aber das freund- liche Verhältniß zwiſchen den beiden Vettern blieb geſtört, Bülows Stel- lung ward täglich unhaltbarer.
Gleichzeitig führte der Staatsrath eine nicht minder ſtürmiſche Ver- handlung über die Steuerreform. Von den zwei Geſetzentwürfen, welche der Finanzminiſter vorlegte, fand der eine, das Zollgeſetz, faſt auf allen Seiten Anerkennung, während der zweite, das Geſetz über die Beſteuerung im Innern des Staates, ſofort mit Unwillen aufgenommen wurde. Bülow dachte außer der Gewerbe- und Stempelſteuer auch die beſtehenden Grund- ſteuern vorläufig, bis zur Einberufung der Provinzialſtände, aufrecht zu halten; die drückende alte Acciſe hingegen, die ſich nach Einführung der Gewerbefreiheit und des Zollgeſetzes ohnehin nicht mehr halten ließ, wollte er beſeitigen und an ihrer Stelle eine Mahl- und Fleiſchſteuer für Stadt und Land, ferner Steuern auf Tabak, Bier und Branntwein einführen. Seine Vorſchläge entfernten ſich nicht weit von dem fridericianiſchen Steuer- ſyſteme, das 70 Procent des geſammten Abgabenertrags durch indirekte Steuern aufgebracht hatte. Sie verriethen die Hand eines gewandten Prak- tikers, der ohne eigene reformatoriſche Gedanken lediglich die Staatskaſſen in der gewohnten Weiſe zu füllen trachtete, und erſchienen der Oppoſition, deren Führung wieder Humboldt übernahm, um ſo verdächtiger, da ſie von einem napoleoniſchen Miniſter herrührten und faſt wörtlich mit den Anſichten übereinſtimmten, welche Bülows früherer Amtsgenoſſe Malchus ſoeben in ſeiner Schrift über die weſtphäliſche Finanzverwaltung ausge- ſprochen hatte.
Unter den preußiſchen Beamten, die faſt alleſammt bei A. Smith und Kraus in die Schule gegangen waren, ſtanden die indirekten Steuern des Bonapartismus in üblem Rufe: hatte doch Smith die Mahlſteuer kurzweg
*) Bülow an Hardenberg, 10., 13., 14., 16. Juli; Hardenberg an Bülow, 12., 17. Juli 1817.
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reichen Naturalleiſtungen der alten Zeit zu Geld veranſchlage, 2 Mill. Thlr.
weniger für die Armee aufwende. Er ſchloß mit der energiſchen Erklärung:
die Stärke des Heeres könne nicht allein durch finanzielle Rückſichten be-
ſtimmt werden, ſie ergebe ſich aus der Weltſtellung des Staates, aus der
Macht und der Geſinnung ſeiner Nachbarn.
Auch der Staatskanzler fühlte ſich durch Bülows Vorwürfe „gekränkt
als Chef, Freund und naher Verwandter“ und ſtellte den Ankläger ernſtlich
zur Rede. Da der erſchreckte Finanzminiſter alſo ſeine letzte Stütze wanken
ſah, ſo lenkte er behutſam ein und weigerte ſich, ſeine keineswegs grund-
loſen Klagen über Hardenbergs Nachläſſigkeit bis vor den Thron zu bringen:
„eher möge der König ſeine Ungnade auf mich werfen, eher will ich Alles
in dieſer Welt verlieren, als meine Seele mit Undank beladen und mit
Ew. Durchlaucht in einen öffentlichen Streit gehen.“ *) Aber das freund-
liche Verhältniß zwiſchen den beiden Vettern blieb geſtört, Bülows Stel-
lung ward täglich unhaltbarer.
Gleichzeitig führte der Staatsrath eine nicht minder ſtürmiſche Ver-
handlung über die Steuerreform. Von den zwei Geſetzentwürfen, welche
der Finanzminiſter vorlegte, fand der eine, das Zollgeſetz, faſt auf allen
Seiten Anerkennung, während der zweite, das Geſetz über die Beſteuerung
im Innern des Staates, ſofort mit Unwillen aufgenommen wurde. Bülow
dachte außer der Gewerbe- und Stempelſteuer auch die beſtehenden Grund-
ſteuern vorläufig, bis zur Einberufung der Provinzialſtände, aufrecht zu
halten; die drückende alte Acciſe hingegen, die ſich nach Einführung der
Gewerbefreiheit und des Zollgeſetzes ohnehin nicht mehr halten ließ, wollte
er beſeitigen und an ihrer Stelle eine Mahl- und Fleiſchſteuer für Stadt
und Land, ferner Steuern auf Tabak, Bier und Branntwein einführen.
Seine Vorſchläge entfernten ſich nicht weit von dem fridericianiſchen Steuer-
ſyſteme, das 70 Procent des geſammten Abgabenertrags durch indirekte
Steuern aufgebracht hatte. Sie verriethen die Hand eines gewandten Prak-
tikers, der ohne eigene reformatoriſche Gedanken lediglich die Staatskaſſen
in der gewohnten Weiſe zu füllen trachtete, und erſchienen der Oppoſition,
deren Führung wieder Humboldt übernahm, um ſo verdächtiger, da ſie
von einem napoleoniſchen Miniſter herrührten und faſt wörtlich mit den
Anſichten übereinſtimmten, welche Bülows früherer Amtsgenoſſe Malchus
ſoeben in ſeiner Schrift über die weſtphäliſche Finanzverwaltung ausge-
ſprochen hatte.
Unter den preußiſchen Beamten, die faſt alleſammt bei A. Smith und
Kraus in die Schule gegangen waren, ſtanden die indirekten Steuern des
Bonapartismus in üblem Rufe: hatte doch Smith die Mahlſteuer kurzweg
*) Bülow an Hardenberg, 10., 13., 14., 16. Juli; Hardenberg an Bülow, 12.,
17. Juli 1817.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 205. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/219>, abgerufen am 21.11.2024.
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