Da erfolgte plötzlich, zur allgemeinen Ueberraschung des Landes, der Sturz des Ministers. Im November 1816 war der König nach Wien gereist um seine soeben mit dem Kaiser Franz vermählte Tochter Karoline Auguste zu besuchen und auch die politische Freundschaft, die seit den Salzburger Händeln arg gestört war, wiederherzustellen. Er blieb dort fast ein Vierteljahr und ward mit Ehren überhäuft; aber sobald er politische Fragen berührte, stieß er auf eine wohlberechnete Zu- rückhaltung und mußte endlich einsehen, daß der Groll der Hofburg gegen seinen Montgelas unversöhnlich blieb. Dieser Haß ward eben jetzt aufs Neue entfacht, da eine Depesche des französischen Gesandten Mercy, die über Montgelas' Verhalten im Herbst 1813 unerfreuliche Aufschlüsse bot, in die Hände des Wiener Hofs gerathen war. Vor dem preußischen Ge- sandten gab sich Metternich freilich den Anschein, als ob er sich um diese bairischen Dinge nie bekümmert hätte. Als der König seine Anschläge gegen Baden enthüllte, empfing er von dem Kaiser wie von Metternich nur die trockene Zusage, sie würden seinen Absichten nicht entgegen sein. Und selbst diese Verheißung war nicht ehrlich gemeint; denn gleichzeitig ließ Metternich den preußischen Staatskanzler wissen, das Versprechen sei nur als eine Abfindung (par maniere d'acquit) gegeben und in der Ueber- zeugung, daß die bairischen Pläne bald auf allen Seiten mächtigen Wider- spruch finden würden.*) Unterdessen erging sich die neue Kaiserin, eine erklärte Freundin der Jesuiten, in lebhaften Anklagen wider den kirchen- feindlichen Minister, der allein noch der guten Freundschaft der beiden Höfe im Wege stand; die Diplomaten der Curie halfen getreulich nach, auch aus München liefen wiederholte Beschwerden von Seiten des Kron- prinzen und des Feldmarschalls Wrede ein.
Verstimmt, aber noch keineswegs entschlossen kehrte der König am 1. Februar 1817 nach München zurück und ließ dem Minister auf den nächsten Vormittag seinen Besuch ankündigen. Der Wagen war bereits bestellt, die Unterredung konnte, nach früheren Erfahrungen, nur mit einer neuen Versöhnung der beiden Freunde endigen. Da setzte der Kron- prinz im letzten Augenblicke alle Hebel ein. Er war nach einer schweren Krankheit noch an das Zimmer gefesselt und durfte grade jetzt auf freund- liches Gehör bei dem zärtlichen Vater rechnen. In einem beweglichen Briefe stellte er noch einmal alle seine Klagen gegen den Hochmuth und die nachlässige Amtsführung des Ministers zusammen und erbat sich als einen Beweis königlicher Gnade die Entlassung des unheilvollen Mannes. Mit diesem Schreiben erschien Wrede am Vormittag des 2. Februar bei dem Monarchen. Zitternd, in höchster Angst, genehmigte der König endlich die Bitte des Thronfolgers. Der gutmüthige Schwächling verfällt fast immer in Härte wenn er sich stark zeigen will; so entließ auch Max Joseph
*) Krusemarks Bericht, Wien 8. Febr. Hardenbergs Weisung an Küster 25. März 1817.
Montgelas’ Sturz.
Da erfolgte plötzlich, zur allgemeinen Ueberraſchung des Landes, der Sturz des Miniſters. Im November 1816 war der König nach Wien gereiſt um ſeine ſoeben mit dem Kaiſer Franz vermählte Tochter Karoline Auguſte zu beſuchen und auch die politiſche Freundſchaft, die ſeit den Salzburger Händeln arg geſtört war, wiederherzuſtellen. Er blieb dort faſt ein Vierteljahr und ward mit Ehren überhäuft; aber ſobald er politiſche Fragen berührte, ſtieß er auf eine wohlberechnete Zu- rückhaltung und mußte endlich einſehen, daß der Groll der Hofburg gegen ſeinen Montgelas unverſöhnlich blieb. Dieſer Haß ward eben jetzt aufs Neue entfacht, da eine Depeſche des franzöſiſchen Geſandten Mercy, die über Montgelas’ Verhalten im Herbſt 1813 unerfreuliche Aufſchlüſſe bot, in die Hände des Wiener Hofs gerathen war. Vor dem preußiſchen Ge- ſandten gab ſich Metternich freilich den Anſchein, als ob er ſich um dieſe bairiſchen Dinge nie bekümmert hätte. Als der König ſeine Anſchläge gegen Baden enthüllte, empfing er von dem Kaiſer wie von Metternich nur die trockene Zuſage, ſie würden ſeinen Abſichten nicht entgegen ſein. Und ſelbſt dieſe Verheißung war nicht ehrlich gemeint; denn gleichzeitig ließ Metternich den preußiſchen Staatskanzler wiſſen, das Verſprechen ſei nur als eine Abfindung (par manière d’acquit) gegeben und in der Ueber- zeugung, daß die bairiſchen Pläne bald auf allen Seiten mächtigen Wider- ſpruch finden würden.*) Unterdeſſen erging ſich die neue Kaiſerin, eine erklärte Freundin der Jeſuiten, in lebhaften Anklagen wider den kirchen- feindlichen Miniſter, der allein noch der guten Freundſchaft der beiden Höfe im Wege ſtand; die Diplomaten der Curie halfen getreulich nach, auch aus München liefen wiederholte Beſchwerden von Seiten des Kron- prinzen und des Feldmarſchalls Wrede ein.
Verſtimmt, aber noch keineswegs entſchloſſen kehrte der König am 1. Februar 1817 nach München zurück und ließ dem Miniſter auf den nächſten Vormittag ſeinen Beſuch ankündigen. Der Wagen war bereits beſtellt, die Unterredung konnte, nach früheren Erfahrungen, nur mit einer neuen Verſöhnung der beiden Freunde endigen. Da ſetzte der Kron- prinz im letzten Augenblicke alle Hebel ein. Er war nach einer ſchweren Krankheit noch an das Zimmer gefeſſelt und durfte grade jetzt auf freund- liches Gehör bei dem zärtlichen Vater rechnen. In einem beweglichen Briefe ſtellte er noch einmal alle ſeine Klagen gegen den Hochmuth und die nachläſſige Amtsführung des Miniſters zuſammen und erbat ſich als einen Beweis königlicher Gnade die Entlaſſung des unheilvollen Mannes. Mit dieſem Schreiben erſchien Wrede am Vormittag des 2. Februar bei dem Monarchen. Zitternd, in höchſter Angſt, genehmigte der König endlich die Bitte des Thronfolgers. Der gutmüthige Schwächling verfällt faſt immer in Härte wenn er ſich ſtark zeigen will; ſo entließ auch Max Joſeph
*) Kruſemarks Bericht, Wien 8. Febr. Hardenbergs Weiſung an Küſter 25. März 1817.
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Montgelas’ Sturz.
Da erfolgte plötzlich, zur allgemeinen Ueberraſchung des Landes,
der Sturz des Miniſters. Im November 1816 war der König nach
Wien gereiſt um ſeine ſoeben mit dem Kaiſer Franz vermählte Tochter
Karoline Auguſte zu beſuchen und auch die politiſche Freundſchaft, die
ſeit den Salzburger Händeln arg geſtört war, wiederherzuſtellen. Er
blieb dort faſt ein Vierteljahr und ward mit Ehren überhäuft; aber
ſobald er politiſche Fragen berührte, ſtieß er auf eine wohlberechnete Zu-
rückhaltung und mußte endlich einſehen, daß der Groll der Hofburg gegen
ſeinen Montgelas unverſöhnlich blieb. Dieſer Haß ward eben jetzt aufs
Neue entfacht, da eine Depeſche des franzöſiſchen Geſandten Mercy, die
über Montgelas’ Verhalten im Herbſt 1813 unerfreuliche Aufſchlüſſe bot,
in die Hände des Wiener Hofs gerathen war. Vor dem preußiſchen Ge-
ſandten gab ſich Metternich freilich den Anſchein, als ob er ſich um dieſe
bairiſchen Dinge nie bekümmert hätte. Als der König ſeine Anſchläge gegen
Baden enthüllte, empfing er von dem Kaiſer wie von Metternich nur
die trockene Zuſage, ſie würden ſeinen Abſichten nicht entgegen ſein. Und
ſelbſt dieſe Verheißung war nicht ehrlich gemeint; denn gleichzeitig ließ
Metternich den preußiſchen Staatskanzler wiſſen, das Verſprechen ſei nur
als eine Abfindung (par manière d’acquit) gegeben und in der Ueber-
zeugung, daß die bairiſchen Pläne bald auf allen Seiten mächtigen Wider-
ſpruch finden würden. *) Unterdeſſen erging ſich die neue Kaiſerin, eine
erklärte Freundin der Jeſuiten, in lebhaften Anklagen wider den kirchen-
feindlichen Miniſter, der allein noch der guten Freundſchaft der beiden
Höfe im Wege ſtand; die Diplomaten der Curie halfen getreulich nach,
auch aus München liefen wiederholte Beſchwerden von Seiten des Kron-
prinzen und des Feldmarſchalls Wrede ein.
Verſtimmt, aber noch keineswegs entſchloſſen kehrte der König am
1. Februar 1817 nach München zurück und ließ dem Miniſter auf den
nächſten Vormittag ſeinen Beſuch ankündigen. Der Wagen war bereits
beſtellt, die Unterredung konnte, nach früheren Erfahrungen, nur mit
einer neuen Verſöhnung der beiden Freunde endigen. Da ſetzte der Kron-
prinz im letzten Augenblicke alle Hebel ein. Er war nach einer ſchweren
Krankheit noch an das Zimmer gefeſſelt und durfte grade jetzt auf freund-
liches Gehör bei dem zärtlichen Vater rechnen. In einem beweglichen
Briefe ſtellte er noch einmal alle ſeine Klagen gegen den Hochmuth und
die nachläſſige Amtsführung des Miniſters zuſammen und erbat ſich als
einen Beweis königlicher Gnade die Entlaſſung des unheilvollen Mannes.
Mit dieſem Schreiben erſchien Wrede am Vormittag des 2. Februar bei
dem Monarchen. Zitternd, in höchſter Angſt, genehmigte der König endlich
die Bitte des Thronfolgers. Der gutmüthige Schwächling verfällt faſt
immer in Härte wenn er ſich ſtark zeigen will; ſo entließ auch Max Joſeph
*) Kruſemarks Bericht, Wien 8. Febr. Hardenbergs Weiſung an Küſter 25. März 1817.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/361>, abgerufen am 22.11.2024.
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