Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.Das Concordat. Minister anfangs kaum daran glauben; der König polterte wider denhundsföttischen Vertrag. Aber die einzige Antwort, die in solcher Lage einer stolzen Krone geziemte, unterblieb: der pflichtvergessene Unterhänd- ler wurde nicht abberufen. Vergeblich forderte Lerchenfeld, daß ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Rechte des Staates kein Abkommen ge- schlossen werden dürfe. Graf Rechberg war bei früheren Verhandlungen mit dem Cardinal della Genga zu der entgegengesetzten Ueberzeugung gelangt; er meinte, ein stillschweigender Vorbehalt genüge auch, da die Curie es mit der Ausführung der Verträge so genau nicht nehme. Man beschloß endlich, den in Eichstädt wohlbeliebten Bruder des Ministers, Xaver Rechberg nach Rom zu senden, und dieser brachte mit Blacas' Beihilfe ein Concordat zu Stande, das bis auf wenige unwesentliche Punkte mit dem Vertrage vom 5. Juni vollständig übereinstimmte. Der neue Vertrag ward am 24. Oktbr. vom Könige genehmigt. Er enthielt außer jener grundsätzlichen Anerkennung des kanonischen Rechts noch die Zusage, daß alle nicht im Concordate selbst erwähnten kirchlichen Ange- legenheiten nach der vigens ecclesiae disciplina behandelt werden und in zweifelhaften Fällen stets eine neue Vereinbarung zwischen dem Papste und dem Könige erfolgen solle. Im Art. 17 war sogar die Aufhebung aller dem Concordate widersprechenden Gesetze und Verordnungen angekündigt. Die Bischöfe sollten über die Reinheit des Glaubens und der Sitten in den öffentlichen Schulen wachen und durften von der Staatsgewalt die Unterdrückung gefährlicher Bücher verlangen. Auch die Einrichtung neuer Klöster und die unbeschränkte Befugniß zum Gütererwerb ward der Kirche zugesichert. Um solchen Preis bewilligte der Papst die Gründung der so lange erstrebten bairischen Landeskirche mit zwei Erzbischöfen und sechs Bischöfen; die beantragte Bildung eines einzigen Erzbisthums für das ganze Königreich wurde in Rom abgelehnt, denn wie leicht konnte nicht ein solcher Metropolitan die Rolle eines Primas spielen! Als katholischer Souverän erhielt der König das Recht, drei seiner Landesbischöfe unbe- dingt, die fünf anderen auf Grund einer Candidatenliste zu ernennen. Hierin und in der stillschweigenden Anerkennung des landesherrlichen Patronats über die Pfarrstellen lag die einzige Sicherung der Rechte der Staatsgewalt. Wollte man unredlich verfahren, so blieb als letzte Waffe freilich noch der Art. 18, der in einem Athem versprach, das Concordat solle unverbrüchlich gehalten und -- als Staatsgesetz verkündigt werden. So der Inhalt dieses ersten Probstücks der Münchener europäischen Das Concordat. Miniſter anfangs kaum daran glauben; der König polterte wider denhundsföttiſchen Vertrag. Aber die einzige Antwort, die in ſolcher Lage einer ſtolzen Krone geziemte, unterblieb: der pflichtvergeſſene Unterhänd- ler wurde nicht abberufen. Vergeblich forderte Lerchenfeld, daß ohne ausdrücklichen Vorbehalt der Rechte des Staates kein Abkommen ge- ſchloſſen werden dürfe. Graf Rechberg war bei früheren Verhandlungen mit dem Cardinal della Genga zu der entgegengeſetzten Ueberzeugung gelangt; er meinte, ein ſtillſchweigender Vorbehalt genüge auch, da die Curie es mit der Ausführung der Verträge ſo genau nicht nehme. Man beſchloß endlich, den in Eichſtädt wohlbeliebten Bruder des Miniſters, Xaver Rechberg nach Rom zu ſenden, und dieſer brachte mit Blacas’ Beihilfe ein Concordat zu Stande, das bis auf wenige unweſentliche Punkte mit dem Vertrage vom 5. Juni vollſtändig übereinſtimmte. Der neue Vertrag ward am 24. Oktbr. vom Könige genehmigt. Er enthielt außer jener grundſätzlichen Anerkennung des kanoniſchen Rechts noch die Zuſage, daß alle nicht im Concordate ſelbſt erwähnten kirchlichen Ange- legenheiten nach der vigens ecclesiae disciplina behandelt werden und in zweifelhaften Fällen ſtets eine neue Vereinbarung zwiſchen dem Papſte und dem Könige erfolgen ſolle. Im Art. 17 war ſogar die Aufhebung aller dem Concordate widerſprechenden Geſetze und Verordnungen angekündigt. Die Biſchöfe ſollten über die Reinheit des Glaubens und der Sitten in den öffentlichen Schulen wachen und durften von der Staatsgewalt die Unterdrückung gefährlicher Bücher verlangen. Auch die Einrichtung neuer Klöſter und die unbeſchränkte Befugniß zum Gütererwerb ward der Kirche zugeſichert. Um ſolchen Preis bewilligte der Papſt die Gründung der ſo lange erſtrebten bairiſchen Landeskirche mit zwei Erzbiſchöfen und ſechs Biſchöfen; die beantragte Bildung eines einzigen Erzbisthums für das ganze Königreich wurde in Rom abgelehnt, denn wie leicht konnte nicht ein ſolcher Metropolitan die Rolle eines Primas ſpielen! Als katholiſcher Souverän erhielt der König das Recht, drei ſeiner Landesbiſchöfe unbe- dingt, die fünf anderen auf Grund einer Candidatenliſte zu ernennen. Hierin und in der ſtillſchweigenden Anerkennung des landesherrlichen Patronats über die Pfarrſtellen lag die einzige Sicherung der Rechte der Staatsgewalt. Wollte man unredlich verfahren, ſo blieb als letzte Waffe freilich noch der Art. 18, der in einem Athem verſprach, das Concordat ſolle unverbrüchlich gehalten und — als Staatsgeſetz verkündigt werden. 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Das Concordat.
Miniſter anfangs kaum daran glauben; der König polterte wider den
hundsföttiſchen Vertrag. Aber die einzige Antwort, die in ſolcher Lage
einer ſtolzen Krone geziemte, unterblieb: der pflichtvergeſſene Unterhänd-
ler wurde nicht abberufen. Vergeblich forderte Lerchenfeld, daß ohne
ausdrücklichen Vorbehalt der Rechte des Staates kein Abkommen ge-
ſchloſſen werden dürfe. Graf Rechberg war bei früheren Verhandlungen
mit dem Cardinal della Genga zu der entgegengeſetzten Ueberzeugung
gelangt; er meinte, ein ſtillſchweigender Vorbehalt genüge auch, da die
Curie es mit der Ausführung der Verträge ſo genau nicht nehme. Man
beſchloß endlich, den in Eichſtädt wohlbeliebten Bruder des Miniſters,
Xaver Rechberg nach Rom zu ſenden, und dieſer brachte mit Blacas’
Beihilfe ein Concordat zu Stande, das bis auf wenige unweſentliche
Punkte mit dem Vertrage vom 5. Juni vollſtändig übereinſtimmte. Der
neue Vertrag ward am 24. Oktbr. vom Könige genehmigt. Er enthielt
außer jener grundſätzlichen Anerkennung des kanoniſchen Rechts noch die
Zuſage, daß alle nicht im Concordate ſelbſt erwähnten kirchlichen Ange-
legenheiten nach der vigens ecclesiae disciplina behandelt werden und in
zweifelhaften Fällen ſtets eine neue Vereinbarung zwiſchen dem Papſte und
dem Könige erfolgen ſolle. Im Art. 17 war ſogar die Aufhebung aller
dem Concordate widerſprechenden Geſetze und Verordnungen angekündigt.
Die Biſchöfe ſollten über die Reinheit des Glaubens und der Sitten in
den öffentlichen Schulen wachen und durften von der Staatsgewalt die
Unterdrückung gefährlicher Bücher verlangen. Auch die Einrichtung neuer
Klöſter und die unbeſchränkte Befugniß zum Gütererwerb ward der Kirche
zugeſichert. Um ſolchen Preis bewilligte der Papſt die Gründung der ſo
lange erſtrebten bairiſchen Landeskirche mit zwei Erzbiſchöfen und ſechs
Biſchöfen; die beantragte Bildung eines einzigen Erzbisthums für das
ganze Königreich wurde in Rom abgelehnt, denn wie leicht konnte nicht
ein ſolcher Metropolitan die Rolle eines Primas ſpielen! Als katholiſcher
Souverän erhielt der König das Recht, drei ſeiner Landesbiſchöfe unbe-
dingt, die fünf anderen auf Grund einer Candidatenliſte zu ernennen.
Hierin und in der ſtillſchweigenden Anerkennung des landesherrlichen
Patronats über die Pfarrſtellen lag die einzige Sicherung der Rechte der
Staatsgewalt. Wollte man unredlich verfahren, ſo blieb als letzte Waffe
freilich noch der Art. 18, der in einem Athem verſprach, das Concordat
ſolle unverbrüchlich gehalten und — als Staatsgeſetz verkündigt werden.
So der Inhalt dieſes erſten Probſtücks der Münchener europäiſchen
Politik. Es war die ſchimpflichſte Demüthigung, welche jemals ein mo-
derner Staat von dem heiligen Stuhle dahin genommen, die wohlver-
diente Strafe für den particulariſtiſchen Dünkel, der ſich zuerſt von den
übrigen deutſchen Staaten abgeſondert hatte und nun ihnen um jeden
Preis zuvorkommen wollte. Selbſt Küſters Nachfolger, der hochconſer-
vative alte General Zaſtrow erſchrak über „den vollſtändigen Sieg Roms“
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