Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882.Follen in Jena. mehr von dem gemäßigten Alten zurück. Wohl blieb die Zahl der unmittel-baren Vertrauten Follens sehr gering, da der gesunde Sinn der Jugend das Grauen vor dem Apostel des Meuchelmordes nicht ganz überwinden konnte; zu seinen Schülern gehörten vornehmlich sein blind ergebener Sklave Karl Sand, und Wit von Dörring, ein liederlicher Abenteurer, der nachher zum Verräther wurde. Doch weit über diesen engen Kreis hinaus reichte der verderbliche Einfluß seiner Lehren. Immer lauter ward über das "Abhacken der Zwingherrnköpfe" geredet. Im Laufe des Winters besetzten die Schwarzen durch einen häßlichen Betrug, da den Unbedingten ja Alles erlaubt war, den Vorstand der Burschenschaft mit ihren Ge- treuen; dann bildete sich ein Geheimbund, dessen Schwurgenossen nach der Art der Carbonari in Venten getheilt waren und einander selber zum Theil unbekannt blieben. Solche Bünde konnten zwar, da der offen- herzige Germane für die geheimen Künste des Verschwörers verloren ist, nicht über einen thörichten Mummenschanz hinaus gelangen; doch unbe- denklich war es nicht, daß so viele einzelne junge Männer in roher Prahlerei mit dem Gedanken des politischen Verbrechens spielten und von Follen gradezu die Weisung empfingen: wer sich opfern wolle müsse die befreiende That ohne Mitwisser vollbringen. Als einer der älteren Schwarzen, Snell in diesen Tagen seines Amtes entsetzt wurde, richteten Follen und der Advocat H. C. Hofmann in Darmstadt an die Unbedingten einen Aufruf zur Unterstützung des Freundes, "damit die Brut zittern lernt vor der höheren Macht, welche das Racheschwert nicht schwächer als jetzt den Schild schwingen wird wenn einst die Sünde den Tag der Rache erweckt". Viel Unheil ließ sich noch verhindern, wenn Follen und der eine Follen in Jena. mehr von dem gemäßigten Alten zurück. Wohl blieb die Zahl der unmittel-baren Vertrauten Follens ſehr gering, da der geſunde Sinn der Jugend das Grauen vor dem Apoſtel des Meuchelmordes nicht ganz überwinden konnte; zu ſeinen Schülern gehörten vornehmlich ſein blind ergebener Sklave Karl Sand, und Wit von Dörring, ein liederlicher Abenteurer, der nachher zum Verräther wurde. Doch weit über dieſen engen Kreis hinaus reichte der verderbliche Einfluß ſeiner Lehren. Immer lauter ward über das „Abhacken der Zwingherrnköpfe“ geredet. Im Laufe des Winters beſetzten die Schwarzen durch einen häßlichen Betrug, da den Unbedingten ja Alles erlaubt war, den Vorſtand der Burſchenſchaft mit ihren Ge- treuen; dann bildete ſich ein Geheimbund, deſſen Schwurgenoſſen nach der Art der Carbonari in Venten getheilt waren und einander ſelber zum Theil unbekannt blieben. Solche Bünde konnten zwar, da der offen- herzige Germane für die geheimen Künſte des Verſchwörers verloren iſt, nicht über einen thörichten Mummenſchanz hinaus gelangen; doch unbe- denklich war es nicht, daß ſo viele einzelne junge Männer in roher Prahlerei mit dem Gedanken des politiſchen Verbrechens ſpielten und von Follen gradezu die Weiſung empfingen: wer ſich opfern wolle müſſe die befreiende That ohne Mitwiſſer vollbringen. Als einer der älteren Schwarzen, Snell in dieſen Tagen ſeines Amtes entſetzt wurde, richteten Follen und der Advocat H. C. Hofmann in Darmſtadt an die Unbedingten einen Aufruf zur Unterſtützung des Freundes, „damit die Brut zittern lernt vor der höheren Macht, welche das Racheſchwert nicht ſchwächer als jetzt den Schild ſchwingen wird wenn einſt die Sünde den Tag der Rache erweckt“. Viel Unheil ließ ſich noch verhindern, wenn Follen und der eine <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0457" n="443"/><fw place="top" type="header">Follen in Jena.</fw><lb/> mehr von dem gemäßigten Alten zurück. Wohl blieb die Zahl der unmittel-<lb/> baren Vertrauten Follens ſehr gering, da der geſunde Sinn der Jugend<lb/> das Grauen vor dem Apoſtel des Meuchelmordes nicht ganz überwinden<lb/> konnte; zu ſeinen Schülern gehörten vornehmlich ſein blind ergebener<lb/> Sklave Karl Sand, und Wit von Dörring, ein liederlicher Abenteurer,<lb/> der nachher zum Verräther wurde. Doch weit über dieſen engen Kreis<lb/> hinaus reichte der verderbliche Einfluß ſeiner Lehren. Immer lauter ward<lb/> über das „Abhacken der Zwingherrnköpfe“ geredet. Im Laufe des Winters<lb/> beſetzten die Schwarzen durch einen häßlichen Betrug, da den Unbedingten<lb/> ja Alles erlaubt war, den Vorſtand der Burſchenſchaft mit ihren Ge-<lb/> treuen; dann bildete ſich ein Geheimbund, deſſen Schwurgenoſſen nach<lb/> der Art der Carbonari in Venten getheilt waren und einander ſelber zum<lb/> Theil unbekannt blieben. Solche Bünde konnten zwar, da der offen-<lb/> herzige Germane für die geheimen Künſte des Verſchwörers verloren iſt,<lb/> nicht über einen thörichten Mummenſchanz hinaus gelangen; doch unbe-<lb/> denklich war es nicht, daß ſo viele einzelne junge Männer in roher Prahlerei<lb/> mit dem Gedanken des politiſchen Verbrechens ſpielten und von Follen<lb/> gradezu die Weiſung empfingen: wer ſich opfern wolle müſſe die befreiende<lb/> That ohne Mitwiſſer vollbringen. Als einer der älteren Schwarzen,<lb/> Snell in dieſen Tagen ſeines Amtes entſetzt wurde, richteten Follen und<lb/> der Advocat H. C. Hofmann in Darmſtadt an die Unbedingten einen<lb/> Aufruf zur Unterſtützung des Freundes, „damit die Brut zittern lernt vor<lb/> der höheren Macht, welche das Racheſchwert nicht ſchwächer als jetzt den<lb/> Schild ſchwingen wird wenn einſt die Sünde den Tag der Rache erweckt“.</p><lb/> <p>Viel Unheil ließ ſich noch verhindern, wenn Follen und der eine<lb/> oder der andere ſeiner älteren Genoſſen rechtzeitig aus Deutſchland ent-<lb/> fernt wurden; ſo urtheilten in ſpäterer Zeit Männer, welche einſt den<lb/> Schwarzen angehört hatten. Die Regierungen aber blieben ohne nähere<lb/> Kunde von dem unruhigen Treiben und ſahen ihm mit ſcheuer Be-<lb/> ſorgniß zu. Jene Handvoll Demagogen führte ihr ſchlechtes Handwerk<lb/> fort, und einmal doch mußte der Tag kommen, da die ſo reichlich ausge-<lb/> ſtreute Saat frevelhafter Worte in Halme ſchoß und irgend ein Unſeliger<lb/> mit dem Dolche in der Fauſt die Lehre des politiſchen Mordes ver-<lb/> wirklichte.</p> </div><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/> </div> </body> </text> </TEI> [443/0457]
Follen in Jena.
mehr von dem gemäßigten Alten zurück. Wohl blieb die Zahl der unmittel-
baren Vertrauten Follens ſehr gering, da der geſunde Sinn der Jugend
das Grauen vor dem Apoſtel des Meuchelmordes nicht ganz überwinden
konnte; zu ſeinen Schülern gehörten vornehmlich ſein blind ergebener
Sklave Karl Sand, und Wit von Dörring, ein liederlicher Abenteurer,
der nachher zum Verräther wurde. Doch weit über dieſen engen Kreis
hinaus reichte der verderbliche Einfluß ſeiner Lehren. Immer lauter ward
über das „Abhacken der Zwingherrnköpfe“ geredet. Im Laufe des Winters
beſetzten die Schwarzen durch einen häßlichen Betrug, da den Unbedingten
ja Alles erlaubt war, den Vorſtand der Burſchenſchaft mit ihren Ge-
treuen; dann bildete ſich ein Geheimbund, deſſen Schwurgenoſſen nach
der Art der Carbonari in Venten getheilt waren und einander ſelber zum
Theil unbekannt blieben. Solche Bünde konnten zwar, da der offen-
herzige Germane für die geheimen Künſte des Verſchwörers verloren iſt,
nicht über einen thörichten Mummenſchanz hinaus gelangen; doch unbe-
denklich war es nicht, daß ſo viele einzelne junge Männer in roher Prahlerei
mit dem Gedanken des politiſchen Verbrechens ſpielten und von Follen
gradezu die Weiſung empfingen: wer ſich opfern wolle müſſe die befreiende
That ohne Mitwiſſer vollbringen. Als einer der älteren Schwarzen,
Snell in dieſen Tagen ſeines Amtes entſetzt wurde, richteten Follen und
der Advocat H. C. Hofmann in Darmſtadt an die Unbedingten einen
Aufruf zur Unterſtützung des Freundes, „damit die Brut zittern lernt vor
der höheren Macht, welche das Racheſchwert nicht ſchwächer als jetzt den
Schild ſchwingen wird wenn einſt die Sünde den Tag der Rache erweckt“.
Viel Unheil ließ ſich noch verhindern, wenn Follen und der eine
oder der andere ſeiner älteren Genoſſen rechtzeitig aus Deutſchland ent-
fernt wurden; ſo urtheilten in ſpäterer Zeit Männer, welche einſt den
Schwarzen angehört hatten. Die Regierungen aber blieben ohne nähere
Kunde von dem unruhigen Treiben und ſahen ihm mit ſcheuer Be-
ſorgniß zu. Jene Handvoll Demagogen führte ihr ſchlechtes Handwerk
fort, und einmal doch mußte der Tag kommen, da die ſo reichlich ausge-
ſtreute Saat frevelhafter Worte in Halme ſchoß und irgend ein Unſeliger
mit dem Dolche in der Fauſt die Lehre des politiſchen Mordes ver-
wirklichte.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |