II. 3. Geistige Strömungen der ersten Friedensjahre.
bildeten den ersten künstlerischen Zimmerschmuck des verarmten deutschen Hauses.
Die deutschen Maler in Rom hatten indessen an Bartholdy, einem Verwandten des kunstsinnigen Mendelssohnschen Hauses, einen unter- nehmenden Gönner gefunden. Der stellte ihnen die breiten Wände seines Palastes in der Via Sistina zur Verfügung, damit sie sich in der Kunst des Fresco, die seit Raphael Mengs völlig eingeschlafen war, wieder ver- suchen könnten. In fröhlichem Wetteifer malten nun Cornelius, Over- beck, Veit und Wilhelm Schadow, durch Niebuhrs Beifall ermuthigt, die großgedachten Bilder aus der Geschichte Josephs. Cornelius begrüßte jubelnd die Fresco-Malerei als ein "Flammenzeichen auf den Bergen zu einem neuen edlen Aufruhr in der Kunst", weil sie den Malern endlich wieder ein Feld für monumentale Werke eröffne und in ihrer herben Strenge die Gedankenarmuth wie die Pfuscherei unnachsichtlich ausschließe. Die Kunst -- so rief er in dem eigenthümlichen terroristischen Tone der jungen Teutonen -- die Kunst soll endlich aufhören eine feile Dienerin üppiger Großen, eine Krämerin und niedere Modezofe zu sein. Gleich Schinkel sah er die Zeit kommen, da die Kunst an den Mauern unserer Städte von innen und außen wiederglänzend das ganze Dasein des Volks umgestalten und heiligen werde. Mit dem sicheren Stolze eines Refor- mators der nationalen Gesittung kehrte er über die Alpen zurück, als ihn nunmehr der junge Kronprinz Ludwig von Baiern nach München berief.
Der Erbe der reichen und allezeit baulustigen Wittelsbacher meinte sich berufen, in dem bairischen Lande, das soeben erst in das geistige Leben der Nation wieder eingetreten war, einen glänzenden Musenhof zu gründen. Eine lautere Begeisterung für die Kunst wie für den Ruhm seines vergötterten deutschen Vaterlandes beseelte den geistreichen, phan- tastischen Fürsten. Die diplomatische Welt erzählte sich kopfschüttelnd, wie er zu Rom in altdeutschem Rocke, Arm in Arm mit dem verdächtigen demagogischen Dichter Friedrich Rückert, die Museen und Kirchen durch- wandert, wie er die deutschen Maler zutraulich mit seinen holprigen Versen begrüßt, bei ihren Künstlerfesten auf die Vernichtung der Philisterei und die Einheit Teutschlands lärmend mit angestoßen hatte. Bei allen seinen künstlerischen Plänen wirkte zugleich ein unsteter dynastischer Ehrgeiz mit: er hoffte die gründlich verachteten preußischen Hungerleider und Empor- kömmlinge zu überbieten, dem bairischen Hause durch ein großartiges Mäcenatenthum die führende Stellung in Deutschland zu verschaffen. Welch ein Gegensatz zu der Kunstthätigkeit in Berlin! Dort geschah nur was sich aus der Geschichte und den Lebensbedürfnissen eines mächtigen, an geistigen Kräften reichen Staates unabweisbar ergab, die von großen Künstlern in ungestörter Freiheit geschaffenen Werke trugen das Gepräge des Nothwendigen. In München baute man um zu bauen, auf einem Boden, der von großen Erinnerungen wenig darbot; die von auswärts berufenen
II. 3. Geiſtige Strömungen der erſten Friedensjahre.
bildeten den erſten künſtleriſchen Zimmerſchmuck des verarmten deutſchen Hauſes.
Die deutſchen Maler in Rom hatten indeſſen an Bartholdy, einem Verwandten des kunſtſinnigen Mendelsſohnſchen Hauſes, einen unter- nehmenden Gönner gefunden. Der ſtellte ihnen die breiten Wände ſeines Palaſtes in der Via Siſtina zur Verfügung, damit ſie ſich in der Kunſt des Fresco, die ſeit Raphael Mengs völlig eingeſchlafen war, wieder ver- ſuchen könnten. In fröhlichem Wetteifer malten nun Cornelius, Over- beck, Veit und Wilhelm Schadow, durch Niebuhrs Beifall ermuthigt, die großgedachten Bilder aus der Geſchichte Joſephs. Cornelius begrüßte jubelnd die Fresco-Malerei als ein „Flammenzeichen auf den Bergen zu einem neuen edlen Aufruhr in der Kunſt“, weil ſie den Malern endlich wieder ein Feld für monumentale Werke eröffne und in ihrer herben Strenge die Gedankenarmuth wie die Pfuſcherei unnachſichtlich ausſchließe. Die Kunſt — ſo rief er in dem eigenthümlichen terroriſtiſchen Tone der jungen Teutonen — die Kunſt ſoll endlich aufhören eine feile Dienerin üppiger Großen, eine Krämerin und niedere Modezofe zu ſein. Gleich Schinkel ſah er die Zeit kommen, da die Kunſt an den Mauern unſerer Städte von innen und außen wiederglänzend das ganze Daſein des Volks umgeſtalten und heiligen werde. Mit dem ſicheren Stolze eines Refor- mators der nationalen Geſittung kehrte er über die Alpen zurück, als ihn nunmehr der junge Kronprinz Ludwig von Baiern nach München berief.
Der Erbe der reichen und allezeit bauluſtigen Wittelsbacher meinte ſich berufen, in dem bairiſchen Lande, das ſoeben erſt in das geiſtige Leben der Nation wieder eingetreten war, einen glänzenden Muſenhof zu gründen. Eine lautere Begeiſterung für die Kunſt wie für den Ruhm ſeines vergötterten deutſchen Vaterlandes beſeelte den geiſtreichen, phan- taſtiſchen Fürſten. Die diplomatiſche Welt erzählte ſich kopfſchüttelnd, wie er zu Rom in altdeutſchem Rocke, Arm in Arm mit dem verdächtigen demagogiſchen Dichter Friedrich Rückert, die Muſeen und Kirchen durch- wandert, wie er die deutſchen Maler zutraulich mit ſeinen holprigen Verſen begrüßt, bei ihren Künſtlerfeſten auf die Vernichtung der Philiſterei und die Einheit Teutſchlands lärmend mit angeſtoßen hatte. Bei allen ſeinen künſtleriſchen Plänen wirkte zugleich ein unſteter dynaſtiſcher Ehrgeiz mit: er hoffte die gründlich verachteten preußiſchen Hungerleider und Empor- kömmlinge zu überbieten, dem bairiſchen Hauſe durch ein großartiges Mäcenatenthum die führende Stellung in Deutſchland zu verſchaffen. Welch ein Gegenſatz zu der Kunſtthätigkeit in Berlin! Dort geſchah nur was ſich aus der Geſchichte und den Lebensbedürfniſſen eines mächtigen, an geiſtigen Kräften reichen Staates unabweisbar ergab, die von großen Künſtlern in ungeſtörter Freiheit geſchaffenen Werke trugen das Gepräge des Nothwendigen. In München baute man um zu bauen, auf einem Boden, der von großen Erinnerungen wenig darbot; die von auswärts berufenen
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[52/0066]
II. 3. Geiſtige Strömungen der erſten Friedensjahre.
bildeten den erſten künſtleriſchen Zimmerſchmuck des verarmten deutſchen
Hauſes.
Die deutſchen Maler in Rom hatten indeſſen an Bartholdy, einem
Verwandten des kunſtſinnigen Mendelsſohnſchen Hauſes, einen unter-
nehmenden Gönner gefunden. Der ſtellte ihnen die breiten Wände ſeines
Palaſtes in der Via Siſtina zur Verfügung, damit ſie ſich in der Kunſt
des Fresco, die ſeit Raphael Mengs völlig eingeſchlafen war, wieder ver-
ſuchen könnten. In fröhlichem Wetteifer malten nun Cornelius, Over-
beck, Veit und Wilhelm Schadow, durch Niebuhrs Beifall ermuthigt,
die großgedachten Bilder aus der Geſchichte Joſephs. Cornelius begrüßte
jubelnd die Fresco-Malerei als ein „Flammenzeichen auf den Bergen zu
einem neuen edlen Aufruhr in der Kunſt“, weil ſie den Malern endlich
wieder ein Feld für monumentale Werke eröffne und in ihrer herben
Strenge die Gedankenarmuth wie die Pfuſcherei unnachſichtlich ausſchließe.
Die Kunſt — ſo rief er in dem eigenthümlichen terroriſtiſchen Tone der
jungen Teutonen — die Kunſt ſoll endlich aufhören eine feile Dienerin
üppiger Großen, eine Krämerin und niedere Modezofe zu ſein. Gleich
Schinkel ſah er die Zeit kommen, da die Kunſt an den Mauern unſerer
Städte von innen und außen wiederglänzend das ganze Daſein des Volks
umgeſtalten und heiligen werde. Mit dem ſicheren Stolze eines Refor-
mators der nationalen Geſittung kehrte er über die Alpen zurück, als ihn
nunmehr der junge Kronprinz Ludwig von Baiern nach München berief.
Der Erbe der reichen und allezeit bauluſtigen Wittelsbacher meinte
ſich berufen, in dem bairiſchen Lande, das ſoeben erſt in das geiſtige
Leben der Nation wieder eingetreten war, einen glänzenden Muſenhof zu
gründen. Eine lautere Begeiſterung für die Kunſt wie für den Ruhm
ſeines vergötterten deutſchen Vaterlandes beſeelte den geiſtreichen, phan-
taſtiſchen Fürſten. Die diplomatiſche Welt erzählte ſich kopfſchüttelnd, wie
er zu Rom in altdeutſchem Rocke, Arm in Arm mit dem verdächtigen
demagogiſchen Dichter Friedrich Rückert, die Muſeen und Kirchen durch-
wandert, wie er die deutſchen Maler zutraulich mit ſeinen holprigen Verſen
begrüßt, bei ihren Künſtlerfeſten auf die Vernichtung der Philiſterei und
die Einheit Teutſchlands lärmend mit angeſtoßen hatte. Bei allen ſeinen
künſtleriſchen Plänen wirkte zugleich ein unſteter dynaſtiſcher Ehrgeiz mit:
er hoffte die gründlich verachteten preußiſchen Hungerleider und Empor-
kömmlinge zu überbieten, dem bairiſchen Hauſe durch ein großartiges
Mäcenatenthum die führende Stellung in Deutſchland zu verſchaffen.
Welch ein Gegenſatz zu der Kunſtthätigkeit in Berlin! Dort geſchah nur
was ſich aus der Geſchichte und den Lebensbedürfniſſen eines mächtigen,
an geiſtigen Kräften reichen Staates unabweisbar ergab, die von großen
Künſtlern in ungeſtörter Freiheit geſchaffenen Werke trugen das Gepräge des
Nothwendigen. In München baute man um zu bauen, auf einem Boden,
der von großen Erinnerungen wenig darbot; die von auswärts berufenen
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 2: Bis zu den Karlsbader Beschlüssen. Leipzig, 1882, S. 52. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte02_1882/66>, abgerufen am 27.11.2024.
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