sondern auch die ungleich freier gesinnten beiden Prinzen Wilhelm, der Bruder und der Sohn des Königs. Seit der große Kurfürst einst die Grundlagen des preußischen Abgabenwesens mit eiserner Hand festgestellt, waren die Hohenzollern in ihrer Steuerpolitik stets conservativ verfahren, und wenn Einer von dieser Tradition des Hauses abgewichen war, wie Friedrich der Große bei Einführung seiner Regie, so hatte sich regelmäßig ein starker Unwille im Volke gezeigt. Die Erhebung von mehr als 10 Mill. neuer Steuern stand in Preußens Geschichte ohne Beispiel da, und sie sollte erfolgen unmittelbar nachdem das neue Zollgesetz die Abgaben vom auswärtigen Verkehr völlig umgestaltet hatte.
Wie behutsam auch Hoffmann die Gedanken des Meisters ausführte -- was Hardenberg plante, war doch eine Reform an Haupt und Glie- dern. Drang er mit seinen Absichten durch, so blieb von den althistori- schen Steuern der Monarchie mit Ausnahme der Grundsteuer keine ein- zige unverändert. Die Einheit des Marktgebiets, welche das Zollgesetz als Grundsatz aussprach, verwirklichte sich erst durch die Aufhebung aller der alten Accisen und Octrois; der innere Verkehr ward endlich vollkommen frei, bis auf die wenig lästige Thorsperre an den Mauern der mahl- und schlachtsteuerpflichtigen Städte, und an die Stelle der alten Finanz- politik, welche die weithin zerstreuten Provinzen als halb selbständige Ter- ritorien von einander abgesondert hatte, trat ein völlig neues System, eine Politik der Staatseinheit, die im Laufe der Zeit unvermeidlich dahin trachten mußte, auch die zwischenliegenden Kleinstaaten sich zu unterwerfen. Es war ein Wagniß, kaum minder kühn als die Reformen von 1808 und 1810. Eine so radikale Neuerung mußte dem Nichtfachmanne wohl befremdlich und, bei der Mißstimmung in den neuen Provinzen, gefähr- lich erscheinen. Und dazu die unleugbaren Mängel der Klassensteuer. Selbst nachdem der Staatsrath noch eine höchste Steuerklasse für die Wohlhabenden hinzugefügt hatte, blieb die Begünstigung der Reichen noch sehr auffällig: kein Haushalt sollte mehr als 48 Thlr. zahlen, lediglich weil Hoffmann Bedenken trug, den Klassenstolz der höheren Stände auf- zuregen!
So geschah es denn, daß eine aus ehrenwerthen und zweifelhaften Elementen seltsam gemische Partei sich um Ancillon zusammenfand. Ihr Führer aber entbehrte gänzlich der Sachkenntniß, er versuchte nicht ein- mal einen Gegenvorschlag aufzustellen und verfiel in jene hohlen Phrasen, welche niemals ausbleiben, wenn Dilettanten über Finanzfragen reden. Gleich in der ersten Plenarsitzung (20. April) vertheidigte er den klein- müthigen privatwirthschaftlichen Grundsatz, der schon in der alten Mon- archie so viele Mißgriffe veranlaßt hatte, jetzt aber, am Vorabend einer umfassenden Finanzreform, gradezu wie Hohn klang: den Grundsatz, daß sich die Ausgabe immer nach der vorhandenen Einnahme richten müsse. Darauf beantragte er, den Monarchen zu bitten, daß nochmals untersucht
III. 2. Die letzten Reformen Hardenbergs.
ſondern auch die ungleich freier geſinnten beiden Prinzen Wilhelm, der Bruder und der Sohn des Königs. Seit der große Kurfürſt einſt die Grundlagen des preußiſchen Abgabenweſens mit eiſerner Hand feſtgeſtellt, waren die Hohenzollern in ihrer Steuerpolitik ſtets conſervativ verfahren, und wenn Einer von dieſer Tradition des Hauſes abgewichen war, wie Friedrich der Große bei Einführung ſeiner Regie, ſo hatte ſich regelmäßig ein ſtarker Unwille im Volke gezeigt. Die Erhebung von mehr als 10 Mill. neuer Steuern ſtand in Preußens Geſchichte ohne Beiſpiel da, und ſie ſollte erfolgen unmittelbar nachdem das neue Zollgeſetz die Abgaben vom auswärtigen Verkehr völlig umgeſtaltet hatte.
Wie behutſam auch Hoffmann die Gedanken des Meiſters ausführte — was Hardenberg plante, war doch eine Reform an Haupt und Glie- dern. Drang er mit ſeinen Abſichten durch, ſo blieb von den althiſtori- ſchen Steuern der Monarchie mit Ausnahme der Grundſteuer keine ein- zige unverändert. Die Einheit des Marktgebiets, welche das Zollgeſetz als Grundſatz ausſprach, verwirklichte ſich erſt durch die Aufhebung aller der alten Acciſen und Octrois; der innere Verkehr ward endlich vollkommen frei, bis auf die wenig läſtige Thorſperre an den Mauern der mahl- und ſchlachtſteuerpflichtigen Städte, und an die Stelle der alten Finanz- politik, welche die weithin zerſtreuten Provinzen als halb ſelbſtändige Ter- ritorien von einander abgeſondert hatte, trat ein völlig neues Syſtem, eine Politik der Staatseinheit, die im Laufe der Zeit unvermeidlich dahin trachten mußte, auch die zwiſchenliegenden Kleinſtaaten ſich zu unterwerfen. Es war ein Wagniß, kaum minder kühn als die Reformen von 1808 und 1810. Eine ſo radikale Neuerung mußte dem Nichtfachmanne wohl befremdlich und, bei der Mißſtimmung in den neuen Provinzen, gefähr- lich erſcheinen. Und dazu die unleugbaren Mängel der Klaſſenſteuer. Selbſt nachdem der Staatsrath noch eine höchſte Steuerklaſſe für die Wohlhabenden hinzugefügt hatte, blieb die Begünſtigung der Reichen noch ſehr auffällig: kein Haushalt ſollte mehr als 48 Thlr. zahlen, lediglich weil Hoffmann Bedenken trug, den Klaſſenſtolz der höheren Stände auf- zuregen!
So geſchah es denn, daß eine aus ehrenwerthen und zweifelhaften Elementen ſeltſam gemiſche Partei ſich um Ancillon zuſammenfand. Ihr Führer aber entbehrte gänzlich der Sachkenntniß, er verſuchte nicht ein- mal einen Gegenvorſchlag aufzuſtellen und verfiel in jene hohlen Phraſen, welche niemals ausbleiben, wenn Dilettanten über Finanzfragen reden. Gleich in der erſten Plenarſitzung (20. April) vertheidigte er den klein- müthigen privatwirthſchaftlichen Grundſatz, der ſchon in der alten Mon- archie ſo viele Mißgriffe veranlaßt hatte, jetzt aber, am Vorabend einer umfaſſenden Finanzreform, gradezu wie Hohn klang: den Grundſatz, daß ſich die Ausgabe immer nach der vorhandenen Einnahme richten müſſe. Darauf beantragte er, den Monarchen zu bitten, daß nochmals unterſucht
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Bruder und der Sohn des Königs. Seit der große Kurfürſt einſt die
Grundlagen des preußiſchen Abgabenweſens mit eiſerner Hand feſtgeſtellt,
waren die Hohenzollern in ihrer Steuerpolitik ſtets conſervativ verfahren,
und wenn Einer von dieſer Tradition des Hauſes abgewichen war, wie
Friedrich der Große bei Einführung ſeiner Regie, ſo hatte ſich regelmäßig
ein ſtarker Unwille im Volke gezeigt. Die Erhebung von mehr als 10 Mill.
neuer Steuern ſtand in Preußens Geſchichte ohne Beiſpiel da, und ſie
ſollte erfolgen unmittelbar nachdem das neue Zollgeſetz die Abgaben vom
auswärtigen Verkehr völlig umgeſtaltet hatte.
Wie behutſam auch Hoffmann die Gedanken des Meiſters ausführte
— was Hardenberg plante, war doch eine Reform an Haupt und Glie-
dern. Drang er mit ſeinen Abſichten durch, ſo blieb von den althiſtori-
ſchen Steuern der Monarchie mit Ausnahme der Grundſteuer keine ein-
zige unverändert. Die Einheit des Marktgebiets, welche das Zollgeſetz als
Grundſatz ausſprach, verwirklichte ſich erſt durch die Aufhebung aller der
alten Acciſen und Octrois; der innere Verkehr ward endlich vollkommen
frei, bis auf die wenig läſtige Thorſperre an den Mauern der mahl-
und ſchlachtſteuerpflichtigen Städte, und an die Stelle der alten Finanz-
politik, welche die weithin zerſtreuten Provinzen als halb ſelbſtändige Ter-
ritorien von einander abgeſondert hatte, trat ein völlig neues Syſtem,
eine Politik der Staatseinheit, die im Laufe der Zeit unvermeidlich dahin
trachten mußte, auch die zwiſchenliegenden Kleinſtaaten ſich zu unterwerfen.
Es war ein Wagniß, kaum minder kühn als die Reformen von 1808
und 1810. Eine ſo radikale Neuerung mußte dem Nichtfachmanne wohl
befremdlich und, bei der Mißſtimmung in den neuen Provinzen, gefähr-
lich erſcheinen. Und dazu die unleugbaren Mängel der Klaſſenſteuer.
Selbſt nachdem der Staatsrath noch eine höchſte Steuerklaſſe für die
Wohlhabenden hinzugefügt hatte, blieb die Begünſtigung der Reichen noch
ſehr auffällig: kein Haushalt ſollte mehr als 48 Thlr. zahlen, lediglich
weil Hoffmann Bedenken trug, den Klaſſenſtolz der höheren Stände auf-
zuregen!
So geſchah es denn, daß eine aus ehrenwerthen und zweifelhaften
Elementen ſeltſam gemiſche Partei ſich um Ancillon zuſammenfand. Ihr
Führer aber entbehrte gänzlich der Sachkenntniß, er verſuchte nicht ein-
mal einen Gegenvorſchlag aufzuſtellen und verfiel in jene hohlen Phraſen,
welche niemals ausbleiben, wenn Dilettanten über Finanzfragen reden.
Gleich in der erſten Plenarſitzung (20. April) vertheidigte er den klein-
müthigen privatwirthſchaftlichen Grundſatz, der ſchon in der alten Mon-
archie ſo viele Mißgriffe veranlaßt hatte, jetzt aber, am Vorabend einer
umfaſſenden Finanzreform, gradezu wie Hohn klang: den Grundſatz, daß
ſich die Ausgabe immer nach der vorhandenen Einnahme richten müſſe.
Darauf beantragte er, den Monarchen zu bitten, daß nochmals unterſucht
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 90. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/106>, abgerufen am 23.11.2024.
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