mischung geistlicher und weltlicher Dinge; er dachte die Tage noch zu er- leben, da er die oberstbischöfliche Gewalt in die Hand der Kirche selbst würde zurückgeben können, und verhehlte nicht, daß er die gegenwärtige Verfassung der evangelischen Landeskirche nur als einen Uebergangszustand ansah. "Seit König Friedrich II., so schrieb er in diesen Tagen, hat man sich bemüht, in den Geistlichen nichts als Staatsdiener zu sehen, und dieser unglücklichen Verkehrtheit schreibe ich großentheils das ungeist- liche Leben so vieler! unserer Geistlichen zu."*) Das Idealbild der Kirchenfreiheit beschäftigte den Kronprinzen in seinen besten Stunden; die Frage, wie sich der souveräne Staat neben dieser freien Kirche behaupten solle, stand ihm erst in zweiter Reihe.
Unzertrennlich war diese Kraft des religiösen Gefühls mit der reichen künstlerischen Begabung Friedrich Wilhelms verbunden. Manche hielten ihn schlechtweg für eine Künstlernatur. Aber wie hätte die höfische Er- ziehung ihm bieten können was dem Künstler die Luft des Lebens ist: Natur und Freiheit! Er hatte des Schönen überviel, und mit seligem Entzücken, gesehen; doch den goldenen Boden des Handwerks, dem die ge- sunde Kunst entsprießt, kannte er nicht, und die rechte Künstlerwonne, das fröhliche Wandern mit dem Ränzel auf dem Rücken, blieb dem Königs- sohne versagt. So zeigten sich doch bald in seinen künstlerischen Versuchen die Spuren eines überbildeten Sinnes; seine Baupläne und Zeichnungen waren allesammt eigenthümlich, manche überaus geschmackvoll, aber auch manche schrullenhaft, überladen mit geistreichen Motiven, die keinen Ge- sammteindruck aufkommen ließen. Auch sein ästhetisches Urtheil blieb nicht frei von dieser Neigung zum Absonderlichen. Er bezeigte jedem Talente, das neu auftauchte, freudige Theilnahme und ging auf Schinkel's Pläne mit einem Verständniß ein, das den Meister in Erstaunen setzte; er be- trieb mit enthusiastischem Eifer den Wiederaufbau der Marienburg, und das sollte ihm ein Fest sein, wenn er dereinst seinen Niebuhr nach Griechen- land senden könnte um die Wunderwerke der hellenischen Kunst, die dort noch im Boden schlummerten, ausgraben zu lassen. Seine Lieblinge unter den Kunstwerken aller Zeiten blieben gleichwohl die Basiliken von Ravenna, jene ernsten Bauten, die an der Grenze zweier Weltalter aufgerichtet, dem schlichten Sinne wohl ehrwürdig und geschichtlich lehrreich, doch nimmer- mehr einfach schön erscheinen können. Dort fühlte er sich glücklich, in der einsamen Apollinariskirche, wo die heiligen Bilder altchristlicher Kunst steif und feierlich von dem Goldgrund der Wände niederschauen; in dieser Dämmerwelt sah er Heidenthum und Christenthum, Morgenland und Abendland, Gothen, Byzantiner und Römer vor seinen ahnenden Blicken phantastisch durcheinander spielen.
Seine politischen Ansichten hatte er sich erlebt in den Leidensjahren
*) Separatvotum des Kronprinzen, 14. Febr. 1820.
Religiöſe Geſinnung des Kronprinzen.
miſchung geiſtlicher und weltlicher Dinge; er dachte die Tage noch zu er- leben, da er die oberſtbiſchöfliche Gewalt in die Hand der Kirche ſelbſt würde zurückgeben können, und verhehlte nicht, daß er die gegenwärtige Verfaſſung der evangeliſchen Landeskirche nur als einen Uebergangszuſtand anſah. „Seit König Friedrich II., ſo ſchrieb er in dieſen Tagen, hat man ſich bemüht, in den Geiſtlichen nichts als Staatsdiener zu ſehen, und dieſer unglücklichen Verkehrtheit ſchreibe ich großentheils das ungeiſt- liche Leben ſo vieler! unſerer Geiſtlichen zu.“*) Das Idealbild der Kirchenfreiheit beſchäftigte den Kronprinzen in ſeinen beſten Stunden; die Frage, wie ſich der ſouveräne Staat neben dieſer freien Kirche behaupten ſolle, ſtand ihm erſt in zweiter Reihe.
Unzertrennlich war dieſe Kraft des religiöſen Gefühls mit der reichen künſtleriſchen Begabung Friedrich Wilhelms verbunden. Manche hielten ihn ſchlechtweg für eine Künſtlernatur. Aber wie hätte die höfiſche Er- ziehung ihm bieten können was dem Künſtler die Luft des Lebens iſt: Natur und Freiheit! Er hatte des Schönen überviel, und mit ſeligem Entzücken, geſehen; doch den goldenen Boden des Handwerks, dem die ge- ſunde Kunſt entſprießt, kannte er nicht, und die rechte Künſtlerwonne, das fröhliche Wandern mit dem Ränzel auf dem Rücken, blieb dem Königs- ſohne verſagt. So zeigten ſich doch bald in ſeinen künſtleriſchen Verſuchen die Spuren eines überbildeten Sinnes; ſeine Baupläne und Zeichnungen waren alleſammt eigenthümlich, manche überaus geſchmackvoll, aber auch manche ſchrullenhaft, überladen mit geiſtreichen Motiven, die keinen Ge- ſammteindruck aufkommen ließen. Auch ſein äſthetiſches Urtheil blieb nicht frei von dieſer Neigung zum Abſonderlichen. Er bezeigte jedem Talente, das neu auftauchte, freudige Theilnahme und ging auf Schinkel’s Pläne mit einem Verſtändniß ein, das den Meiſter in Erſtaunen ſetzte; er be- trieb mit enthuſiaſtiſchem Eifer den Wiederaufbau der Marienburg, und das ſollte ihm ein Feſt ſein, wenn er dereinſt ſeinen Niebuhr nach Griechen- land ſenden könnte um die Wunderwerke der helleniſchen Kunſt, die dort noch im Boden ſchlummerten, ausgraben zu laſſen. Seine Lieblinge unter den Kunſtwerken aller Zeiten blieben gleichwohl die Baſiliken von Ravenna, jene ernſten Bauten, die an der Grenze zweier Weltalter aufgerichtet, dem ſchlichten Sinne wohl ehrwürdig und geſchichtlich lehrreich, doch nimmer- mehr einfach ſchön erſcheinen können. Dort fühlte er ſich glücklich, in der einſamen Apollinariskirche, wo die heiligen Bilder altchriſtlicher Kunſt ſteif und feierlich von dem Goldgrund der Wände niederſchauen; in dieſer Dämmerwelt ſah er Heidenthum und Chriſtenthum, Morgenland und Abendland, Gothen, Byzantiner und Römer vor ſeinen ahnenden Blicken phantaſtiſch durcheinander ſpielen.
Seine politiſchen Anſichten hatte er ſich erlebt in den Leidensjahren
*) Separatvotum des Kronprinzen, 14. Febr. 1820.
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Religiöſe Geſinnung des Kronprinzen.
miſchung geiſtlicher und weltlicher Dinge; er dachte die Tage noch zu er-
leben, da er die oberſtbiſchöfliche Gewalt in die Hand der Kirche ſelbſt
würde zurückgeben können, und verhehlte nicht, daß er die gegenwärtige
Verfaſſung der evangeliſchen Landeskirche nur als einen Uebergangszuſtand
anſah. „Seit König Friedrich II., ſo ſchrieb er in dieſen Tagen, hat
man ſich bemüht, in den Geiſtlichen nichts als Staatsdiener zu ſehen, und
dieſer unglücklichen Verkehrtheit ſchreibe ich großentheils das ungeiſt-
liche Leben ſo vieler! unſerer Geiſtlichen zu.“ *) Das Idealbild der
Kirchenfreiheit beſchäftigte den Kronprinzen in ſeinen beſten Stunden; die
Frage, wie ſich der ſouveräne Staat neben dieſer freien Kirche behaupten
ſolle, ſtand ihm erſt in zweiter Reihe.
Unzertrennlich war dieſe Kraft des religiöſen Gefühls mit der reichen
künſtleriſchen Begabung Friedrich Wilhelms verbunden. Manche hielten
ihn ſchlechtweg für eine Künſtlernatur. Aber wie hätte die höfiſche Er-
ziehung ihm bieten können was dem Künſtler die Luft des Lebens iſt:
Natur und Freiheit! Er hatte des Schönen überviel, und mit ſeligem
Entzücken, geſehen; doch den goldenen Boden des Handwerks, dem die ge-
ſunde Kunſt entſprießt, kannte er nicht, und die rechte Künſtlerwonne, das
fröhliche Wandern mit dem Ränzel auf dem Rücken, blieb dem Königs-
ſohne verſagt. So zeigten ſich doch bald in ſeinen künſtleriſchen Verſuchen
die Spuren eines überbildeten Sinnes; ſeine Baupläne und Zeichnungen
waren alleſammt eigenthümlich, manche überaus geſchmackvoll, aber auch
manche ſchrullenhaft, überladen mit geiſtreichen Motiven, die keinen Ge-
ſammteindruck aufkommen ließen. Auch ſein äſthetiſches Urtheil blieb nicht
frei von dieſer Neigung zum Abſonderlichen. Er bezeigte jedem Talente,
das neu auftauchte, freudige Theilnahme und ging auf Schinkel’s Pläne
mit einem Verſtändniß ein, das den Meiſter in Erſtaunen ſetzte; er be-
trieb mit enthuſiaſtiſchem Eifer den Wiederaufbau der Marienburg, und
das ſollte ihm ein Feſt ſein, wenn er dereinſt ſeinen Niebuhr nach Griechen-
land ſenden könnte um die Wunderwerke der helleniſchen Kunſt, die dort
noch im Boden ſchlummerten, ausgraben zu laſſen. Seine Lieblinge unter
den Kunſtwerken aller Zeiten blieben gleichwohl die Baſiliken von Ravenna,
jene ernſten Bauten, die an der Grenze zweier Weltalter aufgerichtet, dem
ſchlichten Sinne wohl ehrwürdig und geſchichtlich lehrreich, doch nimmer-
mehr einfach ſchön erſcheinen können. Dort fühlte er ſich glücklich, in der
einſamen Apollinariskirche, wo die heiligen Bilder altchriſtlicher Kunſt ſteif
und feierlich von dem Goldgrund der Wände niederſchauen; in dieſer
Dämmerwelt ſah er Heidenthum und Chriſtenthum, Morgenland und
Abendland, Gothen, Byzantiner und Römer vor ſeinen ahnenden Blicken
phantaſtiſch durcheinander ſpielen.
Seine politiſchen Anſichten hatte er ſich erlebt in den Leidensjahren
*) Separatvotum des Kronprinzen, 14. Febr. 1820.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 121. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/137>, abgerufen am 04.12.2024.
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