Widerstande in dem Gefechte von Novara. Einige Tübinger Studenten und andere junge Liberale, die aus den Nachbarlanden herbeizogen, fan- den das Heer der Revolution bereits in voller Auflösung; ein Geheim- bund in der Lombardei, der schon zum Losschlagen bereit stand, ging ent- muthigt auseinander.
Aber auch Rußlands Hilfe war nunmehr überflüssig. Mit zwei leichten Schlägen, binnen vier Wochen, hatte Oesterreich allein den Aufstand im Süden wie im Norden der Halbinsel niedergeworfen, sein Wille gebot von den Alpen bis zum ionischen Meere, und der staatsmännischen Größe des siegreichen Metternich huldigte alle Welt, nicht blos die Diplomatie, die doch einen raschen Erfolg erwartet, sondern fast mehr noch die widerstre- bende liberale Partei, die sich über die Schwäche der Revolution so gründ- lich getäuscht hatte. Mit übermüthiger Schadenfreude berichtete Gentz im Oesterreichischen Beobachter, wie die Helden der Freiheit am Tage der Schlacht nur die Künste des Pulcinells gezeigt hätten, und schloß befriedigt: "Der bessere Bürger verbindet sich freudig mit der schützenden Uebermacht, sein Vaterland von dem verderblichen Auswurfe der Letzten dieser Sekte zu reinigen, für die es kein Heil als das allgemeine Unglück, keine Hoffnung als die einer einsamen Herrschaft auf dem Schauplatze ihrer Zerstörung giebt."
Für dies Werk der Reinigung bedurfte die Fremdherrschaft der Bour- bonen allerdings eines schärferen Besens als das nationale Fürstenhaus von Savoyen. Anfangs erschien die halberzwungene Abdankung Victor Emmanuel's den Ostmächten als ein unzulässiger Verstoß wider die strengen Grundsätze des legitimen Rechts. Die beiden Kaiser versuchten sogar den alten König umzustimmen; auch König Friedrich Wilhelm mahnte ihn brieflich zur Wiederbesteigung des Thrones. Er aber blieb fest, und die Monarchen beruhigten sich endlich, zumal da sein Nachfolger sich als harter Legitimist bewährte und in Laibach an dem Herzog von Modena einen beredten Fürsprecher fand. Das starre, bigotte, geistlose Regiment des neuen Königs traf die Empörer mit harten Strafen, und Metternich beeilte sich auch die Eidgenossenschaft zur Mitwirkung aufzufordern, da sie durch ihre Gastfreundschaft für die piemontesischen Flüchtlinge "ihre Neutralität moralisch verletze". Indeß vermied Karl Felix offenbare Rechts- verletzung und Grausamkeit, er bemühte sich selbst mit landesväterlichem Eifer, die Oesterreicher zu baldiger Räumung des Landes zu bewegen; das alte herzliche Verhältniß zwischen Fürst und Volk ward nicht auf die Dauer getrübt.*) Zu besonderer Genugthuung gereichte dem Wiener Hofe die Entwürdigung des Prinzen von Carignan, der nunmehr dem Throne am nächsten stand. Der unglückliche Prinz war bisher die Hoffnung der Pa-
*) Bernstorff's Bericht, 30. März. Krusemark's Berichte, 2. Mai, 2. Juni, 7., 14., 28. Juli. Metternich an den k. k. Gesandten v. Schraut in Bern, 18. April 1821.
Niederlage der Piemonteſen.
Widerſtande in dem Gefechte von Novara. Einige Tübinger Studenten und andere junge Liberale, die aus den Nachbarlanden herbeizogen, fan- den das Heer der Revolution bereits in voller Auflöſung; ein Geheim- bund in der Lombardei, der ſchon zum Losſchlagen bereit ſtand, ging ent- muthigt auseinander.
Aber auch Rußlands Hilfe war nunmehr überflüſſig. Mit zwei leichten Schlägen, binnen vier Wochen, hatte Oeſterreich allein den Aufſtand im Süden wie im Norden der Halbinſel niedergeworfen, ſein Wille gebot von den Alpen bis zum ioniſchen Meere, und der ſtaatsmänniſchen Größe des ſiegreichen Metternich huldigte alle Welt, nicht blos die Diplomatie, die doch einen raſchen Erfolg erwartet, ſondern faſt mehr noch die widerſtre- bende liberale Partei, die ſich über die Schwäche der Revolution ſo gründ- lich getäuſcht hatte. Mit übermüthiger Schadenfreude berichtete Gentz im Oeſterreichiſchen Beobachter, wie die Helden der Freiheit am Tage der Schlacht nur die Künſte des Pulcinells gezeigt hätten, und ſchloß befriedigt: „Der beſſere Bürger verbindet ſich freudig mit der ſchützenden Uebermacht, ſein Vaterland von dem verderblichen Auswurfe der Letzten dieſer Sekte zu reinigen, für die es kein Heil als das allgemeine Unglück, keine Hoffnung als die einer einſamen Herrſchaft auf dem Schauplatze ihrer Zerſtörung giebt.“
Für dies Werk der Reinigung bedurfte die Fremdherrſchaft der Bour- bonen allerdings eines ſchärferen Beſens als das nationale Fürſtenhaus von Savoyen. Anfangs erſchien die halberzwungene Abdankung Victor Emmanuel’s den Oſtmächten als ein unzuläſſiger Verſtoß wider die ſtrengen Grundſätze des legitimen Rechts. Die beiden Kaiſer verſuchten ſogar den alten König umzuſtimmen; auch König Friedrich Wilhelm mahnte ihn brieflich zur Wiederbeſteigung des Thrones. Er aber blieb feſt, und die Monarchen beruhigten ſich endlich, zumal da ſein Nachfolger ſich als harter Legitimiſt bewährte und in Laibach an dem Herzog von Modena einen beredten Fürſprecher fand. Das ſtarre, bigotte, geiſtloſe Regiment des neuen Königs traf die Empörer mit harten Strafen, und Metternich beeilte ſich auch die Eidgenoſſenſchaft zur Mitwirkung aufzufordern, da ſie durch ihre Gaſtfreundſchaft für die piemonteſiſchen Flüchtlinge „ihre Neutralität moraliſch verletze“. Indeß vermied Karl Felix offenbare Rechts- verletzung und Grauſamkeit, er bemühte ſich ſelbſt mit landesväterlichem Eifer, die Oeſterreicher zu baldiger Räumung des Landes zu bewegen; das alte herzliche Verhältniß zwiſchen Fürſt und Volk ward nicht auf die Dauer getrübt.*) Zu beſonderer Genugthuung gereichte dem Wiener Hofe die Entwürdigung des Prinzen von Carignan, der nunmehr dem Throne am nächſten ſtand. Der unglückliche Prinz war bisher die Hoffnung der Pa-
*) Bernſtorff’s Bericht, 30. März. Kruſemark’s Berichte, 2. Mai, 2. Juni, 7., 14., 28. Juli. Metternich an den k. k. Geſandten v. Schraut in Bern, 18. April 1821.
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0199"n="183"/><fwplace="top"type="header">Niederlage der Piemonteſen.</fw><lb/>
Widerſtande in dem Gefechte von Novara. Einige Tübinger Studenten<lb/>
und andere junge Liberale, die aus den Nachbarlanden herbeizogen, fan-<lb/>
den das Heer der Revolution bereits in voller Auflöſung; ein Geheim-<lb/>
bund in der Lombardei, der ſchon zum Losſchlagen bereit ſtand, ging ent-<lb/>
muthigt auseinander.</p><lb/><p>Aber auch Rußlands Hilfe war nunmehr überflüſſig. Mit zwei leichten<lb/>
Schlägen, binnen vier Wochen, hatte Oeſterreich allein den Aufſtand im<lb/>
Süden wie im Norden der Halbinſel niedergeworfen, ſein Wille gebot von<lb/>
den Alpen bis zum ioniſchen Meere, und der ſtaatsmänniſchen Größe des<lb/>ſiegreichen Metternich huldigte alle Welt, nicht blos die Diplomatie, die<lb/>
doch einen raſchen Erfolg erwartet, ſondern faſt mehr noch die widerſtre-<lb/>
bende liberale Partei, die ſich über die Schwäche der Revolution ſo gründ-<lb/>
lich getäuſcht hatte. Mit übermüthiger Schadenfreude berichtete Gentz im<lb/>
Oeſterreichiſchen Beobachter, wie die Helden der Freiheit am Tage der<lb/>
Schlacht nur die Künſte des Pulcinells gezeigt hätten, und ſchloß befriedigt:<lb/>„Der beſſere Bürger verbindet ſich freudig mit der ſchützenden Uebermacht,<lb/>ſein Vaterland von dem verderblichen Auswurfe der Letzten dieſer Sekte zu<lb/>
reinigen, für die es kein Heil als das allgemeine Unglück, keine Hoffnung<lb/>
als die einer einſamen Herrſchaft auf dem Schauplatze ihrer Zerſtörung<lb/>
giebt.“</p><lb/><p>Für dies Werk der Reinigung bedurfte die Fremdherrſchaft der Bour-<lb/>
bonen allerdings eines ſchärferen Beſens als das nationale Fürſtenhaus<lb/>
von Savoyen. Anfangs erſchien die halberzwungene Abdankung Victor<lb/>
Emmanuel’s den Oſtmächten als ein unzuläſſiger Verſtoß wider die<lb/>ſtrengen Grundſätze des legitimen Rechts. Die beiden Kaiſer verſuchten<lb/>ſogar den alten König umzuſtimmen; auch König Friedrich Wilhelm mahnte<lb/>
ihn brieflich zur Wiederbeſteigung des Thrones. Er aber blieb feſt, und<lb/>
die Monarchen beruhigten ſich endlich, zumal da ſein Nachfolger ſich als<lb/>
harter Legitimiſt bewährte und in Laibach an dem Herzog von Modena<lb/>
einen beredten Fürſprecher fand. Das ſtarre, bigotte, geiſtloſe Regiment<lb/>
des neuen Königs traf die Empörer mit harten Strafen, und Metternich<lb/>
beeilte ſich auch die Eidgenoſſenſchaft zur Mitwirkung aufzufordern, da<lb/>ſie durch ihre Gaſtfreundſchaft für die piemonteſiſchen Flüchtlinge „ihre<lb/>
Neutralität moraliſch verletze“. Indeß vermied Karl Felix offenbare Rechts-<lb/>
verletzung und Grauſamkeit, er bemühte ſich ſelbſt mit landesväterlichem<lb/>
Eifer, die Oeſterreicher zu baldiger Räumung des Landes zu bewegen; das<lb/>
alte herzliche Verhältniß zwiſchen Fürſt und Volk ward nicht auf die Dauer<lb/>
getrübt.<noteplace="foot"n="*)">Bernſtorff’s Bericht, 30. März. Kruſemark’s Berichte, 2. Mai, 2. Juni, 7., 14.,<lb/>
28. Juli. Metternich an den k. k. Geſandten v. Schraut in Bern, 18. April 1821.</note> Zu beſonderer Genugthuung gereichte dem Wiener Hofe die<lb/>
Entwürdigung des Prinzen von Carignan, der nunmehr dem Throne am<lb/>
nächſten ſtand. Der unglückliche Prinz war bisher die Hoffnung der Pa-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[183/0199]
Niederlage der Piemonteſen.
Widerſtande in dem Gefechte von Novara. Einige Tübinger Studenten
und andere junge Liberale, die aus den Nachbarlanden herbeizogen, fan-
den das Heer der Revolution bereits in voller Auflöſung; ein Geheim-
bund in der Lombardei, der ſchon zum Losſchlagen bereit ſtand, ging ent-
muthigt auseinander.
Aber auch Rußlands Hilfe war nunmehr überflüſſig. Mit zwei leichten
Schlägen, binnen vier Wochen, hatte Oeſterreich allein den Aufſtand im
Süden wie im Norden der Halbinſel niedergeworfen, ſein Wille gebot von
den Alpen bis zum ioniſchen Meere, und der ſtaatsmänniſchen Größe des
ſiegreichen Metternich huldigte alle Welt, nicht blos die Diplomatie, die
doch einen raſchen Erfolg erwartet, ſondern faſt mehr noch die widerſtre-
bende liberale Partei, die ſich über die Schwäche der Revolution ſo gründ-
lich getäuſcht hatte. Mit übermüthiger Schadenfreude berichtete Gentz im
Oeſterreichiſchen Beobachter, wie die Helden der Freiheit am Tage der
Schlacht nur die Künſte des Pulcinells gezeigt hätten, und ſchloß befriedigt:
„Der beſſere Bürger verbindet ſich freudig mit der ſchützenden Uebermacht,
ſein Vaterland von dem verderblichen Auswurfe der Letzten dieſer Sekte zu
reinigen, für die es kein Heil als das allgemeine Unglück, keine Hoffnung
als die einer einſamen Herrſchaft auf dem Schauplatze ihrer Zerſtörung
giebt.“
Für dies Werk der Reinigung bedurfte die Fremdherrſchaft der Bour-
bonen allerdings eines ſchärferen Beſens als das nationale Fürſtenhaus
von Savoyen. Anfangs erſchien die halberzwungene Abdankung Victor
Emmanuel’s den Oſtmächten als ein unzuläſſiger Verſtoß wider die
ſtrengen Grundſätze des legitimen Rechts. Die beiden Kaiſer verſuchten
ſogar den alten König umzuſtimmen; auch König Friedrich Wilhelm mahnte
ihn brieflich zur Wiederbeſteigung des Thrones. Er aber blieb feſt, und
die Monarchen beruhigten ſich endlich, zumal da ſein Nachfolger ſich als
harter Legitimiſt bewährte und in Laibach an dem Herzog von Modena
einen beredten Fürſprecher fand. Das ſtarre, bigotte, geiſtloſe Regiment
des neuen Königs traf die Empörer mit harten Strafen, und Metternich
beeilte ſich auch die Eidgenoſſenſchaft zur Mitwirkung aufzufordern, da
ſie durch ihre Gaſtfreundſchaft für die piemonteſiſchen Flüchtlinge „ihre
Neutralität moraliſch verletze“. Indeß vermied Karl Felix offenbare Rechts-
verletzung und Grauſamkeit, er bemühte ſich ſelbſt mit landesväterlichem
Eifer, die Oeſterreicher zu baldiger Räumung des Landes zu bewegen; das
alte herzliche Verhältniß zwiſchen Fürſt und Volk ward nicht auf die Dauer
getrübt. *) Zu beſonderer Genugthuung gereichte dem Wiener Hofe die
Entwürdigung des Prinzen von Carignan, der nunmehr dem Throne am
nächſten ſtand. Der unglückliche Prinz war bisher die Hoffnung der Pa-
*) Bernſtorff’s Bericht, 30. März. Kruſemark’s Berichte, 2. Mai, 2. Juni, 7., 14.,
28. Juli. Metternich an den k. k. Geſandten v. Schraut in Bern, 18. April 1821.
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/199>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.