III. 4. Der Ausgang des preußischen Verfassungskampfes.
findung" rundweg bestritten; nur die Pflicht, mit ihrem dienenden Arme die Kirche zu schützen, liege den Fürsten ob, den protestantischen wie den katholischen, denn auch die abgefallenen gehörten zur Heerde des heiligen Vaters. Wenn der Staat die Kirche mit Einkünften ausstatte, so gebe er ihr nur ihr Eigenthum zurück. Darum bedürften auch die vom hei- ligen Geiste selbst eingesetzten Bischöfe keiner Genehmigung von Seiten der Staatsgewalt; der Clerus aber müsse von aller weltlichen Strafge- richtsbarkeit befreit, seine Erziehung ausschließlich der Kirche überlassen werden. Die Denkschrift enthielt nichts weiter als die wohlbekannten un- wandelbaren Ansprüche römischer Weltherrschaft; überraschend war nur, daß der milde Papst dem Könige von England-Hannover, der ihm erst vor drei Jahren den Kirchenstaat wieder geschenkt hatte, diese Herzens- geheimnisse ins Gesicht zu schleudern wagte.
Mit einer Macht, die in solchen Grundsätzen lebte, konnte ein stolzer Staat niemals zu einer vollkommenen Verständigung gelangen. Daher rieth Altenstein schon im Mai 1818, der König möge sich auf keine grund- sätzliche Erörterung seiner Hoheitsrechte einlassen, sondern mit der Curie lediglich über die eine Reform verhandeln, die nach Kirchenrecht nicht ohne den Papst vollzogen werden konnte, über die Abgrenzung und Ausstattung der neuen Landesbisthümer. Es währte noch fast zwei Jahre, bis diese verständige Meinung völlig durchgedrungen war. Erst im Mai 1820 wurde der Gesandte beauftragt, der Curie zu eröffnen, unter welchen Bedin- gungen der König den Erlaß einer Circumscriptionsbulle genehmigen wolle, und einmal auf ein bestimmtes Ziel hingewiesen, führte Niebuhr die Verhandlungen fest und umsichtig, in großem Stile. Die Krone ver- mied jede den Grundsätzen der Curie widersprechende Forderung und er- bot sich von freien Stücken zu einer so reichen Ausstattung der Bisthümer, daß der freudig überraschte Papst bereitwillig auf die enger begrenzte Ver- handlung einging, obwohl er anfangs ein umfassendes Concordat ge- wünscht hatte. Er äußerte nachher, an diesem König habe er nicht einen protestantischen Fürsten, sondern einen Erben Theodosius' des Großen ge- funden. Bei der Berathung der Einzelheiten verfuhr Niebuhr peinlich gewissenhaft, so daß Consalvi klagte, der Preuße lasse ihn allzu sehr schwitzen, aber auch mit ungeheucheltem Wohlwollen, ganz ohne Hinter- gedanken. Das freundliche Einvernehmen ward nicht einen Augenblick getrübt. Um die Freiheit der Protestanten zu schützen, bestand der Gesandte darauf, daß nicht das gesammte Staatsgebiet, wie die Curie wünschte, sondern nur die katholischen Pfarreien und Kirchen nebst ihren Gemeinde- gliedern den neuen Sprengeln zugewiesen würden.
Neun Bisthümer, erheblich größer als die bairischen, sollten fortan bestehen: im Westen die vereinigten Erzbisthümer von Posen und Gnesen mit dem Suffraganbischof von Kulm, und die dem Papste unmittelbar unterworfenen Bisthümer Breslau und Ermeland. Im Westen wurde
III. 4. Der Ausgang des preußiſchen Verfaſſungskampfes.
findung“ rundweg beſtritten; nur die Pflicht, mit ihrem dienenden Arme die Kirche zu ſchützen, liege den Fürſten ob, den proteſtantiſchen wie den katholiſchen, denn auch die abgefallenen gehörten zur Heerde des heiligen Vaters. Wenn der Staat die Kirche mit Einkünften ausſtatte, ſo gebe er ihr nur ihr Eigenthum zurück. Darum bedürften auch die vom hei- ligen Geiſte ſelbſt eingeſetzten Biſchöfe keiner Genehmigung von Seiten der Staatsgewalt; der Clerus aber müſſe von aller weltlichen Strafge- richtsbarkeit befreit, ſeine Erziehung ausſchließlich der Kirche überlaſſen werden. Die Denkſchrift enthielt nichts weiter als die wohlbekannten un- wandelbaren Anſprüche römiſcher Weltherrſchaft; überraſchend war nur, daß der milde Papſt dem Könige von England-Hannover, der ihm erſt vor drei Jahren den Kirchenſtaat wieder geſchenkt hatte, dieſe Herzens- geheimniſſe ins Geſicht zu ſchleudern wagte.
Mit einer Macht, die in ſolchen Grundſätzen lebte, konnte ein ſtolzer Staat niemals zu einer vollkommenen Verſtändigung gelangen. Daher rieth Altenſtein ſchon im Mai 1818, der König möge ſich auf keine grund- ſätzliche Erörterung ſeiner Hoheitsrechte einlaſſen, ſondern mit der Curie lediglich über die eine Reform verhandeln, die nach Kirchenrecht nicht ohne den Papſt vollzogen werden konnte, über die Abgrenzung und Ausſtattung der neuen Landesbisthümer. Es währte noch faſt zwei Jahre, bis dieſe verſtändige Meinung völlig durchgedrungen war. Erſt im Mai 1820 wurde der Geſandte beauftragt, der Curie zu eröffnen, unter welchen Bedin- gungen der König den Erlaß einer Circumſcriptionsbulle genehmigen wolle, und einmal auf ein beſtimmtes Ziel hingewieſen, führte Niebuhr die Verhandlungen feſt und umſichtig, in großem Stile. Die Krone ver- mied jede den Grundſätzen der Curie widerſprechende Forderung und er- bot ſich von freien Stücken zu einer ſo reichen Ausſtattung der Bisthümer, daß der freudig überraſchte Papſt bereitwillig auf die enger begrenzte Ver- handlung einging, obwohl er anfangs ein umfaſſendes Concordat ge- wünſcht hatte. Er äußerte nachher, an dieſem König habe er nicht einen proteſtantiſchen Fürſten, ſondern einen Erben Theodoſius’ des Großen ge- funden. Bei der Berathung der Einzelheiten verfuhr Niebuhr peinlich gewiſſenhaft, ſo daß Conſalvi klagte, der Preuße laſſe ihn allzu ſehr ſchwitzen, aber auch mit ungeheucheltem Wohlwollen, ganz ohne Hinter- gedanken. Das freundliche Einvernehmen ward nicht einen Augenblick getrübt. Um die Freiheit der Proteſtanten zu ſchützen, beſtand der Geſandte darauf, daß nicht das geſammte Staatsgebiet, wie die Curie wünſchte, ſondern nur die katholiſchen Pfarreien und Kirchen nebſt ihren Gemeinde- gliedern den neuen Sprengeln zugewieſen würden.
Neun Bisthümer, erheblich größer als die bairiſchen, ſollten fortan beſtehen: im Weſten die vereinigten Erzbisthümer von Poſen und Gneſen mit dem Suffraganbiſchof von Kulm, und die dem Papſte unmittelbar unterworfenen Bisthümer Breslau und Ermeland. Im Weſten wurde
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III. 4. Der Ausgang des preußiſchen Verfaſſungskampfes.
findung“ rundweg beſtritten; nur die Pflicht, mit ihrem dienenden Arme
die Kirche zu ſchützen, liege den Fürſten ob, den proteſtantiſchen wie den
katholiſchen, denn auch die abgefallenen gehörten zur Heerde des heiligen
Vaters. Wenn der Staat die Kirche mit Einkünften ausſtatte, ſo gebe
er ihr nur ihr Eigenthum zurück. Darum bedürften auch die vom hei-
ligen Geiſte ſelbſt eingeſetzten Biſchöfe keiner Genehmigung von Seiten
der Staatsgewalt; der Clerus aber müſſe von aller weltlichen Strafge-
richtsbarkeit befreit, ſeine Erziehung ausſchließlich der Kirche überlaſſen
werden. Die Denkſchrift enthielt nichts weiter als die wohlbekannten un-
wandelbaren Anſprüche römiſcher Weltherrſchaft; überraſchend war nur,
daß der milde Papſt dem Könige von England-Hannover, der ihm erſt
vor drei Jahren den Kirchenſtaat wieder geſchenkt hatte, dieſe Herzens-
geheimniſſe ins Geſicht zu ſchleudern wagte.
Mit einer Macht, die in ſolchen Grundſätzen lebte, konnte ein ſtolzer
Staat niemals zu einer vollkommenen Verſtändigung gelangen. Daher
rieth Altenſtein ſchon im Mai 1818, der König möge ſich auf keine grund-
ſätzliche Erörterung ſeiner Hoheitsrechte einlaſſen, ſondern mit der Curie
lediglich über die eine Reform verhandeln, die nach Kirchenrecht nicht ohne
den Papſt vollzogen werden konnte, über die Abgrenzung und Ausſtattung
der neuen Landesbisthümer. Es währte noch faſt zwei Jahre, bis dieſe
verſtändige Meinung völlig durchgedrungen war. Erſt im Mai 1820 wurde
der Geſandte beauftragt, der Curie zu eröffnen, unter welchen Bedin-
gungen der König den Erlaß einer Circumſcriptionsbulle genehmigen
wolle, und einmal auf ein beſtimmtes Ziel hingewieſen, führte Niebuhr
die Verhandlungen feſt und umſichtig, in großem Stile. Die Krone ver-
mied jede den Grundſätzen der Curie widerſprechende Forderung und er-
bot ſich von freien Stücken zu einer ſo reichen Ausſtattung der Bisthümer,
daß der freudig überraſchte Papſt bereitwillig auf die enger begrenzte Ver-
handlung einging, obwohl er anfangs ein umfaſſendes Concordat ge-
wünſcht hatte. Er äußerte nachher, an dieſem König habe er nicht einen
proteſtantiſchen Fürſten, ſondern einen Erben Theodoſius’ des Großen ge-
funden. Bei der Berathung der Einzelheiten verfuhr Niebuhr peinlich
gewiſſenhaft, ſo daß Conſalvi klagte, der Preuße laſſe ihn allzu ſehr
ſchwitzen, aber auch mit ungeheucheltem Wohlwollen, ganz ohne Hinter-
gedanken. Das freundliche Einvernehmen ward nicht einen Augenblick
getrübt. Um die Freiheit der Proteſtanten zu ſchützen, beſtand der Geſandte
darauf, daß nicht das geſammte Staatsgebiet, wie die Curie wünſchte,
ſondern nur die katholiſchen Pfarreien und Kirchen nebſt ihren Gemeinde-
gliedern den neuen Sprengeln zugewieſen würden.
Neun Bisthümer, erheblich größer als die bairiſchen, ſollten fortan
beſtehen: im Weſten die vereinigten Erzbisthümer von Poſen und Gneſen
mit dem Suffraganbiſchof von Kulm, und die dem Papſte unmittelbar
unterworfenen Bisthümer Breslau und Ermeland. Im Weſten wurde
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 204. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/220>, abgerufen am 21.11.2024.
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