Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.Hardenberg's Tod. ordnung, dann Sieg und Erhebung, dann die Wiedererwerbung derHälfte des Staatsgebiets, dann der Neubau der Verwaltung und die Be- freiung des Marktes, endlich die Steuergesetze und jenes Staatsschulden- Edikt, aus dem dereinst die preußischen Reichsstände hervorgehen mußten; und alle diese Erfolge waren gewiß nicht durch Hardenberg allein, aber auch nicht ohne ihn möglich geworden. Wir Nachlebenden erkennen die Schranken seiner Begabung, wenn wir ihn neben den ersten Kanzler des deutschen Reiches stellen, und wir ermessen den Werth seines fruchtbaren, noch heute fortwirkenden Schaffens, wenn wir ihn mit seinem österreichischen Nebenbuhler vergleichen, der, glücklicher im Augenblick, zuletzt noch selber das ganze Werk seines Lebens spurlos zusammenbrechen sah. Der Idealismus unseres Volkes urtheilt anspruchsvoll über die Männer der That. Die Deutschen wollen lieben wenn sie ehren sollen; das hatte König Friedrich in der tiefen Einsamkeit seiner letzten Jahre erfahren müssen. Doch sie wollen auch achten wo sie lieben sollen; und weil der weiche, leichtlebige Jüngling im Greisenhaar so wenig Achtung erzwingt, darum wird sich die Liebe der Deutschen, wenn sie der Befreiungskriege gedenken, immer den Helden des Willens, den Stein und Scharnhorst, Blücher und Gnei- senau zuwenden und Hardenberg's eigenthümliche Größe allezeit nur einem kleinen Kreise politischer Köpfe ganz verständlich bleiben. Das Gewissen des Volkes empfindet, daß der Charakter, nicht das Talent die Geschicke der Staaten bestimmt. -- Hardenberg’s Tod. ordnung, dann Sieg und Erhebung, dann die Wiedererwerbung derHälfte des Staatsgebiets, dann der Neubau der Verwaltung und die Be- freiung des Marktes, endlich die Steuergeſetze und jenes Staatsſchulden- Edikt, aus dem dereinſt die preußiſchen Reichsſtände hervorgehen mußten; und alle dieſe Erfolge waren gewiß nicht durch Hardenberg allein, aber auch nicht ohne ihn möglich geworden. Wir Nachlebenden erkennen die Schranken ſeiner Begabung, wenn wir ihn neben den erſten Kanzler des deutſchen Reiches ſtellen, und wir ermeſſen den Werth ſeines fruchtbaren, noch heute fortwirkenden Schaffens, wenn wir ihn mit ſeinem öſterreichiſchen Nebenbuhler vergleichen, der, glücklicher im Augenblick, zuletzt noch ſelber das ganze Werk ſeines Lebens ſpurlos zuſammenbrechen ſah. Der Idealismus unſeres Volkes urtheilt anſpruchsvoll über die Männer der That. Die Deutſchen wollen lieben wenn ſie ehren ſollen; das hatte König Friedrich in der tiefen Einſamkeit ſeiner letzten Jahre erfahren müſſen. Doch ſie wollen auch achten wo ſie lieben ſollen; und weil der weiche, leichtlebige Jüngling im Greiſenhaar ſo wenig Achtung erzwingt, darum wird ſich die Liebe der Deutſchen, wenn ſie der Befreiungskriege gedenken, immer den Helden des Willens, den Stein und Scharnhorſt, Blücher und Gnei- ſenau zuwenden und Hardenberg’s eigenthümliche Größe allezeit nur einem kleinen Kreiſe politiſcher Köpfe ganz verſtändlich bleiben. Das Gewiſſen des Volkes empfindet, daß der Charakter, nicht das Talent die Geſchicke der Staaten beſtimmt. — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0269" n="253"/><fw place="top" type="header">Hardenberg’s Tod.</fw><lb/> ordnung, dann Sieg und Erhebung, dann die Wiedererwerbung der<lb/> Hälfte des Staatsgebiets, dann der Neubau der Verwaltung und die Be-<lb/> freiung des Marktes, endlich die Steuergeſetze und jenes Staatsſchulden-<lb/> Edikt, aus dem dereinſt die preußiſchen Reichsſtände hervorgehen mußten;<lb/> und alle dieſe Erfolge waren gewiß nicht durch Hardenberg allein, aber<lb/> auch nicht ohne ihn möglich geworden. 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Hardenberg’s Tod.
ordnung, dann Sieg und Erhebung, dann die Wiedererwerbung der
Hälfte des Staatsgebiets, dann der Neubau der Verwaltung und die Be-
freiung des Marktes, endlich die Steuergeſetze und jenes Staatsſchulden-
Edikt, aus dem dereinſt die preußiſchen Reichsſtände hervorgehen mußten;
und alle dieſe Erfolge waren gewiß nicht durch Hardenberg allein, aber
auch nicht ohne ihn möglich geworden. Wir Nachlebenden erkennen die
Schranken ſeiner Begabung, wenn wir ihn neben den erſten Kanzler des
deutſchen Reiches ſtellen, und wir ermeſſen den Werth ſeines fruchtbaren,
noch heute fortwirkenden Schaffens, wenn wir ihn mit ſeinem öſterreichiſchen
Nebenbuhler vergleichen, der, glücklicher im Augenblick, zuletzt noch ſelber das
ganze Werk ſeines Lebens ſpurlos zuſammenbrechen ſah. Der Idealismus
unſeres Volkes urtheilt anſpruchsvoll über die Männer der That. Die
Deutſchen wollen lieben wenn ſie ehren ſollen; das hatte König Friedrich
in der tiefen Einſamkeit ſeiner letzten Jahre erfahren müſſen. Doch ſie
wollen auch achten wo ſie lieben ſollen; und weil der weiche, leichtlebige
Jüngling im Greiſenhaar ſo wenig Achtung erzwingt, darum wird ſich
die Liebe der Deutſchen, wenn ſie der Befreiungskriege gedenken, immer
den Helden des Willens, den Stein und Scharnhorſt, Blücher und Gnei-
ſenau zuwenden und Hardenberg’s eigenthümliche Größe allezeit nur einem
kleinen Kreiſe politiſcher Köpfe ganz verſtändlich bleiben. Das Gewiſſen
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