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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.

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III. 5. Die Großmächte und die Trias.
nich's, ein Jahr nachdem er das Frankfurter Treiben kennen gelernt, über
die Lieblingsschöpfung seines Meisters; der sachliche Ernst des preußischen
Beamten war in ihm doch stärker als die österreichisch-reaktionäre Partei-
gesinnung. Da Baiern sich nicht zufrieden gab, so wurde die Uebernahme
von Landau noch verschoben und nach wiederholten Verhandlungen erst im
Jahre 1831 ausgeführt. Ueber die letzten Beweggründe der Widersprechen-
den erklärte sich der Stuttgarter Hof selber mit einer cynischen Aufrichtig-
keit, die er sonst nicht liebte. König Wilhelm hielt für räthlich, sich vor
Kaiser Franz wegen des Rückfalls in die alte Oppositionspolitik zu recht-
fertigen, und ließ darum nach Wien schreiben: "Es handelte sich um eine
für uns wesentliche Sache, um das Geld, das heute überall und namentlich
in einem ackerbauenden Lande, wie das unsere, selten ist." Dann abermals:
Württemberg sei gern bereit, aus Rücksicht auf die Großmächte, Luxem-
burg und Landau in die Reihe der Bundesfestungen aufzunehmen; "es
wäre aber ungerecht, daraus eine für unsere Finanzen nachtheilige Fol-
gerung zu ziehen;" für Preußen und Oesterreich bedeuten diese Kosten
nichts, für uns sind sie "ein Gegenstand". Und schließlich noch einfacher:
"Es kann keiner Rechtfertigung bedürfen, daß S. k. Maj. Anstand nehmen
mußten, auf eine Uebernahme von Festungen einzugehen, mit welchen
Höchstihren Landen als daran geknüpfte Folgen bedeutende Lasten aufge-
legt worden wären."*)

Der wackere Wolzogen, der sich so viele Jahre lang mit der Bosheit
und dem Unverstande hatte herumschlagen müssen, erlebte jetzt die Genug-
thuung, daß er im Dec. 1825 mit dem hannöverschen General v. Hinüber
nach Mainz gesendet wurde und die Festung für den Bund übernahm.
Es war die höchste Zeit, da die Werke ganz zu zerfallen drohten. Als
die beiden Bundescommissare aber einige Monate später nach Luxemburg
aufbrechen wollten, da verweigerte ihnen der luxemburgische Gesandte die
Pässe. Sie reisten nun ohne sein Visa, vollzogen die Uebernahme der
Festung, sendeten einen Protest des niederländischen Generals Gödeke, der
ihnen nach der feierlichen Parade zuging, ungelesen zurück (13. März 1826).
Nach der Heimkehr fanden sie beim Bundestage ein Schreiben der nieder-
ländischen Regierung vor, das in den gröbsten Worten "den nicht leicht
zu qualificirenden Akt" vom 13. März für null und nichtig erklärte. Der
alte Haß des Oraniers gegen den Nachbarstaat, dem er seinen Thron
verdankte, entlud sich noch einmal; er drohte für den Nothfall noch mit
"anderen Mitteln, um die Integrität seines Großherzogthums zu be-
schirmen." Solche Beleidigungen konnte sich selbst die Bundesversammlung
nicht bieten lassen. Sie wies die Beschwerde als unstatthaft zurück, und
sprach über die Ausdrücke des Königs ihr Bedauern aus.**) Der Oranier

*) Ministerialschreiben des Min. v. Beroldingen an den Gesandten v. Gremp in
Wien, Stuttgart, 22. Mai 1825, nebst Beilage: Denkschrift über die Bundesfestungen.
**) Nagler's Berichte, 4., 6. März, 15. April, 15. Mai 1826.

III. 5. Die Großmächte und die Trias.
nich’s, ein Jahr nachdem er das Frankfurter Treiben kennen gelernt, über
die Lieblingsſchöpfung ſeines Meiſters; der ſachliche Ernſt des preußiſchen
Beamten war in ihm doch ſtärker als die öſterreichiſch-reaktionäre Partei-
geſinnung. Da Baiern ſich nicht zufrieden gab, ſo wurde die Uebernahme
von Landau noch verſchoben und nach wiederholten Verhandlungen erſt im
Jahre 1831 ausgeführt. Ueber die letzten Beweggründe der Widerſprechen-
den erklärte ſich der Stuttgarter Hof ſelber mit einer cyniſchen Aufrichtig-
keit, die er ſonſt nicht liebte. König Wilhelm hielt für räthlich, ſich vor
Kaiſer Franz wegen des Rückfalls in die alte Oppoſitionspolitik zu recht-
fertigen, und ließ darum nach Wien ſchreiben: „Es handelte ſich um eine
für uns weſentliche Sache, um das Geld, das heute überall und namentlich
in einem ackerbauenden Lande, wie das unſere, ſelten iſt.“ Dann abermals:
Württemberg ſei gern bereit, aus Rückſicht auf die Großmächte, Luxem-
burg und Landau in die Reihe der Bundesfeſtungen aufzunehmen; „es
wäre aber ungerecht, daraus eine für unſere Finanzen nachtheilige Fol-
gerung zu ziehen;“ für Preußen und Oeſterreich bedeuten dieſe Koſten
nichts, für uns ſind ſie „ein Gegenſtand“. Und ſchließlich noch einfacher:
„Es kann keiner Rechtfertigung bedürfen, daß S. k. Maj. Anſtand nehmen
mußten, auf eine Uebernahme von Feſtungen einzugehen, mit welchen
Höchſtihren Landen als daran geknüpfte Folgen bedeutende Laſten aufge-
legt worden wären.“*)

Der wackere Wolzogen, der ſich ſo viele Jahre lang mit der Bosheit
und dem Unverſtande hatte herumſchlagen müſſen, erlebte jetzt die Genug-
thuung, daß er im Dec. 1825 mit dem hannöverſchen General v. Hinüber
nach Mainz geſendet wurde und die Feſtung für den Bund übernahm.
Es war die höchſte Zeit, da die Werke ganz zu zerfallen drohten. Als
die beiden Bundescommiſſare aber einige Monate ſpäter nach Luxemburg
aufbrechen wollten, da verweigerte ihnen der luxemburgiſche Geſandte die
Päſſe. Sie reiſten nun ohne ſein Viſa, vollzogen die Uebernahme der
Feſtung, ſendeten einen Proteſt des niederländiſchen Generals Gödeke, der
ihnen nach der feierlichen Parade zuging, ungeleſen zurück (13. März 1826).
Nach der Heimkehr fanden ſie beim Bundestage ein Schreiben der nieder-
ländiſchen Regierung vor, das in den gröbſten Worten „den nicht leicht
zu qualificirenden Akt“ vom 13. März für null und nichtig erklärte. Der
alte Haß des Oraniers gegen den Nachbarſtaat, dem er ſeinen Thron
verdankte, entlud ſich noch einmal; er drohte für den Nothfall noch mit
„anderen Mitteln, um die Integrität ſeines Großherzogthums zu be-
ſchirmen.“ Solche Beleidigungen konnte ſich ſelbſt die Bundesverſammlung
nicht bieten laſſen. Sie wies die Beſchwerde als unſtatthaft zurück, und
ſprach über die Ausdrücke des Königs ihr Bedauern aus.**) Der Oranier

*) Miniſterialſchreiben des Min. v. Beroldingen an den Geſandten v. Gremp in
Wien, Stuttgart, 22. Mai 1825, nebſt Beilage: Denkſchrift über die Bundesfeſtungen.
**) Nagler’s Berichte, 4., 6. März, 15. April, 15. Mai 1826.
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[332/0348] III. 5. Die Großmächte und die Trias. nich’s, ein Jahr nachdem er das Frankfurter Treiben kennen gelernt, über die Lieblingsſchöpfung ſeines Meiſters; der ſachliche Ernſt des preußiſchen Beamten war in ihm doch ſtärker als die öſterreichiſch-reaktionäre Partei- geſinnung. Da Baiern ſich nicht zufrieden gab, ſo wurde die Uebernahme von Landau noch verſchoben und nach wiederholten Verhandlungen erſt im Jahre 1831 ausgeführt. Ueber die letzten Beweggründe der Widerſprechen- den erklärte ſich der Stuttgarter Hof ſelber mit einer cyniſchen Aufrichtig- keit, die er ſonſt nicht liebte. König Wilhelm hielt für räthlich, ſich vor Kaiſer Franz wegen des Rückfalls in die alte Oppoſitionspolitik zu recht- fertigen, und ließ darum nach Wien ſchreiben: „Es handelte ſich um eine für uns weſentliche Sache, um das Geld, das heute überall und namentlich in einem ackerbauenden Lande, wie das unſere, ſelten iſt.“ Dann abermals: Württemberg ſei gern bereit, aus Rückſicht auf die Großmächte, Luxem- burg und Landau in die Reihe der Bundesfeſtungen aufzunehmen; „es wäre aber ungerecht, daraus eine für unſere Finanzen nachtheilige Fol- gerung zu ziehen;“ für Preußen und Oeſterreich bedeuten dieſe Koſten nichts, für uns ſind ſie „ein Gegenſtand“. Und ſchließlich noch einfacher: „Es kann keiner Rechtfertigung bedürfen, daß S. k. Maj. Anſtand nehmen mußten, auf eine Uebernahme von Feſtungen einzugehen, mit welchen Höchſtihren Landen als daran geknüpfte Folgen bedeutende Laſten aufge- legt worden wären.“ *) Der wackere Wolzogen, der ſich ſo viele Jahre lang mit der Bosheit und dem Unverſtande hatte herumſchlagen müſſen, erlebte jetzt die Genug- thuung, daß er im Dec. 1825 mit dem hannöverſchen General v. Hinüber nach Mainz geſendet wurde und die Feſtung für den Bund übernahm. Es war die höchſte Zeit, da die Werke ganz zu zerfallen drohten. Als die beiden Bundescommiſſare aber einige Monate ſpäter nach Luxemburg aufbrechen wollten, da verweigerte ihnen der luxemburgiſche Geſandte die Päſſe. Sie reiſten nun ohne ſein Viſa, vollzogen die Uebernahme der Feſtung, ſendeten einen Proteſt des niederländiſchen Generals Gödeke, der ihnen nach der feierlichen Parade zuging, ungeleſen zurück (13. März 1826). Nach der Heimkehr fanden ſie beim Bundestage ein Schreiben der nieder- ländiſchen Regierung vor, das in den gröbſten Worten „den nicht leicht zu qualificirenden Akt“ vom 13. März für null und nichtig erklärte. Der alte Haß des Oraniers gegen den Nachbarſtaat, dem er ſeinen Thron verdankte, entlud ſich noch einmal; er drohte für den Nothfall noch mit „anderen Mitteln, um die Integrität ſeines Großherzogthums zu be- ſchirmen.“ Solche Beleidigungen konnte ſich ſelbſt die Bundesverſammlung nicht bieten laſſen. Sie wies die Beſchwerde als unſtatthaft zurück, und ſprach über die Ausdrücke des Königs ihr Bedauern aus. **) Der Oranier *) Miniſterialſchreiben des Min. v. Beroldingen an den Geſandten v. Gremp in Wien, Stuttgart, 22. Mai 1825, nebſt Beilage: Denkſchrift über die Bundesfeſtungen. **) Nagler’s Berichte, 4., 6. März, 15. April, 15. Mai 1826.

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Zitationshilfe: Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 332. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/348>, abgerufen am 22.11.2024.