Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885.Rothschild. Taxis. Cotta. den, fünfzehn davon für die Wirthshäuser. An die Einrichtung von Ne-benkursen, die wenig eintrugen, war gar nicht zu denken. Gefälliger als den Reisenden erwies sich die Taxis'sche Postverwaltung der k. k. Präsidial- gesandtschaft; sie stellte ihr nicht nur ihre Frankfurter Oberpostamtszeitung, ein Blatt von unerreichter Geistlosigkeit, zur Verfügung, sondern auch ihre polizeilichen Künste. Durch die napoleonische Polizei war der Unfug der Brieferbrechung freilich längst in sämmtlichen Staaten des Festlandes ein- gebürgert worden. Alle Höfe richteten sich danach. Wenn ein Minister einem fremden Souverän ungestraft eine bittere Wahrheit sagen wollte, so schrieb er seinem Gesandten durch die Post; dann konnte er sich darauf verlassen, daß seine Worte an ihre eigentliche Adresse gelangten. Aber so dreist wie in den "Logen" der Taxis'schen Post ward das schmutzige Hand- werk nur noch in der Wiener Stallburg getrieben; wie eine Kreuzspinne saß mitten im Netze des deutschen Verkehrs das berüchtigte Taxis'sche Oberpostamt von Eisenach. Als Nagler einst den Auftrag erhielt, eine geheime Weisung von Frankfurt aus sicher an Küster in München zu be- fördern, da antwortete der gewiegte Sachkenner: das sei rein unmöglich; man möge die Instruktion in Berlin auf einen zierlichen Briefbogen schreiben und von Damenhand an Fräulein v. Küster adressiren lassen; dies Billet müsse dann als Einlage in einem Briefe an einen Münchener Kunstfreund abgehen.*) In solchem Geiste geleitet wurde die Taxis'sche Post eine mächtige Stütze der österreichischen Herrschaft in Deutschland. Den Taxis'schen Palast in der Eschenheimer Gasse benutzte der österrei- chische Gesandte unentgeltlich als Miether, und der Bundestag fand es nicht unanständig, jahrzehntelang die Gastfreundschaft der Regensburger Post-Dynasten zu genießen. Von anderer Art, aber ebenso brauchbar waren die Gefälligkeiten, *) Nagler an das Min. d. a. A., 7. April 1828.
Rothſchild. Taxis. Cotta. den, fünfzehn davon für die Wirthshäuſer. An die Einrichtung von Ne-benkurſen, die wenig eintrugen, war gar nicht zu denken. Gefälliger als den Reiſenden erwies ſich die Taxis’ſche Poſtverwaltung der k. k. Präſidial- geſandtſchaft; ſie ſtellte ihr nicht nur ihre Frankfurter Oberpoſtamtszeitung, ein Blatt von unerreichter Geiſtloſigkeit, zur Verfügung, ſondern auch ihre polizeilichen Künſte. Durch die napoleoniſche Polizei war der Unfug der Brieferbrechung freilich längſt in ſämmtlichen Staaten des Feſtlandes ein- gebürgert worden. Alle Höfe richteten ſich danach. Wenn ein Miniſter einem fremden Souverän ungeſtraft eine bittere Wahrheit ſagen wollte, ſo ſchrieb er ſeinem Geſandten durch die Poſt; dann konnte er ſich darauf verlaſſen, daß ſeine Worte an ihre eigentliche Adreſſe gelangten. Aber ſo dreiſt wie in den „Logen“ der Taxis’ſchen Poſt ward das ſchmutzige Hand- werk nur noch in der Wiener Stallburg getrieben; wie eine Kreuzſpinne ſaß mitten im Netze des deutſchen Verkehrs das berüchtigte Taxis’ſche Oberpoſtamt von Eiſenach. Als Nagler einſt den Auftrag erhielt, eine geheime Weiſung von Frankfurt aus ſicher an Küſter in München zu be- fördern, da antwortete der gewiegte Sachkenner: das ſei rein unmöglich; man möge die Inſtruktion in Berlin auf einen zierlichen Briefbogen ſchreiben und von Damenhand an Fräulein v. Küſter adreſſiren laſſen; dies Billet müſſe dann als Einlage in einem Briefe an einen Münchener Kunſtfreund abgehen.*) In ſolchem Geiſte geleitet wurde die Taxis’ſche Poſt eine mächtige Stütze der öſterreichiſchen Herrſchaft in Deutſchland. Den Taxis’ſchen Palaſt in der Eſchenheimer Gaſſe benutzte der öſterrei- chiſche Geſandte unentgeltlich als Miether, und der Bundestag fand es nicht unanſtändig, jahrzehntelang die Gaſtfreundſchaft der Regensburger Poſt-Dynaſten zu genießen. Von anderer Art, aber ebenſo brauchbar waren die Gefälligkeiten, *) Nagler an das Min. d. a. A., 7. April 1828.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0357" n="341"/><fw place="top" type="header">Rothſchild. Taxis. Cotta.</fw><lb/> den, fünfzehn davon für die Wirthshäuſer. An die Einrichtung von Ne-<lb/> benkurſen, die wenig eintrugen, war gar nicht zu denken. Gefälliger als<lb/> den Reiſenden erwies ſich die Taxis’ſche Poſtverwaltung der k. k. Präſidial-<lb/> geſandtſchaft; ſie ſtellte ihr nicht nur ihre Frankfurter Oberpoſtamtszeitung,<lb/> ein Blatt von unerreichter Geiſtloſigkeit, zur Verfügung, ſondern auch ihre<lb/> polizeilichen Künſte. Durch die napoleoniſche Polizei war der Unfug der<lb/> Brieferbrechung freilich längſt in ſämmtlichen Staaten des Feſtlandes ein-<lb/> gebürgert worden. Alle Höfe richteten ſich danach. Wenn ein Miniſter<lb/> einem fremden Souverän ungeſtraft eine bittere Wahrheit ſagen wollte, ſo<lb/> ſchrieb er ſeinem Geſandten durch die Poſt; dann konnte er ſich darauf<lb/> verlaſſen, daß ſeine Worte an ihre eigentliche Adreſſe gelangten. Aber ſo<lb/> dreiſt wie in den „Logen“ der Taxis’ſchen Poſt ward das ſchmutzige Hand-<lb/> werk nur noch in der Wiener Stallburg getrieben; wie eine Kreuzſpinne<lb/> ſaß mitten im Netze des deutſchen Verkehrs das berüchtigte Taxis’ſche<lb/> Oberpoſtamt von Eiſenach. Als Nagler einſt den Auftrag erhielt, eine<lb/> geheime Weiſung von Frankfurt aus ſicher an Küſter in München zu be-<lb/> fördern, da antwortete der gewiegte Sachkenner: das ſei rein unmöglich;<lb/> man möge die Inſtruktion in Berlin auf einen zierlichen Briefbogen<lb/> ſchreiben und von Damenhand an Fräulein v. Küſter adreſſiren laſſen;<lb/> dies Billet müſſe dann als Einlage in einem Briefe an einen Münchener<lb/> Kunſtfreund abgehen.<note place="foot" n="*)">Nagler an das Min. d. a. A., 7. April 1828.</note> In ſolchem Geiſte geleitet wurde die Taxis’ſche<lb/> Poſt eine mächtige Stütze der öſterreichiſchen Herrſchaft in Deutſchland.<lb/> Den Taxis’ſchen Palaſt in der Eſchenheimer Gaſſe benutzte der öſterrei-<lb/> chiſche Geſandte unentgeltlich als Miether, und der Bundestag fand es<lb/> nicht unanſtändig, jahrzehntelang die Gaſtfreundſchaft der Regensburger<lb/> Poſt-Dynaſten zu genießen.</p><lb/> <p>Von anderer Art, aber ebenſo brauchbar waren die Gefälligkeiten,<lb/> welche das Haus Cotta dem Bundestage erwies. Im Jahre 1825 er-<lb/> bat ſich Goethe für ſeine Werke ein Privilegium gegen den Nachdruck.<lb/> Eine feierlich würdevolle Eingabe des Altmeiſters mahnte: „die von ſo er-<lb/> habener Stelle dem großen Ganzen gewidmete Ueberſicht ſchließt eine wohl-<lb/> wollende Betrachtung einzelner Angelegenheiten nicht aus“ — und empfahl<lb/> dem erhabenen Bundestage, dem Vereine aller deutſchen Souveränitäten<lb/> „dieſes für die ganze deutſche Literatur bedeutende Geſchäft“. Obwohl<lb/> ein Bundesgeſetz wider den Nachdruck trotz der Bemühungen Preußens noch<lb/> immer nicht zu Stande gekommen war und die Ertheilung von Privilegien<lb/> nicht zu den Befugniſſen des Bundestags gehörte, ſo fühlte die Verſamm-<lb/> lung doch was Deutſchland ſeinem Dichter ſchuldete. Von Nagler zur Eile<lb/> gedrängt ging ſie über die Formbedenken hinweg und beſchloß, ungewöhnlich<lb/> ſchnell, ſchon nach zwei Monaten, das Geſuch Goethe’s bei allen Bundes-<lb/> regierungen zu befürworten. So konnten denn „unter des durchlauch-<lb/></p> </div> </div> </body> </text> </TEI> [341/0357]
Rothſchild. Taxis. Cotta.
den, fünfzehn davon für die Wirthshäuſer. An die Einrichtung von Ne-
benkurſen, die wenig eintrugen, war gar nicht zu denken. Gefälliger als
den Reiſenden erwies ſich die Taxis’ſche Poſtverwaltung der k. k. Präſidial-
geſandtſchaft; ſie ſtellte ihr nicht nur ihre Frankfurter Oberpoſtamtszeitung,
ein Blatt von unerreichter Geiſtloſigkeit, zur Verfügung, ſondern auch ihre
polizeilichen Künſte. Durch die napoleoniſche Polizei war der Unfug der
Brieferbrechung freilich längſt in ſämmtlichen Staaten des Feſtlandes ein-
gebürgert worden. Alle Höfe richteten ſich danach. Wenn ein Miniſter
einem fremden Souverän ungeſtraft eine bittere Wahrheit ſagen wollte, ſo
ſchrieb er ſeinem Geſandten durch die Poſt; dann konnte er ſich darauf
verlaſſen, daß ſeine Worte an ihre eigentliche Adreſſe gelangten. Aber ſo
dreiſt wie in den „Logen“ der Taxis’ſchen Poſt ward das ſchmutzige Hand-
werk nur noch in der Wiener Stallburg getrieben; wie eine Kreuzſpinne
ſaß mitten im Netze des deutſchen Verkehrs das berüchtigte Taxis’ſche
Oberpoſtamt von Eiſenach. Als Nagler einſt den Auftrag erhielt, eine
geheime Weiſung von Frankfurt aus ſicher an Küſter in München zu be-
fördern, da antwortete der gewiegte Sachkenner: das ſei rein unmöglich;
man möge die Inſtruktion in Berlin auf einen zierlichen Briefbogen
ſchreiben und von Damenhand an Fräulein v. Küſter adreſſiren laſſen;
dies Billet müſſe dann als Einlage in einem Briefe an einen Münchener
Kunſtfreund abgehen. *) In ſolchem Geiſte geleitet wurde die Taxis’ſche
Poſt eine mächtige Stütze der öſterreichiſchen Herrſchaft in Deutſchland.
Den Taxis’ſchen Palaſt in der Eſchenheimer Gaſſe benutzte der öſterrei-
chiſche Geſandte unentgeltlich als Miether, und der Bundestag fand es
nicht unanſtändig, jahrzehntelang die Gaſtfreundſchaft der Regensburger
Poſt-Dynaſten zu genießen.
Von anderer Art, aber ebenſo brauchbar waren die Gefälligkeiten,
welche das Haus Cotta dem Bundestage erwies. Im Jahre 1825 er-
bat ſich Goethe für ſeine Werke ein Privilegium gegen den Nachdruck.
Eine feierlich würdevolle Eingabe des Altmeiſters mahnte: „die von ſo er-
habener Stelle dem großen Ganzen gewidmete Ueberſicht ſchließt eine wohl-
wollende Betrachtung einzelner Angelegenheiten nicht aus“ — und empfahl
dem erhabenen Bundestage, dem Vereine aller deutſchen Souveränitäten
„dieſes für die ganze deutſche Literatur bedeutende Geſchäft“. Obwohl
ein Bundesgeſetz wider den Nachdruck trotz der Bemühungen Preußens noch
immer nicht zu Stande gekommen war und die Ertheilung von Privilegien
nicht zu den Befugniſſen des Bundestags gehörte, ſo fühlte die Verſamm-
lung doch was Deutſchland ſeinem Dichter ſchuldete. Von Nagler zur Eile
gedrängt ging ſie über die Formbedenken hinweg und beſchloß, ungewöhnlich
ſchnell, ſchon nach zwei Monaten, das Geſuch Goethe’s bei allen Bundes-
regierungen zu befürworten. So konnten denn „unter des durchlauch-
*) Nagler an das Min. d. a. A., 7. April 1828.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |