tag von 1828 verlief so still, daß man ihn im Volke kaum bemerkte. Ein Glück nur, daß der Staatshaushalt durch den trefflichen Finanzminister Böckh, den Bruder des Philologen, endlich in gute Ordnung kam. Als Varnhagen um diese Zeit wieder in Baden auftauchte und, zur großen Entrüstung des greisen Fürsten, dem Großherzog seine Aufwartung machte, da erschien er der stillen Residenz wie eine Gestalt aus einer versunkenen Welt.*) Metternich säumte nicht dem Karlsruher Hofe das Wohlgefallen des Kaisers Franz auszusprechen, der "in Folge seines wahrhaft welt- bürgerlichen Sinnes" an diesen Dingen lebhaft theilnehme: "In Zeiten, welche eine ganz eigenthümliche Solidarität der Schlechten und des durch sie erzeugten Bösen darbieten, ist das gute Beispiel ebenfalls stets frucht- bar. Dem Herrn Großherzog war es vorbehalten, mit selbem in Deutsch- land vorzugehen, und er wird demnach der erste Regent sein, welcher die Früchte einer guten Aussaat einernten wird."**) Schärfer als sein mäch- tiger Vetter sah Wessenberg in die Zukunft. Er sagte dem Hofe voraus, auf diesem Wege werde man nicht weit kommen; er wußte, daß die un- verzagten Führer des badischen Liberalismus ihre geschlagenen Truppen in der Stille zu neuen Kämpfen sammelten. --
Wie die Interessen Oesterreichs und Preußens in der Bundespolitik immer wieder gegen einander stießen, so wurde das Verhältniß der beiden befreundeten Höfe auch in den europäischen Händeln durch mannichfache Meinungsverschiedenheit getrübt. Als das französische Heer im April 1823 die spanische Grenze überschritten hatte, trat Metternich mit dem Vor- schlage auf, die Regentschaft in Spanien bis zur Befreiung des Königs seinem Oheim Ferdinand von Neapel zu übertragen; er wollte dadurch verhindern, daß der französische Oberbefehlshaber, der Herzog von An- gouleme, seine Siege einseitig zu Frankreichs Vortheil ausbeutete oder viel- leicht gar die französische Charte in Spanien ausriefe. Bernstorff aber widersprach auf das Nachdrücklichste: unmöglich könne man diesen wesent- lich französischen Krieg benutzen um in Spanien ein Regiment zu be- gründen, das den Interessen Frankreichs geradeswegs zuwiderliefe. Mit Bitterkeit schilderte er die entsetzlichen Zustände in Neapel und fragte, ob man einem solchen Fürsten auch noch die Verwaltung eines anderen Lan- des anvertrauen dürfe. "Wenn es die Pflicht der Souveräne ist die Lehren und die Thaten der Empörung niederzuschmettern, so ist es nicht minder ihre Pflicht, denselben zuvorzukommen und sie unmöglich oder unent- schuldbar zu machen, indem man die Völker vor dem Despotismus wie vor der Anarchie bewahrt und ihnen die ersten Güter der Gesellschaft sichert." König Friedrich Wilhelm erwiderte dem neapolitanischen Bour- bonen, der ihn um seine Unterstützung bat, kühl ablehnend, er werde der
*) Küster's Berichte, 18., 24. Juli 1825.
**) Metternich an Hruby, Mailand 21. Mai 1825.
III. 5. Die Großmächte und die Trias.
tag von 1828 verlief ſo ſtill, daß man ihn im Volke kaum bemerkte. Ein Glück nur, daß der Staatshaushalt durch den trefflichen Finanzminiſter Böckh, den Bruder des Philologen, endlich in gute Ordnung kam. Als Varnhagen um dieſe Zeit wieder in Baden auftauchte und, zur großen Entrüſtung des greiſen Fürſten, dem Großherzog ſeine Aufwartung machte, da erſchien er der ſtillen Reſidenz wie eine Geſtalt aus einer verſunkenen Welt.*) Metternich ſäumte nicht dem Karlsruher Hofe das Wohlgefallen des Kaiſers Franz auszuſprechen, der „in Folge ſeines wahrhaft welt- bürgerlichen Sinnes“ an dieſen Dingen lebhaft theilnehme: „In Zeiten, welche eine ganz eigenthümliche Solidarität der Schlechten und des durch ſie erzeugten Böſen darbieten, iſt das gute Beiſpiel ebenfalls ſtets frucht- bar. Dem Herrn Großherzog war es vorbehalten, mit ſelbem in Deutſch- land vorzugehen, und er wird demnach der erſte Regent ſein, welcher die Früchte einer guten Ausſaat einernten wird.“**) Schärfer als ſein mäch- tiger Vetter ſah Weſſenberg in die Zukunft. Er ſagte dem Hofe voraus, auf dieſem Wege werde man nicht weit kommen; er wußte, daß die un- verzagten Führer des badiſchen Liberalismus ihre geſchlagenen Truppen in der Stille zu neuen Kämpfen ſammelten. —
Wie die Intereſſen Oeſterreichs und Preußens in der Bundespolitik immer wieder gegen einander ſtießen, ſo wurde das Verhältniß der beiden befreundeten Höfe auch in den europäiſchen Händeln durch mannichfache Meinungsverſchiedenheit getrübt. Als das franzöſiſche Heer im April 1823 die ſpaniſche Grenze überſchritten hatte, trat Metternich mit dem Vor- ſchlage auf, die Regentſchaft in Spanien bis zur Befreiung des Königs ſeinem Oheim Ferdinand von Neapel zu übertragen; er wollte dadurch verhindern, daß der franzöſiſche Oberbefehlshaber, der Herzog von An- gouleme, ſeine Siege einſeitig zu Frankreichs Vortheil ausbeutete oder viel- leicht gar die franzöſiſche Charte in Spanien ausriefe. Bernſtorff aber widerſprach auf das Nachdrücklichſte: unmöglich könne man dieſen weſent- lich franzöſiſchen Krieg benutzen um in Spanien ein Regiment zu be- gründen, das den Intereſſen Frankreichs geradeswegs zuwiderliefe. Mit Bitterkeit ſchilderte er die entſetzlichen Zuſtände in Neapel und fragte, ob man einem ſolchen Fürſten auch noch die Verwaltung eines anderen Lan- des anvertrauen dürfe. „Wenn es die Pflicht der Souveräne iſt die Lehren und die Thaten der Empörung niederzuſchmettern, ſo iſt es nicht minder ihre Pflicht, denſelben zuvorzukommen und ſie unmöglich oder unent- ſchuldbar zu machen, indem man die Völker vor dem Despotismus wie vor der Anarchie bewahrt und ihnen die erſten Güter der Geſellſchaft ſichert.“ König Friedrich Wilhelm erwiderte dem neapolitaniſchen Bour- bonen, der ihn um ſeine Unterſtützung bat, kühl ablehnend, er werde der
*) Küſter’s Berichte, 18., 24. Juli 1825.
**) Metternich an Hruby, Mailand 21. Mai 1825.
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tag von 1828 verlief ſo ſtill, daß man ihn im Volke kaum bemerkte. Ein
Glück nur, daß der Staatshaushalt durch den trefflichen Finanzminiſter
Böckh, den Bruder des Philologen, endlich in gute Ordnung kam. Als
Varnhagen um dieſe Zeit wieder in Baden auftauchte und, zur großen
Entrüſtung des greiſen Fürſten, dem Großherzog ſeine Aufwartung machte,
da erſchien er der ſtillen Reſidenz wie eine Geſtalt aus einer verſunkenen
Welt. *) Metternich ſäumte nicht dem Karlsruher Hofe das Wohlgefallen
des Kaiſers Franz auszuſprechen, der „in Folge ſeines wahrhaft welt-
bürgerlichen Sinnes“ an dieſen Dingen lebhaft theilnehme: „In Zeiten,
welche eine ganz eigenthümliche Solidarität der Schlechten und des durch
ſie erzeugten Böſen darbieten, iſt das gute Beiſpiel ebenfalls ſtets frucht-
bar. Dem Herrn Großherzog war es vorbehalten, mit ſelbem in Deutſch-
land vorzugehen, und er wird demnach der erſte Regent ſein, welcher die
Früchte einer guten Ausſaat einernten wird.“ **) Schärfer als ſein mäch-
tiger Vetter ſah Weſſenberg in die Zukunft. Er ſagte dem Hofe voraus,
auf dieſem Wege werde man nicht weit kommen; er wußte, daß die un-
verzagten Führer des badiſchen Liberalismus ihre geſchlagenen Truppen
in der Stille zu neuen Kämpfen ſammelten. —
Wie die Intereſſen Oeſterreichs und Preußens in der Bundespolitik
immer wieder gegen einander ſtießen, ſo wurde das Verhältniß der beiden
befreundeten Höfe auch in den europäiſchen Händeln durch mannichfache
Meinungsverſchiedenheit getrübt. Als das franzöſiſche Heer im April 1823
die ſpaniſche Grenze überſchritten hatte, trat Metternich mit dem Vor-
ſchlage auf, die Regentſchaft in Spanien bis zur Befreiung des Königs
ſeinem Oheim Ferdinand von Neapel zu übertragen; er wollte dadurch
verhindern, daß der franzöſiſche Oberbefehlshaber, der Herzog von An-
gouleme, ſeine Siege einſeitig zu Frankreichs Vortheil ausbeutete oder viel-
leicht gar die franzöſiſche Charte in Spanien ausriefe. Bernſtorff aber
widerſprach auf das Nachdrücklichſte: unmöglich könne man dieſen weſent-
lich franzöſiſchen Krieg benutzen um in Spanien ein Regiment zu be-
gründen, das den Intereſſen Frankreichs geradeswegs zuwiderliefe. Mit
Bitterkeit ſchilderte er die entſetzlichen Zuſtände in Neapel und fragte, ob
man einem ſolchen Fürſten auch noch die Verwaltung eines anderen Lan-
des anvertrauen dürfe. „Wenn es die Pflicht der Souveräne iſt die
Lehren und die Thaten der Empörung niederzuſchmettern, ſo iſt es nicht
minder ihre Pflicht, denſelben zuvorzukommen und ſie unmöglich oder unent-
ſchuldbar zu machen, indem man die Völker vor dem Despotismus wie
vor der Anarchie bewahrt und ihnen die erſten Güter der Geſellſchaft
ſichert.“ König Friedrich Wilhelm erwiderte dem neapolitaniſchen Bour-
bonen, der ihn um ſeine Unterſtützung bat, kühl ablehnend, er werde der
*) Küſter’s Berichte, 18., 24. Juli 1825.
**) Metternich an Hruby, Mailand 21. Mai 1825.
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Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im neunzehnten Jahrhundert. Bd. 3: Bis zur Juli-Revolution. Leipzig, 1885, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/treitschke_geschichte03_1885/370>, abgerufen am 18.06.2024.
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